Gehört und gesehen werden, teilhaben können und beitragen, sich mündig und ermächtigt fühlen. Bedürfnisse, zu deren Erfüllung Medien schon lange beitragen. Eine Tour de Force durch die Geschichte zeigt: Ohne (Buch)Druck wäre Luthers Bibelübersetzung kaum zur Erfolgsgeschichte geworden, Flugblätter trugen zum Gelingen der französischen Revolution bei und in der jungen Sowjetunion der 1920er Jahre beförderten Arbeiter*innenphotographievereine die kulturelle Selbstbestimmung der Werktätigen. Augusto Boals ab 1950 in Brasilien entwickeltes Theater der Unterdrückten prägte die Aktionen der Medienwerkstätten ab den späten 1970ern: Mit tragbarem Videoequipment wurden auf der Straße und in den Betrieben Nachrichten von unten produziert. Wer sich für partizipativ-demokratische Prozesse einsetzte, feierte bald darauf das Internet als neues machtvolles Instrument der freien Informationsflüsse. Gleichberechtigte Teilhabe war definitiv möglich: Jede*r Rezipient*in ein*e Produzent*in. Das Ende der traditionellen Gatekeeper schien nah. Doch der anfänglichen Euphorie folgte die Ernüchterung und auf diese die traurige Gewissheit, dass Teilhabe nicht automatisch Fortschritt bedeutet. Was sich durchsetzte, war und ist nicht die rational aufklärerische Nachricht, sondern die Emotion. Ein Klavier, auf dem die Rechte besonders virtuos zu spielen vermag. Auf der Spitze dieses Eisbergs sitzt Q mit seinen Anons. Mitverantwortlich für den Erfolg: Q verkündet keine ‚fertigen’ Botschaften. Wer auch immer dahinter steckt, benutzt das menschliche Bedürfnis nach Teilhabe. Die Angebote sind partizipativ und laden explizit zu eigener Recherche ein. Die Drops genannten, kurzen Nachrichten müssen von den Rezipient*innen dechiffriert, interpretiert und zu einem Ganzen zusammengefügt werden. Die Verschwörungserzählung entsteht kollaborativ. Jede*r kann beitragen und darf sich zugehörig fühlen. Dass sich die rechte Politik dabei auch noch ein David gegen Goliath-Mäntelchen umlegt und so tut als könnten die Beteiliger*innen zum Sturz der mächtigen Eliten beitragen, macht die Sache doppelt bitter.
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