Urike Stieger berichtet von einem Symposium in Steyr.
Aufeinandertreffen von Kulturhaus und Symposium. Der Innovationstopf 2003 ermöglichte ein Symposium mit den Themen „Interkulturelle Kulturarbeit, Gendermainstreaming & antirassistische Öffentlichkeitsarbeit in Kulturinitiativen“, das am 24. und 25. Oktober 2003 im Steyrer Jugend- und Kulturhaus röda stattfand.
Ausgewählt wurde dieses Projekt, um „Maß zu nehmen“, wie der Titel des letztjährigen Innovationstopfes prophezeite. Es ging also darum, eine Reflexion der Kulturinitiativenarbeit zu ermöglichen, sich aufzubäumen, neue Ideen und Energien aus einem finanzierten Projekt zu ziehen, beziehungsweise das umzusetzen, was bisher mangels Ressourcen immer scheiterte.
Und was bewegte nun dieses Symposium?
Im Vorfeld der Veranstaltung war im röda-Guestbook ein leichtes Rumoren zu vernehmen. Nach dem Ausfall von zwei Konzerten im Oktober und nach aktuellen musikprogrammatischen Veränderungen wurde misswillig die intellektuelle Überladung festgestellt. Ausstellung, Symposium, sei alles ganz gut und schön, aber zum Wochenende möchten die röda-BesucherInnen Party machen und den Stress der Woche vergessen, vielleicht sogar ertränken.
Die Rückmeldung könnte als Erfolg gewertet werden, denn die Ausschreibung des Innovationstopfes setzte auf Konterpunkte zum Programmalltag.
Dann war es soweit, das Symposium eröffnete und es zeigten sich tatsächlich nur einige wenige Steyrer Gesichter. Persönlich habe ich bei dieser Art von Veranstaltungen immer das Gefühl, dass schon wenige TeilnehmerInnen den Aufwand lohnen. Das Programm lockte überdies einige Interessierte aus dem Linzer und Wiener Raum. Es war wohl die Mischung aus regionaler Auseinandersetzung mit dem Thema, vor allem von feministischer Seite, und überregional agierenden ReferentInnen. Durch die gesamten zwei Tage zog sich ein roter Faden, der mich sehr an Luzenir Caixeta’s Bezeichnung „Praxis-Theorie-Praxis“1 erinnerte. Eine unmittelbare Anbindung zur praktischen Arbeit in Kunst und Kultur, als auch dem generellen Handeln in der Gesellschaft, war allen Referaten und Diskussionen gemein.
Ishraga M. Hamid stellte zu Beginn des ersten Symposiumstages die Frage, ob die Emanzipation der Frau auf Kosten der Unterdrückung von benachteiligten Frauen geschehen kann. Eine Bemerkung, die den Verlauf des gesamten Symposiums wesentlich beeinflusste. Das eigene Ich stand damit im Mittelpunkt und es ging um die Auseinandersetzung mit Machtpositionen, die Offenlegung von Rassismen und das Aufspüren von Wegen der Zusammenarbeit.
Die Referentinnen rückten das Benennen von Unterschieden, die Verwendung von politischen Begriffen sowie die Entindividualisierung in den Vordergrund. Es geht um die Klarheit im Umgang mit der Frage: „Wer, macht was, für wen?“. Beatrice Achaleke regt zum Nachdenken über das eigene Weiß-sein an und fordert qualitätsvolle Räume zur Selbstvertretung von MigrantInnen. Der Exotismus und die Reduktion auf Folklore verstärken Vorurteile und damit auch den Rassismus. Schlüsselpunkte zur Gleichstellung von MigrantInnen sind neben politischen Rechten, das Überlassen von Arbeitsplätzen für MigrantInnen durch MehrheitsösterreicherInnen und ein entsprechender Zugang zum Qualifikationserwerb. Tatsächlich braucht es also Eingriffe auf struktureller Ebene, was durch Auseinandersetzung, Reibung und Konflikt erreicht wird.
Weitere, hier nicht erwähnte Themen, setzten sich mit Gendermainstreaming in Kulturinitiativen, feministischen Netzwerken in OÖ, der Medienlandschaft in OÖ und Musik als Schauplatz hegemonialer Kämpfe auseinander. Eine Dokumentation des Symposiums wird Anfang 2004 erscheinen und zum Selbstkostenpreis vertrieben. „female consequences“, der Titel der Publikation, kann bereits jetzt bestellt werden2.
Zurück zum röda-Guestbook. Das Symposium ist auch nach der Veranstaltung noch einmal Thema. Die Organisatorinnen Doris Wagner und Rosemarie Reitsamer geben ihre Eindrücke vom Wochenende wieder und zeigen sich vor allem über die spärliche Teilnahme von röda-EntscheidungsträgerInnen enttäuscht. Es folgte postwendend die Verteidigung seitens des Vorstands.
Zwischen Symposium TeilnehmerInnen und Nicht-TeilnehmerInnen entfacht sich eine Diskussion im Kulturhaus über den Umgang mit interkulturellen Veranstaltungen. Oder sollte ich besser zynisch „Multi-Kultifesten“ formulieren? Es bilden sich zwei Standpunkte heraus, wobei einmal der politische Kontext im Mittelpunkt steht und ein zweites Mal die Menschlichkeit regiert. Ein Monat später – vorerst wieder Stille. Ob es das Ende der Woge bleibt?
Weiterführende Links im Surfbrett auf S. 14
1 Verwendet im Zuge der Konferenz „Transversal“, IG Kultur 2002
2 Bestellungen der Publikation bei Doris Wagner, unter doris@weiber.at
Ulrike Stieger