4 Fragen an die Politik- und Medienexpertin
KUPF: Christine Haberlander [Landesrätin für Frauen, Bildung & Gesundheit in OÖ] sagt einem Fotoshooting für das Gesellschaftsmagazin Die Oberösterreicherin zu, Interviews mit den Freien Medien – Radio FRO, Dorf TV und der KUPFzeitung – ab. Welche (Medien-)Strategie steckt dahinter?
Maria Pernegger: Das kann viele Hintergründe haben und muss überhaupt nicht strategisch motiviert sein, hier Spekulationen zu äußern ist unseriös. Medienstrategisch ist es für PolitikerInnen allemal attraktiver in reichweitenstärkeren Medien vorzukommen und dort die passenden Zielgruppen anzusprechen. Beiträge im „Wohlfühlkontext“ – mit ansprechenden Fotos und einem Blick auf den Menschen hinter der Politikerin – schaden weder Bekanntheitsgrad noch Image und sind zudem willkommene Abwechslung. PolitikerInnen stehen im politischen Alltag oft genug unter Beschuss.
In ihrer Stellungnahme zur kompletten Förderkürzung der Vereine ARGE SIE, maiz und FIFTITU% im oberösterreichischen Landtag bleibt Christine Haberlander allgemein und liest ihr Statement vor. Maria Buchmayr von den Grünen verbreitet das Video zu ihrer Anfrage und Haberlanders Beantwortung auf Facebook. Darunter finden sich Kommentare, wie emotionslos Haberlander doch sei. Zeigen Frauen zu viele Gefühle ist es nicht recht. Zeigen Frauen in der Politik keine Gefühle, passt es auch nicht. Welches Verhalten wird von Frauen in der Politik am ehesten akzeptiert?
Das hängt vom Kontext ab. Emotionen werden oft als Schwäche ausgelegt. Eine Politikerin, die Fehler zugibt, unentschlossen wirkt, die sich durch Kritik verunsichert oder gar persönlich betroffen zeigt, wird rasch als kompetenzlos oder ungeeignet für den Job abgestempelt. Gleichzeitig gibt es Bereiche, wo vor allem von Frauen eine gewisse Sensibilität und „Gefühl“ erwartet werden – etwa im Sozialkontext oder bei Familienfragen. Das sind traditionell weibliche Felder, in der Frauen die fürsorgliche, ausgleichende Rolle besetzen. Ja, das ist ein Rollenklischee, aber solche sind in unserer Gesellschaft nach wie vor fest verankert. Bei Männern werden Selbstsicherheit, Kompromisslosigkeit oder Emotionslosigkeit als Zeichen von Kompetenz und Führungsstärke wahrgenommen. Zeigen Frauen solche Verhaltens- und Wesenszüge, dann hat das auf deren Sympathiewerte häufig negative Auswirkungen.
Konservative Politikerinnen scheinen öfter Spitzenpositionen einzunehmen als progressive Politikerinnen. Symbolisch stehen sie dann für die Modernität des Konservativismus. Warum machen gerade konservative Politikerinnen, deren Karriere auf die Errungenschaften feministischer Bewegung fußen, kaum feministische Politik?
Selbst die konservativsten Parteien haben bemerkt, dass es mittlerweile auch Frauen in Spitzenpositionen braucht. Eine Partei ist kein besonders progressiver Apparat und vor allem in der Frauenpolitik mahlen die Mühlen langsam. Vor dem Gesetz sind Männer und Frauen gleichberechtigt, damit sehen viele die Rahmenbedingungen für Chancengleichheit bereits durchgesetzt. Frauenpolitik ist ein politischer Nebenschauplatz, der noch dazu stark polarisiert. Wer sich progressiv frauenpolitisch äußert, wird schnell als zu links abgestempelt. Mit feministischer Politik kann man wenig gewinnen, aber viel verlieren.
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sind von Frauenpolitik direkt betroffen. Dennoch gilt Frauenpolitik als Nischenthema. Was können wir dagegen tun?
Frauenpolitische Forderungen wiederholen sich seit Jahrzehnten, einige große Brocken sind unerledigt. Hier macht sich auf politischer und medialer Seite eine gewisse Resignation breit. Dass in Politik und Medien überwiegend Randthemen wie Binnen-I oder die Burkadebatte Aufmerksamkeit generieren, ist ein weiteres Problem. Viele Frauen fühlen sich von dieser Politik nicht entsprechend vertreten. Es muss gelingen, frauenpolitische Inhalte so zu gestalten, dass Frauen wieder in ihren Lebenswelten abgeholt werden, dabei darf die sozialpolitische Komponente nicht vergessen werden. Derzeit erleben feministische Bewegungen weltweit ein Revival, das ist eine Chance, die genützt werden sollte.
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Langversion des im Printmagazin abgedruckten Interviews.