Grünraum für Austausch und Kultur

Kulturmanagerin Serena Laker spricht mit Katharina Serles über Kultur in der Natur, Schwachstellen in der Klimakulturförderung, nachhaltiges Arbeiten und Sanieren.

Katharina Serles: Du bist Geschäftsführerin eines Kulturvereins, der einen Grünraum betreibt: Habt ihr Vorbilder für eure Arbeit an der Schnittstelle von Kulturarbeit und Umweltschutz?

Serena Laker: Seit Jahrzehnten sind wir als der Verein LAMES – jetzt mit dem Verein Sonnenpark als Solektiv – im Austausch mit anderen Kulturorganisationen oder auch Künstler*innen in Österreich und Europa. Über Kooperationen etwas zu lernen, war eigentlich immer schon Teil unserer DNA. 2019 organisierten wir die Konferenz REALRAUM, da ging es um die Frage, wie man Kulturarbeit machen kann, die nachhaltig ist und ressourcentechnisch gut funktioniert. Seitdem sind wir auch bei Trans Europe Halles Treffen, einem europaweiten Netzwerk unabhängiger Kulturzentren. In Bezug auf den Grünraum gibt es europaweit einzelne Flächen, die ähnlich funktionieren. Wir haben immer überlegt, wie machen das andere und wo setzen sie den Fokus, wie finanzieren sie sich? Und: Wie schafft man die ganze Arbeit? Wie bekommt man Ehrenamtliche dazu mitzuarbeiten? Denn die Betreuung von vier Hektar Park sind nicht leicht zu finanzieren. Das kostet relativ viel Geld, das gerade für Grünraum nicht zu bekommen ist, sondern das wir über die Kulturarbeit aufstellen müssen. Unser Vehikel ist also die Kulturförderung. Dass es für solche zivilgesellschaftliche Räume keine Töpfe gibt, ist eine Schwachstelle im Fördersystem. Gerade im Bereich der Klimakultur bedarf es mehr Instrumente von Seiten der Politik.

Wie viel Verständnis bekommt ihr dafür, dass Kulturarbeit und Klimaschutz zusammengehören oder -passen?

Dass das zusammen gedacht wird, ist nicht selbstverständlich. Wir sind selbst noch nicht an dem Punkt, wo sich das organisch verbunden hat, probieren immer noch viel aus. Wir nutzen natürlich die Natur für Kulturarbeit, die dadurch eine besondere Qualität erhält. Leute fühlen sich hier einfach wohl. Wir wollen aber dorthin, wo sich die künstlerische Arbeit mit Natur und dem Klima bzw. der Klimakrise auseinandersetzt. Gefühlt sind wir da erst am Beginn, selbst wenn sich Künstler*innen bereits damit beschäftigen, da das Feld ja ein weites ist.

Gerade hatte die IG Kultur Österreich ihre Klausur bei euch, hat sich Die letzte Generation zum Krisengespräch getroffen und findet eine Ausstellung im Sonnenpark statt, die künstlerische Sound-Interventionen in den Grünraum zeigt. 

Unser Grundprinzip ist, einen Freiraum anzubieten. Man braucht Flächen und nicht-kommerzielle Räume, um in einen Austausch zu kommen. Im Klimaforschungslabor, unserer Vermittlungsstation im Park bieten wir Workshops für junge Menschen von 8 bis 19 Jahren an, um ihnen anschaulich näher zu bringen, was das Thema Klimawandel bedeutet und was sie für Handlungsmöglichkeiten im Kleinen wie im Großen haben.

Die aktuelle künstlerische Intervention, der Sonar Park, ist ein Ausstellungsformat vom IMA Institut für Medienarchäologie und entstand aus dem Gedanken, in die Natur etwas Künstliches als Kontrast hineinzusetzen. Das sorgt für Irritation, wird nicht nur positiv aufgenommen. Ich finde es interessant, das Feedback zu bekommen, dass die Soundinstallationen die Natur stören. Gleichzeitig hört man im Park auch Autos, die vorbeifahren und deutlich lauter sind als die Installationen, oder die Turbine eines Stromkraftwerks, die einen permanent surrenden Ton abgibt. Bisher hat noch niemand gesagt, die Autos dürfen nicht fahren, oder das Kraftwerk muss abgebaut werden, weil es die Natur stört.

Ähneln Kulturarbeit und Klimaaktivismus einander in Bezug darauf, wer überhaupt Zeit und Ressourcen dafür hat? 

Lehrer*innen, Pensionist*innen und junge Leute/Student*innen sind bei uns besonders aktiv. Bei Nachhaltigkeit geht es nicht nur um die Umwelt, sondern auch um soziale Nachhaltigkeit: Wie arbeiten wir, wie gehen wir mit unseren eigenen Ressourcen um? Wer kann sich diese Arbeit ‘leisten’? Uns gibt es seit über 20 Jahren, das heißt, die, die begonnen haben, sind nun lebenstechnisch schon anderswo und der Nachwuchs rennt uns nicht gerade die Türen ein. Damit geht es uns genauso wie vielen anderen Vereinen, die schon länger bestehen. Auch gab es eine Professionalisierung, aber trotzdem ist Ehrenamt und Beteiligung der Bevölkerung direkt vor Ort relevant und etwas, was wir wollen und brauchen. Ein Risiko im Kunstbetrieb ist, dass man sich von dem entfernt, was Impact hat, was Menschen betrifft. Ich finde, ehrenamtliche Beteiligung bewahrt ein bisschen davor. Entsprechend machen Vereinsmitglieder immer wieder Programm bei uns, das wir auch aus einem eigenen Topf für ehrenamtliche Projekte finanzieren.

