Gerade in Zeiten wie diesen

Nein! So fang ich erst gar nicht an.

 

von Stefan Haslinger

Das impliziert doch nur, dass ich die Zeichen der Zeit erst jetzt erkannt habe, jetzt erst aufgewacht bin und mich artikuliere. Jener Vorwurf, den ich gelten lassen muss ist, dass ich bis jetzt zu wenig wachsam war, bzw. um die Bildsprache des Schlafes noch weiter zu strapazieren, dass ich schlaftrunken war. Ich wurde also aus dem Schlaf gerissen. Um der potentiellen Ermüdung aufgrund zu schlaf-spezifischer Wortwahl vorzubeugen, soll jetzt der Morgenkaffee serviert werden. Morgenkaffee in Form von Kampfbegriffen. Auf der Konferenz der IG-Kultur wurde der dritte Sektor als Kampfbegriff für die neue Zivilgesellschaft ausgerufen, und das ist wichtig so. Denn der erste Kampf den es wahrscheinlich zu führen gilt, ist jener um Begrifflichkeiten. Jenen, die ãdie Böcke von den Schafen trennen wollenÒ (Andreas Khol) und damit offensichtlich der Fortpflanzung einen Riegel vorzuschieben gedenken, wollen wir die Definitionsmacht nicht überlassen. Bis hierher und nicht weiter!

Jetzt muss ich mich aber fragen, ob nicht die Produktion Euphorie auslösender Enzyme in meinen Blutbahnen etwas zu stark ist. Denn was hier so kämpferisch und herzeigbar klingt, ist keine Selbstverständlichkeit, ist nicht einmal Konsens innheralb der ãfreien SzeneÒ. Für die Kulturvereine und Kunstvermittlerinnen ist der erste Kampf wohl jener um die Finanzierung und dadurch um die Existenzsicherung. In dieser Diskussion wird oft die Unterscheidung zwischen ãgroßenÒ (gleichzusetzen mit etablierten?) – die es weniger trifft – und ãkleinenÒ (gleichzusetzten mit innovativen?) Institutionen vollzogen. Dies anscheinend uneingedenk der Tatsache, dass hier schon eine Selektierung erfolgt. Diese Selektierung – bzw. innere Uneinigkeit – hilft aber genau jenen Hirten, die ihre Schafsherde unbehelligt von Böcken auf der Weide hüten wollen, und nimmt ihnen sogar noch ein grosses Stück Arbeit ab. Ich bin gewiss nicht mit der Idealismuskeule geschlagen worden und will jetzt die homogene Szene fordern, denn die Zeiten für Konfliktvermeidung und Kompromisse sind vorbei. Was es aber zu bestimmen gilt, ist das Feld auf dem die Konflikte ausgetragen werden, und dieses darf nicht innerhalb der ãSzeneÒ lokalisierbar sein. Doch ebenso wichtig wie das Finden eines ãäußerenÒ Konfliktfeldes ist die Konfliktfähigkeit, und diese ist uns anscheinend etwas verloren gegangen. Vielleicht haben wir sie zuwenig gebraucht in den letzten Jahren? Jetzt aber müssen wir uns widersetzen, müssen uns artikulieren, müssen Position beziehen. Den Schafhirten und ihren Hunden muss klar werden, dass die Weiden nicht nur für ihre Lieblingstierchen da sind. Das mag ein wenig pathetisch, wenn nicht sogar glorifizierend anmuten. Faktum ist aber, dass wir uns wehren müssen! Wehren auf inhaltlicher und struktureller Ebene. Wehren, wenn es um die Definitionsmacht geht. Wehren, wenn es ums Geld geht.

Aber eigentlich sollen wir uns nicht wehren. Wehren ist passiv! Fordern wir lieber! Fordern wir lieber mit aller uns zu Gebote stehenden Vehemenz unseren Anteil an den Weiden! Passivität ist nicht mehr angebracht! Auch auf die Gefahr hin, dass ich das meinen Euphorieenzymen zu verdanken habe, sehe ich so etwas wie das Wiederaufkommen eines ãWir-GefühlsÒ, einer Rückbesinnung darauf, was es heisst, eine Szene zu sein! Mögen mich meine Enzyme nicht zum Narren halten!

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