Besser als nichts – das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien

Österreich und die katholische Kirche verbindet eine lange gemeinsame Geschichte unter den streng katholischen Habsburgern. Dieses Erbe prägt uns noch heute. Dollfuß schloss einen weitreichenden Vertrag mit dem Vatikan ab, in dem Rechte und Privilegien der Kirche festgelegt wurden und der bis heute gültig ist. An diesem Konkordat kratzt nun eine Initiative, die mittels Volksbegehren die Privilegien der Kirche zu Fall bringen will. Eine gute Idee, aber leider ist die Umsetzung nur mangelhaft gelungen.

Die Kirche hat eine starke Sonderstellung in Österreich. Der Staat kommt weitgehend für die Erhaltung katholischer Privatschulen, Kindergärten und theologischer Fakultäten auf. Er bezahlt Religionslehrerinnen und Zivildiener. Kirchliche Besitztümer sind vielfach grundsteuerbefreit und werden oft auf Kosten der Allgemeinheit saniert. Darüber hinaus kassiert die Kirche als Großgrundbesitzerin Millionenbeträge an Agrarförderung von der EU. Die Kirchensteuer wiederum ist absetzbar und der Staat hilft bei ihrer Eintreibung. Gleichzeitig gibt es ein eigenes Kirchenrecht, das die Kirche quasi zu einem Staat im Staate macht. Soweit die zentralen Vorwürfe der Initiatorinnen. Das Volksbegehren fordert daher ein Bundesverfassungsgesetz zur Abschaffung kirchlicher Privilegien, steht für eine klare Trennung von Kirche und Staat und für die Streichung der Subventionen an die Kirche. Außerdem fordert es ein Bundesgesetz zur Aufklärung kirchlicher Missbrauchs- und Gewaltverbrechen. Endlich, möchte man meinen, denn auf den ersten Blick klingt das alles durchaus einleuchtend. Das Volksbegehren hat aber leider grobe Schwächen, die bei genauerem Hinsehen zu Tage treten.

Die Auflistung der angeblichen Privilegien ist zu vereinfachend und die Forderungen gehen oft an den Problemen vorbei. Die Agrarsubventionen beispielsweise sind kein kirchliches Privileg, sondern europäische Landwirtschaftspolitik. Großgrundbesitzerinnen kassieren enorme Beträge, während kleinbäuerliche Strukturen kaum aufrechterhalten werden können. Hier erscheint es sinnvoller die EUPolitik und den historisch gewachsenen Grundbesitz der Kirche an sich infrage zu stellen. Kritisiert man wiederum die Zuteilung von Zivildienern, stellt sich die Frage, warum es überhaupt notwendig ist, dass Private Aufgaben des Staates übernehmen müssen (z.B. die Betreuung von Flüchtlingen durch die Caritas). Dass unter Denkmalschutz gestellte Immobilien der Kirche auch mit Staatsgeldern erhalten werden ist zwar richtig, aber nur selten handelt es sich dabei um Privatvillen von Bischöfen. Vielmehr sind diese Bauwerke Teil unseres kulturellen Erbes, von dem nicht nur der Tourismus maßgeblich lebt. Auch hier erscheint es sinnvoller darüber nachzudenken, ob diese Gebäude nicht in staatlichen Besitz übergehen sollten. Denn wie auch unsere Burgen und Schlösser sind sie seinerzeit mit Geldern errichtet worden, die der Bevölkerung durch weltliche wie geistliche Feudalherrschaft abgepresst wurden. Schönbrunn wurde aus Steuermitteln finanziert und soll deshalb auch allen gehören. Gleiches gilt demnach für kirchliche Bauwerke. Die mangelnde Differenziertheit macht das Volksbegehren angreifbar und verstellt den Blick auf die tatsächlichen Privilegien. Diese liegen vor allem im Kirchenrecht, wie der skandalöse Umgang mit Missbrauchsfällen tagtäglich zeigt. Inakzeptabel ist auch die staatliche Subvention kirchlicher Bildungseinrichtungen und die Unterstützung beim Eintreiben der Kirchensteuer. Trotz der inhaltlichen Kritik möchte ich aber nicht davon abraten, das Volksbegehren zu unterschreiben, denn betrachtet man es in einem größeren Zusammenhang ist es zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Weltweit ist der Irrationalismus wieder in der Offensive. Geistige und kulturelle Errungenschaften der Aufklärung geraten zunehmend unter Druck. Der Laizismus scheint in Gefahr und deshalb ist es wichtig, bislang tolerierte Überreste der „alten Ordnung“ in Frage zu stellen. Die Trennung von Kirche und Staat ist über Jahrhunderte blutig erkämpft worden und eine Grundfeste unserer Gesellschaftsordnung. Deshalb macht es durchaus Sinn, das Konkordat zu kritisieren. Es ist ein Warnschuss vor den Bug reaktionärer Kräfte. Ein höchst notwendiger Warnschuss. Schade nur, dass die Munition aus mangelhaftem Material die Treffsicherheit beeinträchtigt.

 

Das Kirchen-Privilegien-Volksbegehren ist noch bis 15. 10. 2011 auf jedem Gemeindeamt bzw. Magistrat zu unterschreiben.  kirchen-privilegien.a
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