Über Unstimmigkeiten von Ausschreibungen und kulturpolitischen Vorgaben schreibt Stefan Haslinger
„2006 soll ein landesweites Kulturleitbild formuliert werden“, so LH Dr. Josef Pühringer in den OÖN vom 26.3.2005. Laut Auskunft des zuständigen Beamten beim Land Oberösterreich werden die Landesausstellungen 2012 – 2018 Ende April 2005 ausgeschrieben. Ohne groß im Kalender nachzuschauen, erkenne ich eine Datums-Inkongruenz. Die Landesausstellungen bis 2018 gibt es vor dem Kulturleitbild, an welchem – so der Klubobmann der Grünen Gunther Trübswasser – Ende 2005 zu arbeiten begonnen wird. Jetzt kann ich sagen: „Na gut, die Landesausstellungen haben nichts mit einem Kulturleitbild zu tun“. Kann ich, will ich aber nicht.
Fragen wir einmal, was das ist, ein Kulturleitbild. Ein Kulturleitbild gibt den Rahmen für die kulturelle Positionierung vor, stellt einen Status quo der Rahmenbedingungen dar, und skizziert Schwerpunkte einer Entwicklung. Wenn ich mir nochmals das oben angesprochene Missverhältnis vor Augen führe, heißt das, dass – und hier werde ich schon ein wenig polemisch – die Landesausstellungen das nicht notwendig haben. Vielleicht ist das auch so.
Erbsenzähler
Als passionierter Erbsenzähler kann ich feststellen, dass in den Unterlagen zur Pressekonferenz über die Landesausstellung 2004 auf 5 Seiten das Wort Kultur gerade 13mal aufscheint. Haben die Landesausstellungen am Ende nichts mit Kultur zu tun, und werden deshalb, neben einem im Wachsen befindlichen Kulturleitbild, geplant. Dann sollten aber keine 8 Millionen Euro aus dem Kulturbudget für die Ausstellung 2006 fließen.
Stopp! Ich beginne ja schon in ein NeiderInnentum zu verfallen, welches ich selbst immer anprangere! Hier geht es auch nicht um die Infragestellung des Systems Landesausstellung. LH Dr. Pühringer hat selbst im eingangs erwähnten Interview auf die Aussage, dass Landesausstellungen sich oft auf Renovierungsprojekte reduzieren, mit den Worten reagiert: „Ja, meistens ist das so, aber nicht immer.“
Ich erinnere mich, mit meinen Eltern in den 80ern alle Landesausstellungen besucht zu haben, ich erinnere mich nicht daran, was dort war, war wohl nichts Traumatisches dabei.
Und, wenn eine Stadt, eine Region die Möglichkeit hat, gut dotiert das Ortsbild zu verschönern, oder prestigeträchtige Bauwerke vor dem drohenden Verfall zu retten, dann sollen sie das bitte machen.
LandesKULTUR?
Seltsam mutet aber der Fokus an, unter welchem die Landesausstellungen rezipiert, bzw. im Vorfeld konzipiert werden. Wenn die Marketingfloskeln nur mehr so um die Ohren schwirren, dass die verdrängten Erinnerungen an vergangene BWL-Stunden wachgeküsst werden, dann darf die Frage nach dem Bindeglied zum kulturellen Leitbild eines Landes doch gestellt werden. Touristische Nachhaltigkeit, regionale Wertschöpfung, Imagegewinn, Markenbildung, das alles klingt nach geprüften EventmanagerInnen.
„Wenn Oberösterreich seine Rolle als kulturell bedeutende Region in einem größer werdenden Europa nicht nur behaupten, sondern noch verstärken will, dann müssen die Leitlinien für den zu beschreitenden Weg jetzt vorgezeichnet werden“, forderten die Grünen im Wahlkampf 2003 für ein Kulturleitbild, und brachten diesen Punkt auch im Arbeitsüber- einkommen mit der ÖVP unter.
Muss ich jetzt annehmen, dass entweder das Kulturleitbild jetzt anders definiert ist oder, um auf die Datumsverhältnisse zurückzukommen, Landesausstellungen nichts mit Leitlinien oder regionaler Entwicklung zu tun haben?
Schwerpunktsetzung
Kulturleitbilder skizzieren Entwicklungen, habe ich oben geschrieben, und dazu stehe ich. Doch der Punkt ist, dass 2006 Entwicklungen skizziert werden sollen, die anderwärts schon abgesegnet sind. Wenn schon vor Beginn des Diskussionsprozesses um ein Kulturleitbild Ausnahmen gemacht werden, und nur als solche könnte die Ausschreibung der Landesausstellungen entschuldigt werden, ist die Frage zu stellen, wie viele Ausnahmen noch geduldet werden.
Der Diskussionprozess kann noch spannend werden, wenn die nötige Wachsamkeit aller Beteiligten an den Tag gelegt wird, um ein Kulturleitbild zu schaffen, das umfassend mit der kulturpolitischen Entwicklung Oberösterreichs umgeht.
Zum Schluss noch eine kleine Anekdote: In Wels wurde 2001 die Diskussion um ein Positionspapier Kultur geführt. Durchaus konstruktiv, durchaus inhaltlich. Bis bei der Endredaktion eine Gruppierung damit aufhorchen ließ, dass ihre Angelegenheiten nichts in diesem Papier verloren haben. Diese Gruppierung war die magistratsinterne Kulturabteilung.
Stefan Haslinger