Resignieren oder Protestieren?

Protest wirkt. Dafür gibt es etliche Belege aus Vergangenheit und Gegenwart, aus demokratischen und autokratischen Systemen. Der Journalist Friedemann Karig listet wichtige politische Bewegungen auf und analysiert, warum sie wirkmächtig waren. Diese Erkenntnisse gibt er den Leser*innen als Werkzeug mit. Auch auf den Umstand, dass wir uns trotz Leidensdruck und Unzufriedenheit nicht engagieren, geht er ausführlich ein. Er erläutert die soziologischen und psychologischen Phänomene, die viele Menschen davon abhalten, zu protestieren. Das ermöglicht, das eigene Nichthandeln auf einer allgemeineren Ebene zu verstehen und motiviert, es auf einer persönlichen Ebene zu verändern. 

Das Werk zielt nicht darauf ab, den Leser*innen ein schlechtes Gewissen einzureden, auch wenn es durchaus vorwurfsvolle Passagen gibt. Vielmehr zeigt es auf, wie viel Potenzial wir nicht nutzen. Ein demokratisches Potenzial, von dem wir uns so weit entfremdet haben, dass wir nicht einmal mehr daran glauben. Doch das Potenzial wartet auf uns: „Wir können uns jederzeit dafür entscheiden, uns zu entscheiden; nicht mehr nur zu klagen, sondern auch zu handeln. Protest wartet nicht auf seinen historischen Moment, er schafft ihn selbst.”

Während Friedemann Karig aus einer bundesdeutschen Perspektive schreibt, liest sich das Buch an manchen Stellen wie eine Streitschrift gegen den politischen Zynismus, der in Österreich so weit verbreitet ist. 

„Wir vertrauen einerseits darauf, dass ‚die da oben‘ es schon regeln, während wir andererseits beklagen, dass ‚die da oben‘ nichts richtig geregelt bekommen. […] Wir glauben nicht einmal daran, dass wir etwas tun könnten, wenn wir wollten. […] Statt darüber nachzudenken, was man gemeinsam für alle tun könnte, hat sich ein modischer Zynismus breitgemacht, eine selbstgefällige Resignation.”

Karig stellt Protest mit all seinen Ecken und Kanten dar und unterstreicht gleichzeitig, dass das Engagement für eine gute und gerechte Sache eine ganz besondere Erfüllung in sich birgt. Eine Art der Erfüllung, die man nur hat, wenn man an etwas glaubt und trotz Rückschlägen die Hoffnung nicht verliert. Eine sinnstiftende Erfüllung, aus der echte Veränderung entspringen kann. 

Friedemann Karig, Was ihr wollt – Wie Protest wirklich wirkt, Ullstein 2024, 192 Seiten.

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