Brigitte Grahsl, Paulina Parvanov, Jelena Saf und Richard Schachinger diskutieren mit Philipp Feichtinger über Kunst, Kultur und Klimakatastrophen, Kommunikationsformen und Koalitionen für eine wirkmächtige Klimaszene und konkrete Ansätze für ein Kulturzentrum wie den Alten Schl8hof Wels.
Philipp Feichtinger: Kunst, Kultur und Klimaschutz – welche Verbindungen seht ihr in eurer Arbeit?
Richard Schachinger: Man kann Kultur als vierte Säule der Nachhaltigkeit verankern – neben Sozialem, Ökologie und Wirtschaft. Kunst und Kultur können Dinge, die andere Gesellschaftsbereiche nicht können: berühren, begreifbar machen, Perspektivenwechsel einnehmen, aufrütteln, von mir aus auch provozieren, um etwas in Gang zu bringen. Unter Klimakultur verstehe ich, sich inhaltlich mit Klima auseinanderzusetzen, in Kommunikation und Beziehungsarbeit zu gehen. Das entwickelt die Stärke, die wir brauchen.
Paulina Parvanov: Aktivismus und Protestbewegungen waren in gewisser Weise immer wieder mit Kunst und Kultur verknüpft, wurden von ihnen getragen oder gestartet. Veranstaltungen in der Kunst- und Kulturbranche werden am Ende ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Im Wesentlichen geht es um Energie, Transport, Verkehr. Wenn sich da etwas ändert, hat es einen wesentlichen Effekt. Das geht nur mit politischen Forderungen. Aber wie kriegen wir einen gesellschaftlichen Konsens hin? Kunst und Kultur können uns an die Schwelle bringen, dorthin, wo das Thema angekommen ist – und zwar so, dass auch tatsächlich etwas gemacht wird.
Gibt es etwas, das man der Veranstaltungsbranche aus aktivistischer Sicht beratend mitgeben kann?
Jelena Saf: Mir fällt auf, dass noch viel getan werden kann, was Kommunikation angeht. Oft wird einfach nicht gesagt, was gemacht wird. Wir von der Letzten Generation machen gezielte Kommunikations- und Zielgruppentrainings, um die Menschen besser ansprechen zu können. Eine andere Sache ist, mit einer gewissen Selbstverständlichkeit neue Dinge zu wagen, einfach auszuprobieren. Und: Als Veranstalter*innen kommt man schnell auf die Individualverantwortung. Wenn man veganes Essen anbietet, probieren es Leute vielleicht zum ersten Mal, finden es gut und machen das weiter. Das ist super. Die Reichweite, die solche Events haben, wird aber teils übersehen oder unterschätzt. Man kann Klimaaktivist*innen einladen, auf die Bühne zu kommen, sich vorzustellen, Plakate aufzuhängen – und damit denen eine Bühne geben, die in Klimakommunikation geübt sind.
Wie entsteht in der Kommunikation eine gewisse Kollektivität?
Brigitte Grahsl: Jahrzehntelang ging es in der Klimakommunikation darum, jemandem einzureden, etwas (nicht) zu tun, z. B. Zug statt Auto zu fahren. Der ökologische Fußabdruck hat mittlerweile einen schlechten Ruf, weil es nicht ausreicht, auf ihn zu fokussieren. Trotzdem ist er wichtig. Was Menschen bewegt, sind soziale Normen: Was Menschen tun, die uns wichtig sind, ist auch für uns selbst wichtig. Deswegen ist es super, wenn sich Veranstalter*innen überlegen, wie sie nachhaltiges Verhalten möglichst leicht und ansprechend gestalten können. Aber es braucht auf jeden Fall Rahmenbedingungen und ein Bewusstsein dafür, dass wir nicht nur Konsument*innen, sondern Bürger*innen sind, die sich einmischen können. Darüber hinaus bin ich mir nicht sicher, ob es ‹die› Klimabewegung gibt. Das Klimavolksbegehren arbeitet anders als die Letzte Generation etc. Alle machen wichtige Grundlagenarbeit. Es gibt so viele unterschiedliche Menschen, die sich aus unterschiedlichen Überzeugungen engagieren. Keiner möchte, dass das Klima kippt. Wir müssen nicht alle den gleichen Grund haben.
Saf: Was wir manchmal unterschätzen, ist, miteinander zu reden. Wir haben damit vor kurzem in Linz endlich angefangen, treffen z. B. einmal im Monat Fridays for Future Linz und es ist unglaublich, wie viel das ausmacht. Ich weiß nicht, ob sie sich jemals offen mit uns solidarisieren, das ist auch nicht das Ziel. Wie du sagst, wir brauchen nicht die ‹eine› Klimabewegung – einander verstehen und akzeptieren, dass wir verschieden sind, das ist das Wichtige.
