Haben Qualifikation und Persönlichkeit ein Geschlecht, …

Haben Qualifikation und Persönlichkeit ein Geschlecht, wenn es um Führungspositionen geht?

 

von Ingrid Nikolay-Leitner

Eine Findungskommission suchte dieser Tage einen Nachfolger für Gerard Mortier als Intendant der Salzburger Festspiele, den laut ‚profil‘ „wohl attraktivsten Job im europäischen Kulturbetrieb“ (Nr.32/1999). Die Findungskommission bestand aus vier Männern. In der medialen Diskussion fand es niemand notwendig, die Suche – sprachlich oder tatsächlich – über die Grenzen eines Geschlechts hinaus auszudehnen. Niemandem ist dabei etwas aufgefallen.

Auf Nachfrage würde wohl mittlerweile jeder Mann in jeder Findungskommission der Welt beteuern, daß selbstverständlich auch eine Frau für die Position in Frage käme, wenn sie eine entsprechend qualifizierte Persönlichkeit sei, nur gegen Quotenfrauen spreche man sich aus. Mit dieser und ähnlich formulierten Aussagen wird vermittelt, daß die Kommission an eine entsprechend qualifizierte weibliche Persönlichkeit gedacht hätte und daß, wenn die Kommission an keine Frau gedacht hat, es eine solche entsprechend qualifizierte weibliche Persönlichkeit offensichtlich nicht gibt.

Gleichzeitig wird damit auch unterstellt, daß „Qualifikation“ und „Persönlichkeit“ Merkmale einer Person sind, die von der Zuschreibung durch andere nicht abhängig sind, sondern sozusagen für alle sichtbar im Raum stehen, sobald jemand sie besitzt. Dementsprechend seien Qualifikation und Persönlichkeit in hohem Maß objektiv, das heißt auch unabhängig vom Geschlecht der beurteilten – und der beurteilenden – Person, feststellbar.

Quoten und Qualifikation

Auch Frauen wollen nichts lieber, als sich aufgrund ihrer Qualifikation und Persönlichkeit durchzusetzen. Je qualifizierter eine Tätigkeit und je weniger mit Tradition belastet ein Beruf, desto weiter kommen Frauen mittlerweile auch, ohne die gläserne Decke zu spüren. In jedem Beruf gibt es aber die Aufstiegsebene (z.B. Ressortleitung in Print-Medien, Professur im Bereich der Wissenschaft, Primariat in der Medizin,….) ab der Frauen die Erfahrung machen, daß sie einfach übersehen werden.

Diese Erfahrung ist gerade für aufstiegsorientierte Frauen sehr schmerzlich und viele wollen lange nicht zur Kenntnis nehmen, daß ihre Qualifikation und ihre Persönlichkeit plötzlich unsichtbar geworden zu sein scheinen. Sie leiden allerdings auch darunter, wenn beispielsweise wegen einer Quote an sie gedacht und ihnen gleichzeitig automatisch die Qualifikation aberkannt wird, weil – siehe oben – qualifizierte Persönlichkeiten keine Quotenfrauen sind, also im gedanklichen Umkehrschluß Quoten angeblich automatisch zur Folge haben, daß unqualifizierte Personen ausgewählt werden. Wie aber sollen unter diesen Voraussetzungen mehr Frauen als die berühmte Ausnahmefrau die Chance bekommen, qualifizierte Arbeit nicht nur zu leisten, sondern dafür auch mit der entsprechenden Bezahlung und/oder Position entlohnt zu werden? Mit der Frage schlagen sich keineswegs nur Frauen herum, die Spitzenpositionen anstreben, sondern auch viele, die einen „kleinen“, alltäglicheren beruflichen Aufstieg anstreben.

Helfen Gleichbehandlungsgesetze?

Für sie alle wurde mit den Gleichbehandlungsgesetzen die Möglichkeit geschaffen, sozusagen „von Amts wegen“ überprüfen zu lassen, wie weit es mit der Objektivität von Qualifikaktionsmessung und Persönlichkeitsbeurteilung bei Frauen und Männern her ist. Frauen, die den Verdacht haben, daß die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht ihren Konkurrenten einen Vorsprung verschafft, der chancengleiche Konkurrenz zwischen Frauen und Männern erst gar nicht ermöglicht, können sich in der Gleichbehandlungsanwaltschaft beraten lassen (wenn es um eine Position in der Privatwirtschaft geht), oder sich an ihre Gleichbehandlungsbeauftragte im Bundes- , Landes- und Gemeindedienst wenden.

Wenn sich die Vermutung einer geschlechtsspezifischen Zurücksetzung erhärtet, eröffnen die Gleichbehandlungsgesetze die Möglichkeit, sich bei der Gleichbehandlungskommission zu beschweren, den Gerichtsweg zu beschreiten und Schadenersatz zu beanspruchen. Die Gleichbehandlungsgesetze für den öffentlichen Dienst sind dabei insofern effizienter, als sie eine Beschwerdemöglichkeit bereits bei gleicher Qualifikation geben, das Gleichbehandlungsgesetz für die Privatwirtschaft definiert die Bevorzugung eines gleich gut qualifizierten Mannes gegenüber einer Frau nicht als Benachteiligung der Frau und ermöglicht ihr daher in diesem Fall keine Beschwerde.

Was bewirkt eine Beschwerde?

