Im November 1997 erteilte die Regionalradiobehörde 8 freien Radios in Österreich Sendelizenzen. Anfang April 1999 mußten laut Gesetz alle lizensierten Radios on air gehen, um die Lizenz nicht wieder zu verlieren.
von Andrea Hummer Andrea Hummer ist im Vorstand der IG Kultur Österreich und im Verwaltungsausschuß von Radio FRO
Alle freien Radios haben diese Terminvorgabe geschafft und (die einen früher, die anderen im letzten Abdruck) ihren Sendebetrieb aufgenommen. Dies ist ein durchaus beachtenswerter Erfolg, bedenkt man die Hürden, die auf diesem Weg zu überwinden waren. alles umsonst?
Freie Radios verzichten auf Werbeeinschaltungen, um nicht das Postulat der Verkaufbarkeit über den Programminhalt stellen zu müssen. Die Wünsche der Werbe-Wirtschaft sollten keinesfalls in den Mittelpunkt des redaktionellen Interesses und des Programm-Schemas rücken. Auch die Regionalradiobehörde schien den reziproken Zusammenhang zwischen Kommerzialität und Meinungsvielfalt zu begreifen, vergab sie doch die Lizenzen an die freien Radios mit dem Hinweis, daß „die Zulassung an einen nicht-kommerziellen Veranstalter zu mehr Außenpluralismus und größerer Meinungsvielfalt beiträgt“. Die Erwartung der freien Radios, vom Staat nicht nur eine Frequenz, sondern auch finanzielle Unterstützung zur Umsetzung dieser Ansprüche zu bekommen, wurde seitens vieler öffentlicher Fördergeber gründlich enttäuscht. Die freien Radios setzten darüber hinaus auf freiwillige HörerInnengebühren, Abos oder Clubmitgliedschaften, um finanziell über die Runden zu kommen. Die Zurückhaltung der Subventionsgeber gibt diesem Bereich noch größeres Gewicht – ein Überleben freier Radios wird ohne die Unterstützung von Organisationen und Einzelpersonen, denen Vielfalt in einem zunehmend konzentrierten Medienmarkt ein paar Hunderter pro Jahr wert ist, unmöglich. Für das Freie Radio Salzkammergut, das am 31. März 1999 on air ging, ist aufgrund der staatlichen Zurückhaltung in Sachen Förderung ein Sendebetrieb ganz ohne Werbeeinnahmen vorerst nicht vorstellbar – auf Werbespots wird jedoch noch verzichtet. Der Zuspruch seitens der Wirtschaft zu diesem Radio (das einzige Lokalradio in der Gegend) ist so groß, daß seitens der Betreiber keine Konsequenzen für den offenen Zugang befürchtet werden. Auch ist keinerlei „Wirtschafts-Verträglichkeitsprüfung“ der Programmbeiträge vorgesehen. Gänzlich anders stellt sich die Situation von FRI (Freies Radio Innbrücke) dar, das als nicht-kommerzieller Gesellschafter an einem kommerziellen Radio beteiligt ist. Die Betreiber können und werden innerhalb ihres Programmfensters (ab Juni an einem Abend pro Woche) auf Werbeeinnahmen nicht verzichten. FRI hat laut eigener Aussage das Dilemma, von der Wirtschaft abhängig zu sein und daher nicht alle Inhalte bringen zu können. Deshalb werden die Beiträge von Programm-MacherInnen entweder vorher angehört oder jemand von FRI wird bei der Sendungsgestaltung dabeisein. Trotzdem sind sie zuversichtlich, die regionale Kulturszene fördern und den demokratischen Zugang aus der Region sicherstellen zu können. Das „frei“ im Namen paßt jedoch laut Selbsteinschätzung nicht mehr wirklich … alles paletti?
