Die oberösterreichische Kulturpolitik am Vorabend ihrer Verlotterung
von Andi Wahl
1997 legte die KUPF als erste Dachorganisation „Freier Kulturinitiativen“ einen Forderungskatalog vor, der sich an Politik und Verwaltung richtete und sowohl unzumutbare Beschränkungen als auch mögliche Entwicklungspotenziale Freier Kulturarbeit verdeutlichte. Nun wurde eine überarbeitete Neuauflage dieses Forderungskatalogs im Rahmen einer öffentlichen Diskussion mit PolitikerInnen präsentiert.
Das Sky-Loft des Ars Electronica Center wirkte sauber und herausgeputzt. Die Glasfassade des Lentos glitzerte ein wenig in der abendlichen Sonne und man hätte meinen können, dass im Grunde alles in Ordnung ist. Diesem Trugschluss, dass die Kulturpolitik des Landes Oberösterreich im Grunde eine gute ist, die es nur dort und da ein wenig zu reformieren gilt, sitzen ihn Oberösterreich ja noch immer viele auf. Auf diesen Umstand wies auch der Obmann der KUPF, Stefan – Hasi – Haslinger in seiner Begrüßung hin. Er beklagte, dass Oberösterreich vielerorts (noch immer) als kulturpolitische „Insel der Seligen“ gelte. Diese Sicht ließe allerdings klaffende Lücken und auch so manche Ungehörigkeit der Landes-Kulturpolitik außer Acht. So musste die KUPF auch konstatieren, dass viele von ihr im Jahre 1997 erhobene Forderungen noch weit von ihrer Erfüllung entfernt sind. Vieles, so Haslinger weiter, habe sich auch überholt und manches, wie etwa die besondere Förderwürdigkeit von MigrantInnenkultur, fehlte schlicht in der ersten Version.
Kulturinitiativen werden nicht ernst genommen Schon die Besetzung des Podiums war bezeichnend. Alleine DIE GRÜNEN entsandten mit Gunther Trübswasser eine kompetente Person. Die Vertreterin der SPÖ Dr. Kordula Schmidt wusste über weite Strecken der Diskussion nicht wirklich was eigentlich das Thema war. Offensichtlich zieht man es in sozialdemokratischen Kreisen weiterhin vor, die Kultur den Bürgerlichen zu überlassen. Aber auch die haben schwer ausgelassen. Landtagspräsidentin Angela Orthner, die in Vertretung des Landeshauptmannes und Kulturreferenten Dr. Josef Pühringer ihre Frau stand, konnte zwar auf ihre Erfahrung und ihr Wissen als Landtagspräsidentin zurück greifen, aber sie ist nun mal nicht diejenige Person, die die Kulturpolitik der ÖVP bestimmt. Das macht nämlich Pühringer himself – aber dazu später.
Finger auf Wunden gelegt Die KUPF war mit Vorstandsmitglied Rubia Salgado und Geschäftsführer Udo Danielczyk am Podium vertreten. Sie waren es auch, die die Themen vorgaben. Danielczyk gelang es gleich zu Beginn der Veranstaltung, seinen mahnenden Finger auf eine klaffende Wunde der Kulturpolitik zu legen. Er beklagte die faktische Abschaffung des Kulturförderberichtes, einer Auflistung aller vom Land Oberösterreich vergebener Kulturförderungen. Präsidentin Ortner verteidigte sich damit, dass sich alle im Landtag vertretenen Parteien darauf geeinigt hätten, sämtliche Förderberichte unter Verschluss zu halten, bis eine bessere Form der Präsentation gefunden sei (Die Klubobleute mussten sich sogar verpflichten den Finanzbericht „nicht aus der Hand zu geben“). Der Kulturförderbericht, der einzige Bericht mit dem man zufrieden war, wäre diesem grundsätzlichem Übereinkommen eben zum Opfer gefallen. Eine Antwort, als hätte die KUPF sie bestellt. Denn plötzlich war auf dieser Podiumsdiskussion ein Hauch von Inquisition oder Schauprozess zu spüren. Alle ParteienvertreterInnen standen plötzlich am Pranger und mussten sich für diese Ungeheuerlichkeit rechtfertigen. Aber Danielczyk war gnadenlos und zog die Daumenschrauben noch mehr an, indem er die DiskutantInnen daran erinnerte, dass ein jährlicher Kulturförderbericht im Landeskulturgesetz verpflichtend vorgeschrieben ist und die Landesregierung und der Landtag somit gegen die selbst beschlossenen Gesetze verstoßen. Nun witterte die Vertreterin der SPÖ, Dr. Schmidt, ihre Chance, zumindest die LacherInnen auf ihre Seite zu bekommen. Sie meinte, dass es sie als gelernte Juristin eh immer „reißt“ wenn sich die Politik „nicht immer ganz an die Gesetze hält.“ Vor dem mittlerweile nächtlichen Himmel errötete das Lentos am anderen Ufer der Donau angesichts des Rechtsverständnisses dieser Frau.
Kulturpolitik des Patriarchen Gunther Trübswasser ist es zu verdanken, dass er das Publikum tiefer in die Abgründe der herrschenden Kulturpolitik blicken ließ. So gab er eine bezeichnende Episode zum Besten: B ei der Präsentation eines abendfüllenden Films über die Beschäftigten in der VÖEST, „Acht Stunden sind kein Tag“ erzählte der Betriebsratsobmann, wie er zur Finanzierung des Filmes kam. Gleich als die Idee geboren wurde rief er nämlich seinen Du-Freund Landeshauptmann Dr. Pühringer auf dessen Handy an und erzählte ihm davon. Dr. Pühringer sagte spontan die erforderliche Förderung in beachtlicher Höhe zu. Mit einem lapidaren „Des mach ma, Fritz“ setzte sich Pühringer über alle Objektivierungsmechanismen hinweg und stürzte die zuständige Beamtin, die ihren ausgetüftelten Förderplan in den Papierkorb werfen konnte, in erhebliche Schwierigkeiten. Schließlich musste das Geld, das Pühringer so leichtfertig an seine Du-Freunde verteilt hatte, bei anderen Kunst- und Kulturprojekten eingespart werden. Denn das entscheidende Förderkriterium für künstlerische und kulturelle Tätigkeit in diesem Lande ist die Gunst des Landeshauptmannes. Wer sie hat, kann produzieren, wem sie fehlt, die/der muss sich wohl anderswo umsehen. Dies ist aber leider nur ein Beispiel von vielen, die belegen, dass sich LH Dr. Pühringer mehr und mehr einen obrigkeitsstaatlichen Führungsstil in Kulturfragen zulegt. Und das war auch der eigentliche Skandal des Abends. Nicht nur, dass Dr. Pühringer eine immer selbstherrlichere Kulturpolitik entwickelt (gestützt alleine auf seine künstlerischen Erfahrungen als Chormitglied) sandte er auch noch seine Parteifreundin Landtagspräsidentin Angela Orthner auf dieses Podium, damit sie sich an seiner statt „abflascheln“ lässt. (Wenn es nicht Feigheit ist, dann ist das zumindest eine Gemeinheit der Frau Präsidentin gegenüber.)
Gunther Trübswasser forderte daher endlich die Einrichtung eines Kulturausschusses auf Landesebene, um dem selbstherrlichen Kulturreferenten einen starken Partner (den er im Landeskulturbeirat leider nicht findet) entgegen zu stellen.
Andi Wahl