Analog engagiert

Kommunikationskolumne von Barbara Eppensteiner.

Wenn Wahlen vor der Tür stehen, taucht sie verlässlich auf: die Idee, dass die Demokratie über Online­-Beteiligungsprozesse verbessert werden könnte. Diesmal war es einzig Roland Düringer, der in einer seiner gilt! Pressekonferenzen wenig konkret angemerkt hat, dass es «ja das Internet!» gäbe, um neue Formen der Mitbestimmung zu verwirklichen.

Eine breiter geführte Diskussion blieb aus, so wie insgesamt die Digitalisierung in diesem Wahlkampf nicht wirklich Thema ist. Da verlagert man offenbar, ohne groß über die längerfristigen Folgen nachzudenken, selbst möglichst viel Wahlkampf ins Netz. Was sich dort abspielt, stellt die Demokratie allerdings jetzt schon vor vergleichbar große Herausforderungen wie der Siegeszug des Individualverkehrs die Umwelt. Anhand von Brexit, Trump und der dann doch ohne blaues Auge geendeten österreichischen Bundespräsidentenwahl, wurden sie unübersehbar: die digital erzeugten, in sich geschlossenen Kommunikationsblasen, die im unbedingten Beharren darauf, keine andere Weltsicht zuzulassen, ausschließlich zum verbalen Abwatschen Andersdenkender verlassen werden. Für die Betreiber dieser Plattformen rechnet sich das. Denn ein emotional derart engagiertes Publikum, das sich in der schnellen verbalen Vernichtung des Gegners abreagieren kann, um sich anschließend im digitalen Zuhause jene «Likes» zu holen, die ihm und ihr im analogen Leben verwehrt bleiben, lässt sich hervorragend an die werbetreibende Wirtschaft verkaufen. Social Bots und automatisierte Nachrichtenerstellung bringen neue gewinnträchtige Blasen und Bläschen hervor. Und weil es – um bei der Individualverkehrsmetapher zu bleiben – hier noch nicht einmal eine Vorrangregelung gibt, rasen Fake und Fakten nebeneinander her und bisweilen auch ungebremst aufeinander zu. Am Straßenrand halten besorgte BeobachterInnen «Stoppt den Hass im Netz» Schilder hoch und unterschätzen doch die Kräfte, die ihn schon deshalb schüren, weil sie gut an ihm verdienen. Gut, dass es auch Medien gibt, die sich ihrer Verantwortung im demokratischen Prozess bewusst sind. Interessanterweise setzen diese in der Kommunikation mit ihrem Publikum zunehmend auf einen wohlüberlegten Mix von digitalen und analogen Angeboten. So hat etwa die Süddeutsche Zeitung im deutschen Wahlkampf das Projekt «Wir müssen reden» gestartet und Jost Lübben entwickelt rund um die Westfalenpost spannende Partizipationsprojekte für ein jüngeres Publikum. Weil sie erkannt haben, dass ohne analoge Ergänzungen der digital­-kommunikative Klimawandel droht.

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