Erfreulich groß ist die Resonanz auf das Angebot der freien Radios, unentgeltlich Sendeflächen zur Verfügung zu stellen. Das Freie Radio Salzkammergut wird nur wenige Tage nach Sendestart von zahlreichen Interessierten – insbesondere Jugendlichen und SchülerInnen – kontaktiert. Bei Radio FRO gestalten mittlerweile beachtliche 300 Personen und Organisationen 80 Sendungen in 11 verschiedenen Sprachen. SchülerInnen, Lehrlinge, Jugendliche, SeniorInnen, VertreterInnen der heimischen Kunst- und Kulturszene, AusländerInnen-Initiativen, HOSI, amnesty international u.v.a.m. vermitteln ihre Inhalte, ihre Anliegen und ihre Musik auf 105,0. alles möglich?
Bei einem freien Zugang zu Sendeflächen besteht natürlich immer die Gefahr, daß es zu inhaltlichen Entgleisungen oder verbalen Attacken seitens einiger Programm-MacherInnen kommen kann, die nur durch genaue Kontrolle der beabsichtigten Sendebeiträge und etwaiger Zensur verhindert werden könnten – eine Vorgehensweise, die aber keinesfalls im Interesse eines freien Radios liegen kann. Die Folgen solcher verbalen „Ausrutscher“ können jedoch den freien Radios ordentlich zusetzen: In der Öffentlichkeit wird (noch) nicht zwischen den Aussagen einzelner Programm-MacherInnen und dem Radio an und für sich unterschieden. Der Ärger über eine Sendung kann sich so sehr schnell auf den ganzen Sender übertragen. Eine große Herausforderung wird in diesem Zusammenhang an die Redaktionsgruppen und Programmbeiräte gestellt, diejenigen Beiträge herauszufiltern, in denen tatsächlich die Grenzen der Vertretbarkeit (Fremden-, Frauenfeindlichkeit, u.ä.) überschritten wurden und entsprechende Konsequenzen zu ziehen (Verwarnung, Ausschluß vom Senden,…). Auch können die Lizenzträger für alle Beiträge, die über ihre Frequenz verbreitet werden, medienrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Der Verband Freier Radios fordert aus diesem Grund eine Provider-Regelung, die die medienrechtliche Verantwortung statt dessen den jeweiligen Programm-MacherInnen bzw. HerausgeberInnen überträgt. alles anders?
Freies Radio ist zunächst für jene, deren Hörgewohnheiten durch Hintergrundberieselung und vorproduzierte Sendungen geprägt sind, ein Kulturschock. Damit sind nicht allein die sendetechnischen Unzulänglichkeiten (z.B. Ätherrauschen) gemeint, die – falls sie überhaupt im Verantwortungsbereich des Radios liegen – ihre Ursache in den extremen Finanzierungsengpässen haben. Freie Radios senden zum Großteil live. Versprecher, technische Pannen und ungewollte Pausen sind da vorprogrammiert – eine ModeratorInnen-Ausbildung und perfektes technisches Know-how kann selbstverständlich nicht die Voraussetzung für einen Sendeplatz im freien Radio sein. Nicht zuletzt werden die Hörgewohnheiten durch die Programm-Mischung auf eine harte Probe gestellt: Seniorenthemen folgen auf Kulturinitiativen-Radio, Arabische Beiträge auf Kurdische Stimmen, Arbeitsweltradio auf Hip-Hop-Klänge. Die positiven Rückmeldungen der Hörerinnen und Hörer belegen jedoch, daß sowohl die unterschiedlichen Inhalte als auch die verschiedenen Musikrichtungen gut angenommen werden und die Schmerzgrenzen für den Rest dehnbar sind – die freien Radios werden weiter daran arbeiten…
Help B92
Kurz nach den Drohungen der NATO, Bomben auf Jugoslawien abzuwerfen, wurde seitens der serbischen Regierung versucht, die letzte unabhängige Stimme in Serbien – den Radiosender B92 – zum Schweigen zu bringen. 2 Techniker des Ministeriums für Kommunikation drangen in Begleitung von 10 Polizisten in die Räumlichkeiten des unabhängigen Radiosenders B92 in Belgrad ein und zwangen die Mitarbeiter, die Sendetätigkeit einzustellen. B92 erhielt sofort internationale Unterstützung: Via Internet wurden die Nachrichten in Europa und in der ganzen Welt verbreitet und von diversen Radiostationen außerhalb Jugoslawiens gesendet. Auch der Internet-Provider t0 public netbase und die freien Radios in Österreich beteiligten sich rege an der internationalen Kampagne und brachten Nachrichten sowohl von als auch über B92. Besonders erfreulich in diesem Zusammenhang war, daß sich die im Zuge der Vorbereitungen zur Medienkonferenz intensivierte Kommunikation zwischen den einzelnen Medieninitiativen im Radio-, Internet- und Printbereich positiv bemerkbar machte. Die Internetseite http://helpb92.xs4all.nl informiert über den Stand der Dinge und die Möglichkeiten zur Unterstützung von B92.