Wie sehr hängt es zusammen, dass die chronisch unterfinanzierte Freie Szene einmal mehr die ist, die am ressourcenschonendsten arbeitet? Ist Nachhaltigkeit eine Tugend aus der (Geld)Not heraus?

Nein, ich glaube, es ist den Leuten einfach ein Bedürfnis, das so zu machen. Bei uns hat sich zum Beispiel eine Sammel-Mentalität entwickelt: Im Laufe der Jahre haben sich viele Dinge angesammelt, die wieder- und weiterverwendbar sind. Künstler*innen dürfen nun in unsere ‚Sammlung‘ hinein und mit ihr arbeiten. Die sind oft begeistert, was man da entdeckt. Als das Frequency-Gelände nach der Veranstaltung noch frei zugänglich war, haben Vereinsmitglieder zurückgelassene Zelte, Schlafsäcke, etc. von dort geholt. Das ist eine Identitätssache, da geht es nicht nur darum, aus der Not eine Tugend zu machen, sondern den Wert der Dinge zu sehen. Es gibt bei unseren Events auch schon lange kein Fleisch mehr; wir kochen vegetarisch oder vegan. Das ist einfach eine Grundregel.

Und jetzt wird saniert… Wie nachhaltig ist das?

Das ist ein heißes Thema. Hier ist die Frage tatsächlich: Kann man sich nachhaltig leisten? Wir hatten so viele Ideen bezüglich Wiederaufbereitung und Materialien und mussten dann feststellen, dass Kosten- und Zeitdruck uns einen Strich durch die Rechnung machten. Wir sind definitiv an Grenzen gestoßen und mussten Entscheidungen treffen, die wir eigentlich so nicht treffen wollten. Kleine Dinge sind uns aber gelungen: Bäume, die wir fällen mussten, haben wir zum Sägewerk geschickt und wieder zurückgeholt. Somit stammen die Bretter für unseren Holzboden aus unserem eigenen Park. 

Spannend finde ich, dass ein Großteil des Geldes für die Sanierung aus der Bewerbung Sankt Pöltens für die Kulturhauptstadt 2024 stammt.

Genau. Im Rahmen der Bewerbung waren wir einer der fünf Orte, die als Hubs definiert wurden, die im Rahmen der Kulturhauptstadt 2024 bespielt hätten werden sollen. Dafür wurde ein Renovierungsbudget angedacht, bei dem die Politik letztlich geblieben ist. In einem ersten Schritt ging es darum, den Erhalt zu sichern. Von Seiten der Stadt kam immer wieder die Frage, ob es nicht besser wäre, etwas Neues zu bauen. Unsere Überzeugung war immer: Es ist ressourcenschonender zu sanieren. Die Materialien von damals sind immer noch gut, halten auch noch Jahrzehnte – und damit sparen wir CO2

Was hat sich in den letzten Jahren in Sachen Klimakultur verändert? 

Das Thema ist für alle wichtiger und dringlicher geworden. Es gibt deutlich mehr Auseinandersetzung damit. Als ich 2018 zu LAMES/Sonnenpark dazustieß, waren wir gefühlt Vorreiter*innen. Mittlerweile ist das nicht mehr so, gibt es viel mehr Mitstreiter*innen. Auch der Park hat an Zuspruch gewonnen. Die Leute formulieren mehr, dass dieser Ort als Grünraum wichtig ist und bewahrt werden muss.

Habt ihr auch argumentativ gegenüber der Politik weniger Schwierigkeiten?

Definitiv. Die Politik weiß, dass sie handeln muss – und wir handeln ja schon länger, da kann sie sagen: „Wir unterstützen die Handelnden“.

Hast du Tipps für Kulturinitiativen, die im Bereich der Klimakultur arbeiten oder tätig werden wollen?

Dranbleiben! Steter Tropfen höhlt den Stein. Gegenüber der Politik immer wieder betonen: „Hey, das ist wichtig, da gehört etwas gemacht, da müsst ihr etwas entwickeln, damit wir arbeiten können.“ Denn es gibt ja viele Leute, die aktiv werden wollen, aber es braucht eben auch die entsprechenden Ressourcen.

Der Sonnenpark in St. Pölten ist ein vier Hektar großes Gelände im Süden St. Pöltens. Seit 1999 entwickelt und bespielt ihn der Kulturverein LAMES; 2011 wurde der Verein Sonnenpark gegründet, der sich auf den Grünraum konzentriert. 2022 fusionierten die beiden Vereine zu Solektiv. 2015/2016 konnte eine Petition die Bebauung des Geländes verhindern.

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