Kultur und Beschäftigung

Der leidige Aufruf zur Arbeit

 

Wie sieht es aus in den Kulturstätten mit bezahlter Arbeit? Die Antwort ist relativ einfach. Jene, die auf Kommerz machen, ihr „Produkt“ verkaufen können, haben die nötigen Mittel für angemessene Personal- und Personalnebenkosten. Die freien, nichtkommerziellen Kulturbetriebe hingegen sind gezwungen, menschliche Arbeitskraft in Ehrenamt mit zeitweisen Projekthonoraren bei Laune zu halten.

von Ulrike Stieger

Fraglich an dieser Situation ist, ob die Misere in Sachen bezahlter Kulturarbeit auf ureigenste Prämissen der freien Kulturarbeit zurückzuführen ist oder ob es sich dabei bis dato um eine unzulängliche politische Berücksichtigung der Beschäftigungsdimension des kulturellen Sektors handelt. Erste Impulse, sich diesen Fragen zu stellen, zog die Entwicklung von Konzepten zur Erhöhung der Beschäftigungsmöglichkeit nach sich. Die Europäische Union hat mit der Erweiterung der Verträge nach Amsterdam um den Titel „Beschäftigung“ die rechtliche Legitimation, aber auch Pflicht beschäftigungspolitischen Agierens erlangt. Von konkreter Bedeutung für die Umsetzung in den Nationalstaaten sind dabei die Verabschiedung beschäftigungspolitischer Leitlinien durch die Regierungschefs der Mitgliedstaaten und die Entwicklung vielfältiger Konzepte im Hinblick auf die Verbesserung der Beschäftigungssituation. Als eines jener neuen Konzepte, das auch in den erweiterten Gemeinschaftsverträgen von Amsterdam, Artikel 127 (2) festgeschrieben steht, gilt die Berücksichtigung der Beschäftigungsdimension in anderen Gemeinschaftspolitiken, kurz Mainstreaming von Beschäftigung. Für den kulturellen Sektor wurde in den 90er Jahren eine Wachstumsrate von 5 % erhoben – die Basisdaten für derartige statistische Erhebungen sind allerdings zu hinterfragen -, sodaß der Bereich in die Liste der potentiellen Beschäftigungsträger Eingang fand. Als Folge der Verdichtung positiver Gründe für die Auseinandersetzung mit Kultur und Beschäftigung signalisierte die EU mit der Arbeitsunterlage „Kultur, Kulturwirtschaft und Beschäftigung“, die in Zusammenarbeit der zuständigen Kommissionen für Kultur und Beschäftigung entstand, erstmals das Vorhaben zur Stützung von Kultur-Arbeitsplätzen. Als es um die Verfassung der beschäftigungspolitischen Leitlinien für 1999 ging, konnten sich die Regierungschefs der EU-Länder erst recht wieder nicht auf die explizite Festschreibung im Text einigen und verbannten die Empfehlung „whereas the role of the cultural sectors in creating sustainable jobs should be considered in the context of the National Action Plans;“ in das Vorwort. Österreich berücksichtigte als einer der wenigen Mitgliedstaaten im Rahmen der Maßnahmen des NAPÕs den kulturellen Sektor. Das Programm „NewStart“ förderte mit einer Gesamtsumme von 300 Mio. S (noch) nicht marktfähige Arbeit zur bedarfsgerechten Erbringung gesellschaftlich wichtiger Leistungen 1. Der kulturelle Sektor fiel laut Ausschreibung unter die darunter förderbaren Bereiche. In einigen Organisationen können derzeit mittels dieses Programms Personal- und Personalnebenkosten nichtkommerzieller Kulturarbeit gedeckt werden. Bevor hier in einer Tabula Rasa die Kritik im Sinne der eingangs gestellten Frage auf unzulängliche Berücksichtigung der Förderdimension von Beschäftigung im kulturellen Sektor ansetzt, ist die grundsätzliche Begrüßung erster Initiativen – nach langem Versäumnis – festzuhalten. Wenn es allerdings um einen ernsthaften, dem Status-Quo sowie der Zukunftsentwicklung der Kulturorganisationen angepaßten Fördermodus für Beschäftigung gehen soll, bedarf es eines weitaus differenzierteren Zugangs. Grundsätzlich sollten sich VerantwortungsträgerInnen der Politik dessen bewußt sein, daß die Instrumentalisierung von Gesellschafts- und Wirtschaftsbereichen keine Aufhebung der Arbeitsmarktprobleme herbeiführen kann. Worum es wirklich gehen muß, ist die Suche von Synergien und die Weckung von Potentialen. Dafür bietet sich der kulturelle Sektor im Sinne eines Mainstreamings an, allerdings wird in der aktuell realisierten Form weder der begrifflichen Fassung von Kultur noch ihrer Charakteristika Beschäftigung betreffend Rechnung getragen. So bezieht sich die Arbeitsunterlage „Kultur, Kulturwirtschaft und Beschäftigung“ zwar grundsätzlich auf einen erweiterten Kulturbegriff, hantiert in der Folge allerdings mit absolut unseriösen Zahlen – eine in jeder Hinsicht unvollständige Fassung des Begriffes – und zentriert letztlich nahezu alle Kernaussagen lediglich auf den wirtschaftlichen Kulturbetrieb. Obwohl das Programm „NewStart“ nicht die lineare Fortführung der theoretischen Arbeit der Europäischen Kommission darstellt, so ist auch diesem eine unzureichende Spezifizierung für den kulturellen Sektor vorzuwerfen. Die Atypik in nahezu allen kulturellen Beschäftigungsbereichen entsteht einerseits aus dem Fehlen wünschenswerter Regulative, wie der Künstlersozialversicherung. Andererseits gründet die Atypik in einigen Bereichen auch auf originäre Eigenschaften des Kulturbetriebs, wie beispielsweise dessen enge Vernetzung zu kreativen Tätigkeiten. Es erscheint deshalb nahezu lächerlich, die Förderung kultureller (noch) nicht marktfähiger Tätigkeiten im Rahmen zutiefst traditioneller Förderrichtlinien verwirklichen zu wollen. Kultur und Beschäftigung ist mit wechselseitig positiver Wirkung auf einen gleichen Nenner zu bringen. Die Anforderung an diese Verwirklichung besteht allerdings in der absoluten Neubearbeitung des Themas. Die Arbeitsunterlage der Kommission und erste Förderversuche durch „NewStart“ können lediglich als Ansatzpunkte für konstruktive Kritik verstanden werden. Die Beschäftigungssituation in nicht-kommerziellen, freien Kultureinrichtungen erfährt dadurch langfristig sicherlich keine Verbesserung. Kulturinitiativen, als Betroffene unzureichender Förderpolitik für größtenteils nichtkommerzielle Kulturarbeit, sollten dies als Ermutigung zur aktiven Beteiligung und Mitgestaltung betrachten.

1 BMAGS, BMwA: Richtlinie für die Durchführung des Programms NewStart, 1998

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