Edelpuff und Musiktheater

Wie eine Stadt von Industrieabgasen und Bettlern gesäubert wird. Franz Fend über die Entwicklung von einer „schmutzigen Industriestadt zu einer sauberen Kulturstadt“.

 

Die Dimensionen sind gewaltig. Auf dem Gelände des ehemaligen Frachtenbahnhofs in Linz soll eine neue Stadt in (neben) der Stadt entstehen. Die gigantische Geldsumme von mehr als drei Milliarden Euro (das sind in etwa 42.000.000.000 Schilling) soll verbaut werden, die Bauzeit soll bis 2036 dauern. Da machen sich die aktuellen städtebaulichen Investitionen wie der Tunnel zwischen Bindermichl und Spallerhof oder der Lenaupark geradezu lächerlich aus. Bahnhofneubau, das Bürotürm-chen daneben und der Wissensturm (ein bedrohliches Wort) vis á vis, fügen sich in das Mosaik. Das so genannte Landesdienstleistungszentrum, das als Bauernpeepshow daherkommt, in der die subalternen Bittsteller der Landesregierung den Frauen durch transparente Treppen unter den Kittel schauen dürfen, passt ebenfalls dazu. Gebaut werden soll noch viel mehr. Eine Donaubrücke, die mehr Verkehr in die Stadt bringen wird, Fünf-Sterne Hotels, die das Kulturpublikum im Jahr 2009 beherbergen werden, sind überdies vorgesehen. Ein Musiktheater wird vielleicht auch noch drinnen sein. Es tut sich also was in Linz.

Highlights und Repräsentationsbedürfnisse Dieser Prozess wird in Linz euphemistisch als „Entwicklung von einer schmutzigen Industriestadt zu einer sauberen Kulturstadt“ beschrieben. Er begann bereits Ende der 70er-Jahre und fand seinen ersten Höhepunkt mit der so genannten Verstaatlichtenkrise Mitte der 80er-Jahre. Damals schon wurden die Weichen gestellt, für eine Gesellschaft des Spektakels, in der alles, selbst gute oder schlechte Laune der Menschen, zu Kapital gemacht wird. In der restlos alles zur Ware wird. Ein weiteres Highlight in diesem Prozess wird mit Sicherheit das Kulturhauptstadtjahr 2009 sein.

Die Urbanismusforscher Klaus Ronneberger, Stephan Lanz und Walter Jahn von der FU Berlin beschreiben in ihrer Arbeit „Die Stadt als Beute“ diese Entwicklung der Stadtzentren zu Dienstleistungs- und Einkaufsmeilen folgendermaßen: „Ohne Zweifel mussten die städtischen Zentren durch die Randwanderung der Ökonomie und die Absetzungsbewegung der Mittelklassen in den letzten Jahren einen gewissen Bedeutungsverlust hinnehmen.“ (Im Falle von Linz sind da beispielsweise jene gemeint, die nach Ottensheim, Puchenau und Neulichtenberg abgewandert sind. Diese Gemeinden sind äußerst einkommensstark, haben starke grüne Gemeinderatsfraktionen und deren Bewohner bilden den täglichen Stau in den Einfallsstraßen von Linz. ff) „Dennoch bilden sie weiterhin einen Schwerpunkt für wirtschaftliche Aktivitäten und Großinvestitionen. Banken, Versicherungsfonds und transnationale Konzerne legen einen Teil ihres überschüssigen Kapitals in global gestreutem Immobilienbesitz an. Damit geraten die Städte in den Sog eines hochmobilen Geldkapitals, das mit Hilfe einer spektakulären Investorenarchitektur den städtischen Raum neu ordnet. Als Folge dieser Verwertungsstrategie entsteht eine bauliche Umwelt, die verschiedenen Nutzungsansprüchen der Headquarter-Ökonomie gerecht wird, und zugleich den Repräsentationsbedürfnissen der neuen Dienstleistungsklasse entgegenkommt.“ Die Kernstadt verwandelt sich zum gehobenen Konsumtionsraum von Dienstleistungen aller Art. Wie diese Repräsentationsbedürfnisse dieser neuen Dienstleistungsklassen aussehen werden, sollte dringend Thema von Untersuchungen werden.

Herzeigbare Innenstadt Hinzu kommt, dass die Veränderung der Wirtschafts- und Sozialstruktur der Stadt auch auf einem anderen Feld von Bedeutung ist. Man könnte es unter dem Titel „Verunsicherungsdiskurs“ subsumieren. Denn mit Sicherheit hat das keineswegs was zu tun. Ziel ist es vielmehr, Subjekte, die den neuen Repräsentationsbedürfnissen zuwider laufen, aus der Stadt zu verbannen. Die Mittel werden nicht zimperlich sein. „Bahnhofsoffensive“ tituliert die ÖBB ihr Tun. Von einer „Hoteloffensive“ spricht der Linzer Planungsstadtrat Luger. Die Anlehnung an eine militärische Diktion kommt nicht von ungefähr. Die wissen was sie sagen. Wenn von einer „herzeigbaren Innenstadt“ die Rede ist, sollte man immer fragen, wem sie denn gezeigt werden sollte. In diesem Zusammenhang erscheint die aktuelle mediale Kampagne gegen die Bettler in der Linzer Innenstadt, der Gipfel am Grünen Tische und Security-Einheiten gegen die Sandler auf dem neuen Hauptbahnhof, und das Lamento der Linzer Sub-Bourgeoisie über angeblich unerträgliche Zustände in der Altstadt, in einem völlig neuen Licht. Es geht in allen Fällen darum, die Stadt von Menschen zu säubern, die den Repräsentationsbedürfnissen der Vertreter von New Economy und Old Business nicht entsprechen.

Signifikant für die Aufbereitung der Stadt für die Bedürfnisse einer neuen Bourgeoisie ist auch die Eröffnung eines Puffs im ehemaligen Napoleonhof in Ansfelden. Üblicherweise, wenn ein Bordell eröffnet wird, steigen „Rundschau“, Pfaffen und eifersüchtige Ehefrauen mit schweren Moralgeschützen auf die Barrikaden. Als das Napoleonhof-Puff in Betrieb genommen wurde, war plötzlich von einem gepflegten Etablissement die Rede, weil man nicht vergessen hat zu kommunizieren, dass es sich ein Hackler aus dem Ort eh nicht leisten könnte, sich dort zu entspannen.

Franz Fend

Literaturhinweis: Klaus Ronneberger, Stephan Lanz, Walter Jahn: Die Stadt als Beute. Dietz Verlag, Bonn 1999

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