Ein Festival ist kein Gulasch

Das Festival der Regionen (FDR) wurde heuer 25 Jahre alt. In Marchtrenk fand die letzte Festivalausgabe des künstlerischen Leiters Gottfried Hattinger statt. Zeit für eine Zwischenbilanz. Christa Hager traf Gottfried Hattinger und die FDR-Vereinsobfrau Susanne Blaimschein zum Interview.

Das Festival ist aus der Ambition heraus entstanden, zeitgenössische Kunst in peripheren Gebieten zu fördern und zu präsentieren. Funktioniert das Format heute noch?

Susanne Blaimschein: Das FDR ist zeitgemäßer denn je: Es ist eines der wenigen Festivals, das der Künstlerschaft überhaupt noch Produktionsmöglichkeiten bietet und die Ressourcen zur Verfügung stellt. Und das schöne ist, dass es so interdisziplinär ist. Es gibt kein einziges Genre, das ausgeschlossen ist: Von Theater über Tanz, Literatur bis hin zu Bildender Kunst und Film.

Gottfried Hattinger: Man kann kein Erfolgsmodell kreieren, das man dann immer wieder aufwärmt. Das gibt es nur beim Gulasch – dass es immer besser wird, je öfter man es aufkocht. Ein Festival muss sich entwickeln. Man muss sich ja immer wieder auf neue Situationen einstellen. Man hat zum Beispiel immer weniger Geldmittel.

Gottfried Hattinger

Wie sieht es mit der Finanzierung aus?

Hattinger: Seit 1993 ist das Landesbudget für das Festival nicht mehr erhöht worden!

Blaimschein: Ungefähr hochgerechnet ist das Geld heute um 40 Prozent weniger wert als damals.

Welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?

Hattinger: Eine Maßnahme ist, dass das Festival zeitlich verdichtet wurde. Dadurch ist es zwar besser nachvollziehbar und bemerkbarer geworden, der Nachteil ist, dass es die lange Anlaufzeit nicht mehr gibt. Denn bis das Festival ankommt, dauert es immer auch eine gewisse Zeit. Zuerst gibt es immer ein bisschen Misstrauen: Was ist das überhaupt? Wer zahlt das? Steuergelder!

Blaimschein: Es gab früher auch mehr Projekte. Dennoch bleibt das FDR für die meisten Regionen ein gro­ßes Projekt. Es ist ja nicht einfach eine Ausstellung, sondern von kleineren Inszenierungen bis zu großen Ausstellungen und Bühnenstücken werden bis zu 30 Projekte gezeigt. Das ist in dieser kurzen Zeit schon eine Menge.

Susanne Blaimschein

Wie gestaltet sich der Umgang mit den KünstlerInnen, wenn die Ressourcen weniger werden?

Hattinger: Wir versuchen immer, so fair wie möglich zu sein. Es gibt für die künstlerischen Arbeiten Honorare. Bis jetzt ist es uns gelungen, die Produktionsmittel so halbwegs in Balance zu halten.

Blaimschein: Im Großen und Ganzen sind wir am unteren Limit vom Budget, obwohl das FDR zu einem wichtigen Teil der oberösterreichischen Kulturlandschaft geworden ist. Es sind bereits Generationen von Initiativen und KünstlerInnen durchmarschiert und Regionen geprägt worden.

Inwieweit gelingt es, eine gewisse Nachhaltigkeit unter der Bevölkerung zu bewirken?

Blaimschein: Die regionalen Kräfte zu unterstützen, war ein Motivationspunkt der Gründung. Regionale Kräfte sind auch unterschiedlich, sie bestehen zum Teil aus Kulturschaffenden, aus KünstlerInnen, Kulturinitiativen, Sportvereinen, Schulen und zum Teil auch aus Unternehmen. Ein aktueller Auftrag ist, dass das Festival nicht nur zeitgenössisches Kunstschaffen zeigt, sondern dass sich die Bevölkerung beteiligt, dass sie wahrnimmt und darüber spricht. Und dass sie in dem Bereich vielleicht auch weiter arbeiten möchte, wie etwa in Eferding. Dort wurde im Nachhinein versucht, ein kleines Festival auf die Beine zu stellen. Das Festival hinterlässt Spuren, dort mehr, anderswo weniger.

Hattinger: Wie es nach einem Festival weitergeht hängt letztendlich auch immer von den Ressourcen ab. Viele Gemeinden haben kein Kulturbudget und man muss froh sein, wenn man 500 Euro bekommt. Und: Jeder Ort tickt anders. Darauf muss man sich einstellen. Der Aspekt der Vermittlung und des Aufbereitens ist daher extrem wichtig. Das ist fast wie eine Gratwanderung. Man will sich ja nicht vorkommen wie ein Vertreter, der irgendein Produkt aufschwatzen will, das niemand will. Oder schon gar nicht als Missionar.

Das Festival der Regionen

Wo steht das Festival in 20 Jahren?

Blaimschein: Meine persönliche Vision ist, dass es international DAS Festival der Regionen bleibt. Und dass die Grundpfeiler wie Ortsspezifik, Partizipation oder Ausschreibung bestehen bleiben. Grundsätzlich wünsche ich mir, dass die Relevanz von Kunst und Kultur erhöht wird, dass sie gleichwertig ist und nicht als Nische verkommt.

Hattinger: International geht der Trend zu Festivals im ländlichen Raum. Ich werde immer wieder zu Vorträgen und Podiumsdiskussion nach Deutschland oder Italien eingeladen, wo man von den Erfahrungen des FDR profitieren möchte. Das Festival hat einen Pionierstatus!

Sie geben nach acht Jahren die künstlerische Leitung ab. Weshalb?

Hattinger: Das FDR ist kein Festival für Dauerintendanz, es muss sich mit der jeweiligen Handschrift immer wieder verändern, es muss immer etwas Frisches reinkommen – bevor die Gefahr besteht, dass ritualisiert wird.

Rückblickend zu Ihren vier FDR: Gibt es ein Wort, das Ihnen spontan dazu einfällt?

Blaimschein: Also wir haben Worte für Gottfried: Unprätentiös und unaufgeregt …

Hattinger: … mit allen Schattenseiten (lacht). Wenn ich ein Wort finden müsste: fruchtbar – für mich ganz persönlich. Diese Arbeit war etwas völlig anderes. Auch bin ich nicht der Prototyp von einem kommunikativen Menschen. Doch wenn man einmal mit dem Siedlerverein am Vormittag drei Bier trinkt und die Mitglieder bequatscht, dass sie mitmachen sollen, da musste ich schon öfter über meinen Schatten springen.

Haben Sie einen Wunsch an Ihren Nachfolger?

Hattinger: Das würd ich mir nie erlauben.

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