Freie Radios in Österreich
Freie Radios sind unabhängige, gemeinnützige, nicht-kommerzielle und nicht auf Profit ausgerichtete Organisationen, die einen allgemeinen und freien Zugang zu Sendeflächen für Rundfunkveranstaltungen garantieren und bereitstellen, um die freie Meinungsäußerung zu fördern. Sie verstehen sich als Kommunikationsmittel im lokalen und regionalen Raum und unterstützen die regionale Entwicklung. Damit fungieren freie Radios unter anderem auch als fördernde Plattformen für regionalbezogene Kunst- und Kulturschaffende. Freie Radios fördern eine selbstbestimmte solidarische und emanzipatorische Gesellschaft. Sie treten für freie Meinungsäußerung, Meinungsvielfalt, Gleichberechtigung, Menschenwürde und Demokratie ein. (Zitiert aus der Charta des Verbands freier Radios.)
Agora (105,5) Tel.: 0 463 / 418 666 Lizenznehmer gemeinsam mit Radio Korotan Programm: 12 Stunden/Tag Sendegebiet: große Teile Kärntens
Freequenns 100,8 Tel.: 0 36 12 / 301 11 Programm: 24 Stunden/Tag Sendegebiet: Oberes Ennstal
Freies Radio Salzkammergut (100,2) Tel.: 0 61 32 / 256 63 Programm: 24 Stunden/Tag Sendegebiet: Bad Ischl, Bad Goisern
FRI – Freies Radio Innbrücke (104,9) Tel.: 0 77 22 / 673 63 Programm: 1 Abend/Woche (ab Juni) Sendegebiet: Innviertel MORA (106,3) Tel.: 0 26 14 / 70 08 Lizenznehmer gemeinsam mit Antenne 4 Programm: 6 Stunden/Tag Sendegebiet: nördliches Burgenland
Orange 94,0 Tel.: 01 / 319 09 99 – 0 Programm: 24 Stunden/Tag Sendegebiet: Wien
PRO-Ton (104,6) Tel.: 0 55 76 / 720 18 Programm: 2 Stunden/Tag Sendegebiet: Bludenz
Radio FRO (105,0) Tel.: 0 732 / 71 72 77 Programm: 24 Stunden/Tag Sendegebiet: Linz
Produktionsgruppen Die Produktionsgruppen sind jene freien Radios, die bei der Lizenzvergabe leer ausgegangen sind. Ihr Tätigkeitsfeld erstreckt sich vom Ringen um eine Frequenz, über Schulungstätigkeit für (zukünftige) RadiomacherInnen bis hin zum Erstellen und Betreuen von Sendungen, die via Internet oder bei anderen (freien) Radios gesendet werden. Die finanzielle Situation der Produktionsgruppen ist besonders prekär, weil es ohne Frequenz noch schwerer ist, Finanzierungsquellen zu erschließen. Freies Radio Imst Freirad Innsbruck Radiofabrik Salzburg radio aufdraht (Waldviertel) Radio Starkstrom Steyr Radio Helsinki (Graz)