Ein klebriges Rezept

Aus dem Kochbuch der Letzten Generation von Florian Wagner.

Bienen produzieren den heilsamen und köstlichen Honig, der auch ohne kochkünstlerische Verwertung genießbar ist. Die Wärmeenergie, die sie für die Herstellung des süßen Golds aus Blütennektar benötigen, erzeugen sie im Bienenstock durch Reibung, indem sie mit ihren Flügeln schlagen. Damit die zauberhafte Zubereitung gelingt, wird die einzige Zutat in Wachswaben gegeben. Diese weisen eine faszinierende Präzision auf: vollkommen gleichmäßige Sechsecke aus einem hauchdünn verarbeiteten Material. Das Ganze ist nicht nur eine enorme Wertschöpfung, sondern auch noch ultra-nachhaltig. Laut Joseph Beuys hat man in Gräbern von Pharaon*innen tausende Jahre alten Honig gefunden, der keinen Schaden genommen hat. Und Kohlendioxid entsteht sowieso keines.

Für eine ordentliche Straßenklebe-Aktion braucht man ebenfalls Bienen, so heißen nämlich die sich am Asphalt festklebenden Menschen bei uns. Für Reibung sorgt der Vorgang bestens, weil sich die Gemüter erhitzen und unterschiedliche Überzeugungen aufeinanderprallen. Ob etwas annähernd Gelungenes dabei entstehen kann, kommt auf den Nektar und die Präzision der Verwandlungs-Formen an. Damit das Produkt nicht gleich wieder verdirbt, sollte eine begriffliche Sauberkeit erreicht werden. Wenn nämlich die Zusammenhänge wie in einem Gulasch verrührt sind, reicht ein einziger kleiner Zweifel und die Sache wird ungenießbar. Klare Ideen dagegen, wie die der Solidarität, halten sich schadlos über Jahrtausende.

Da liegt aber der (Beuyssche) Hase im Pfeffer: Statt Klarheit, die die nötigen Handlungen zur ökologischen Transformation unserer Gesellschaft nähren könnte, produzieren wir zu viel Wärme und ein Gulasch, das nie satt macht. Wenn wir doch nur wie die Bienen unsere Wärme in eine stimmige Form bringen könnten! Die Gedanken in den Köpfen der Menschen müssen sich mit ganz viel Wärme aus ihren Herzen zu klaren Ideen entwickeln. Nicht in kühlen Köpfen, sondern in solidarischen, liebevollen, kollektiven Prozessen kann wunderbarer Honig entstehen. Damit wir vielen Köch*innen den Brei nicht verderben, müssen wir uns der schönen und präzisen Form verpflichten und den faszinierenden Bienen nacheifern.

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