Schachinger: Aus dem KUPF-Netzwerk heraus hat es noch vor fünf, sechs Jahren Austauschtreffen gegeben. Vielleicht ist dies eine kleine Erinnerung, die Treffen zu reaktivieren? Dass etwa sämtliche Sommer-Open-Airs als Green Events ausgerichtet werden, dazu hat bestimmt die damalige Vernetzung beigetragen. Aber jetzt ist möglicherweise neuer Rückenwind da, um das nochmal anzugehen, breiter zu denken – auch über Festivals hinaus. Wir sehen z. B. in der Beratung: Wenn Vereine beginnen, Green Events zu organisieren, fangen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit andere an, das auch zu tun. Am besten ist es, wenn zum Beispiel Landjugend oder Pfarre starten. Mit solchen Hebeln werden in traditionellen Strukturen Standards eingeführt. Über diese Wirkung kommt man in die Breite.
Parvanov: Die Kommunikation wird der Knackpunkt sein. Es braucht viele Initiativen, Institutionen, Verbände, Aktivist*innen, die das breit und aus verschiedenen Ecken kommend weitertragen, auf Gemeinde-, Bezirks-, bis zur Bundesebene. Denn diese Koalition aus Verbündeten braucht politisches Lobbying. Es muss permanent kommuniziert werden, um Bereiche zu erreichen, in denen Umsetzung stattfindet. Das ist es im Wesentlichen. Da müssen wir gar nicht alle die besten Freund*innen sein und alles gemeinsam machen, sondern das schaffen wir, wenn wir uns einfach solidarisieren.
Wie kann ein Kulturzentrum wie der Alte Schl8hof Wels wirklich klimafit werden?
Parvanov: Zunächst geht es um die Basics: Klima als Priorität setzen, entsprechende Maßnahmen kommunizieren, schauen, dass es genug Fahrradabstellplätze gibt, dass Müll entsorgt wird und Mehrweggebinde verwendet werden etc. Wichtig ist aber eben auch die Sprache. Kommuniziert auf Augenhöhe: Ihr kennt euer Publikum, die Leute, die kommen, um hier Kultur zu erleben. Geht mit denen in Austausch und fragt einfach: Hey, wir machen da was, seid ihr mit dabei?
Und umgekehrt kann auch das Publikum Dinge einfordern oder ansprechen.
Grahsl: Ich würde das Ganze als Dialogprozess sehen, in dem man auch Fragen stellen und sich einbringen kann. Das finde ich großartig.
Schachinger: Green Events und die erwähnten Basics sind gute Maßnahmen – der Alte Schl8hof ist außerdem ein Klimabündnisbetrieb. Es ist wichtig, Schritt für Schritt dranzubleiben. Es zahlt sich aus, alles einmal zusammenzuschreiben. Es muss nicht gleich «Nachhaltigkeitskonzept» heißen, aber einen Status Quo zu erheben und sich von da aus vor zu hanteln, ist eine bewährte Praxis. Es lohnt sich auch, gewisse Dinge in Zahlen zu gießen! Es muss nicht alles quantifiziert werden, aber in manchen Bereichen erkennt man so einen Fortschritt, der motiviert, dranzubleiben. Das kann man im Verein, mit den Mitgliedern, allen Veranstalter*innen, die vor Ort aktiv sind, gemeinsam angehen.
„Wenn wir untereinander Ressourcen austauschen, können wir sehr viel effektiver gemeinsam die Welt retten“
Saf: Kulturzentren müssen nicht perfekt klimafit sein, sie können durch Ressourcenteilung dennoch viel bewirken. Es gibt unzählige klimaaktivistische Organisationen, die jede Woche für ihre Besprechung wieder einen Raum finden und ständig viel Geld für Werbung ausgeben müssen etc. Kulturzentren können so viel tun, indem sie proaktiv z. B. ein Formular für Raumnutzung auf ihre Webseite stellen und E-Mail-Adressen als Kontakt, wenn man plakatieren oder z. B. Siebdruck verwenden will. Der Schl8hof und keine Organisation muss alleine die Welt retten, aber wenn wir untereinander Ressourcen austauschen, können wir sehr viel effektiver gemeinsam die Welt retten.
Das Gespräch fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe The Future Starts Now des Kulturvereins waschaecht Wels statt. Die Reihe wird auf DORFTV übertragen, dort kann man alle Sendungen nachsehen.
→ waschaecht.at
→ dorftv.at