Ich bin es, ich bin es nicht

Wien, Impulstanz Festival, Workshops: Menschen sitzen, liegen, stehen, dehnen, bewegen, beschäftigen sich mit ihren Körpern. Alle unsere Körper sind unterschiedlich, brauchen etwas Anderes. Essen wird am Festivalgelände oder im nahegelegenen Laden gekauft. Kaum eine Person kocht sich selbst. Im angemieteten Zimmer ist das Bett bezogen, zwei Handtücher liegen bereit, es wird geputzt. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, das Angewiesensein auf Menschen, die für uns kochen oder putzen, Wohnungen und Alltagsgegenstände zur Verfügung stellen, scheint hier „normal“, kapitalistisch normalisiert zu sein. Ich habe Teil daran – um den Preis, dass ich mir den Zugang zu diesen Räumen vorübergehend erkaufen kann.

Teil-haben. BeHindert-werden. Beides ist situativ. In meinem Alltag fühle ich mich in letzter Zeit oft behindert, weil ich mich ständig an einem Leben stoße, welches mal meines war, nun aber nicht mehr zu mir passt: eine Arbeit, der ich (gerade) nicht mehr nachgehen kann. Ein Schreibtisch, an dem ich nicht mehr schreiben, ein Esstisch, an dem ich nicht mehr sitzen kann. Eine Wohnung, in der ich alleine lebe, so weit weg vom nächsten Geschäft, dass ich beim Einkaufen Unterstützung brauche. Ein Lebensentwurf, der nicht auf (meist patriarchalen) Arbeitsaufteilungen fußt, in denen eine Person scheinbar selbstverständlich die Care-Arbeit übernimmt. Mich unterstützen erst Freundens, dann das Sozialsprengel, bald eine persönliche Assistenz. Ein System, das mir Teilhabe, ‘Partizipation’ ermöglichen soll – zu dem Preis, dass ich vor Amtsärztens, Sachbearbeitens und dem Staat zu einem Fall werde, den es zu beobachten, messen, beurteilen gilt. Ein System, in dem ich mich zurechtfinden, behaupten muss. Ein System, das einen festen Aufenthalt verlangt. Ein System, das auch ausschließt.

Als ich vom Festival nach Hause komme, bitte ich meinens Nachbrens, die beiden Tische aus meiner Wohnung zu tragen. Statt des Wohnzimmers habe ich jetzt einen Raum zum Tanzen. Statt des Büros ein Zimmer mit Tagesbett und Staffelei. Einens Freundens schenkt mir einen Tiefkühler – für Fertigessen. Morgen stellt sich eine Person bei mir vor, als persönliche Assistenz.


Die ‚ens‘ Form (ens, aus mENSch) als allgemeine Form für alle Menschen ist hilfreich in Formulierungen, in denen Gender keine Rolle spielt – was meist der Fall ist (z. B.: Künstlens, Schriftstellens). Wenn es mir wichtig ist, auf genderspezifische Diskriminierung hinzuweisen, versuche ich dies, indem ich spezifisch die Diskriminierung benenne (statt die darüber hergestellten Kategorien ‚Frau‘, ‚Mann‘, ‚Divers‘, …). Genderspezifische (Künsterin/Künstler) und genderfreie (z. B.: Künstlex) Personenbezeichnungen verwende ich nur dann, wenn die gegenderte Identität der Person eine Rolle spielt – das kann z. B. der Fall sein, wenn es Menschen politisch wichtig ist, als Frau, Mann, nicht-binär oder genderfrei bezeichnet zu werden.

Zum Weiterlesen: Lann Hornscheidt & Ja’n Sammla: Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht? Ein Praxis-Handbuch zu Gender und Sprache. Insel Hiddensee: worten & meer 2021.

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