Frauen, die sich z.B. bei der Gleichbehandlungskommission beschweren, weil sie eine Position, für die sie sich für qualifizierter halten als ihre männliche Konkurrenz, nicht bekommen haben, oder es für sie gleich gar keine Möglichkeit zur Bewerbung gegeben hat, bringen einige gedankliche Selbstverständlichkeiten ihrer Umgebung durcheinander. Oft müssen PersonalistInnen und ArbeitgeberInnen sich erstmals überhaupt mit der Frage auseinandersetzen – und dies gegenüber einer mehrheitlich mit Frauen besetzten Kommission begründen -, welche Kriterien sie ihrer Auswahlentscheidung zugrundegelegt haben. Allerdings ist der Entschluß zu einer Beschwerde auf Basis eines Gleichbehandlungsgesetzes nicht einfach: Wenn sich eine Frau beschwert, muß sie damit auch vor sich selbst anerkennen, daß sie aus eigener Leistung nicht die Position erreichen wird, für die sie sich qualifiziert fühlt, weil sie eine Frau ist. Das fällt gerade aufstiegsorientierten Frauen oft sehr schwer. Eine Beschwerde verstärkt überdies die Erfahrung, daß ab einer bestimmten Karrierestufe Qualifikation und Persönlichkeit von Frauen verloren zu gehen scheinen, weil sie den Frauen nun erst recht abgesprochen werden. Trotzdem entscheiden sich Frauen zunehmend für den Einsatz rechltlicher Mittel, vor allem angesichts der Alternative, Zurücksetzungen beim beruflichen Aufstieg, die sie oft bereits mehrfach erlebt haben, wenn sie sich zu einer Beschwerde durchringen, weiter einfach hinzunehmen.

Wie verändert sich die Qualifikation von Frauen, die sich beschweren?

Im Bereich der sogenannten Fachqualifikation sind Frauen, wenn sie sich zu einer Beschwerde aufgrund des Gleichbehandlungsgesetzes durchringen, praktisch immer besser, manchmal weit besser qualifiziert. Das läßt sich auch feststellen und beurteilen. Unbestritten sind aber darüber hinaus auch sogenannte persönliche Qualifikationen erforderlich, um eine Führungsposition ausfüllen zu können. Sozialkompetenz, Kreativität, Durchsetzungsvermögen, emotionale Stabilität, É diese Eigenschaften spielen dabei eine große Rolle.

Und siehe da: Sobald sich eine beim beruflichen Aufstieg übergangene Frau beschwert, sind es regelmäßig diese Persönlichkeitsmerkmale, die persönliche Führungseignung, die Führungspersönlichkeit, die persönliche Kompetenz, die Durchsetzungsfähigkeit, die soziale Kompetenz …, die ihr abgesprochen werden. Hysterie, Launenhaftigkeit, emotionale Sprunghaftigkeit, fehlende Teamfähigkeit – solche und ähnliche Zuschreibungen sind es, die Frauen entgegengehalten werden, wenn sie sich – nachdem sie oft jahrzehntelang als tüchtige und beliebte Mitarbeiterin galten – in die Konkurrenz um attraktive Positionen begeben. Auf die Spitze getrieben hat diese Vorgangsweise jener Personalist, der in der Auseinandersetzung mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft, die eine geschlechtsspezifische Diskriminierung vermutete, der Bewerberin um eine Führungsposition schlicht „emotionale Inkontinenz“ unterstellte. Auf ähnlich einfachem Niveau ist wohl jene Äußerung zu sehen, mit der ein namhafter Künstler 1997 die Besetzung einer Professur an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien durch eine Frau verhindern wollte, daß nämlich die Hochschule durch diese Bestellung in ihrer Geltung ruiniert würde. (Der Standard, 29./30.1.1997).

Worum geht es?

Es gibt aufwendige Tests, die an vielen männlichen und weiblichen Testpersonen erprobt wurden und daher ohne Verzerrung bei Männern und Frauen bestimmte, einzelne Persönlichkeitsmerkmale messen können. Die Anwendung solcher Verfahren wäre durchaus sinnvoll, wenn es darum geht, möglichst große Objektivität zu erreichen. Sie würde allerdings jede Entscheidung sehr aufwendig machen und der Beurteilungsprozeß müsste regelmäßig im Hinblick auf traditionelle Vorstellungen, die in der praktischen Anwendung wieder Eingang finden könnten, überprüft werden. Viel wichtiger – und viel einfacher – als das immer genauere Messen immer spezifischerer Persönlichkeitsmerkmale wäre es, den eigenen Beurteilungsmaßstab zu relativieren, wenn es um die Qualifikation und die Persönlichkeit von Männern einerseits und von Frauen andererseits geht. Darum, sich nicht damit zu begnügen, daß niemandem eine qualifizierte Kandidatin einfällt. Nicht beifällig zuzustimmen, wenn Wortführer geltend machen, daß eine Frau, die fachlich in Frage käme, einfach keine Führungspersönlichkeit sei. Viele von denen, die Entscheidungen in Findungskommissionen oder wo auch immer vorzubereiten und zu begründen haben, sind noch nicht bereit, ihre Aufmerksamkeit von sich aus auf diesen Punkt zu richten. So lange das so ist, braucht es Gleichbehandlungsgesetze und Quoten.

 

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