Wir legen selbst fest, wie lange es uns gibt

Valentine Auer über das Kerngeschäft von FIFTITU% und maiz

Linz. Zwei große Schreibtische. Drei Personen, die sich an den Tischen verteilen, in ihre Laptops tippen, schwer beschäftigt sind. «Diese Lust zum Widerstand» steht auf einem der vielen Plakate im Raum. Etwas mehr als einen Kilometer weiter: ein nüchterner Empfangsraum, der Gäst*innen mit einem Plakat für all jene, «die nicht gesehen werden, die nicht genannt werden, die kein Morgen haben» begrüßt – und damit die zapatistische Widerstandsbewegung zitiert. Auch hier hört man von allen Seiten stetiges Tippen. Die Linzer Vereine FIFTITU% und maiz verbindet nicht nur die widerständige und feministische Haltung. Sie sind auch zwei der drei Vereine, denen die Förderung des oberösterreichischen Frauenreferats gestrichen wurde und die nun um ihre Basisfinanzierung kämpfen müssen.

 

 

maiz: Migrantische Selbstermächtigung

Die Gründung der Migrant*innen-Selbstorganisation maiz liegt bereits über 20 Jahre zurück. Damals existierte keine Organisation von und für Migrant*innen. Doch genau das wollten die maiz-Gründer*innen: Unterstützung, die nicht von oben nach unten funktionieren sollte, erzählt Luzenir Caixeta. Sie ist eine der maiz-Gründer*innen und arbeitet nach wie vor im Verein. Die anfangs informellen Treffen, um bei Übersetzungen zu helfen oder über das Fremdenrechtspaket zu informieren, führten zu einem immer regelmäßigeren Angebot und schließlich zur Vereinsgründung. Mittlerweile gibt es neben der Beratungsstelle fünf weitere Bereiche, in denen «maiz» tätig ist: «sex & work», Bildungs- und Jugendarbeit, Kultur und Forschung. «Die Palette reicht von sogenannten Dienstleistungen über die politische und symbolische Arbeit bis hin zur diskursiven Arbeit in der Forschung», erklärt Luzenir Caixeta. Alles Angebote, die sich durch den Bedarf der Frauen* ergaben. Und: Angebote, die das Ziel verfolgen, die politische und kulturelle Partizipation von Migrant*innen zu fördern, eine kollektive Selbstermächtigung zu schaffen und Herrschaftsstrukturen kritisch zu hinterfragen. Umgesetzt wird das zum Beispiel durch Workshops im Rahmen des Jugendprojektes «Strategien gegen Gewalt an Migrant*innen», durch den PreQual-Lehrgang, der Migrant*innen den Zugang zu Gesundheitsberufen erleichtern soll, oder durch die «gemeinsame Produktion von gegen-hegemonialem Wissen» an der «Universität der Ignorant*innen».

Foto: maiz

 

FIFTITU%: Sichtbarkeit von Künstler*innen

Empowerment, Teilhabe und Sichtbarkeit. Grundsätze, die auch zentral in der Arbeit von FIFTITU% sind. Die Vernetzungsplattform für Frauen in Kunst und Kultur feiert heuer ihr 20-jähriges Bestehen. «Mit FIFTITU% wurde eine Vernetzungsstelle erkämpft, die sich die Frage erlaubt, wie Kultur (für uns alle) ablaufen und erscheinen würde, wenn sie von Frauen* gestaltet wird», zitiert Oona Valarie Serbest aus einem der Anfangstexte. Serbest ist eine der zwei FIFTITU%- Geschäftsführer*innen. Immer noch blickt der Verein mit einer Art «Watchdog-Funktion» auf die Kunst- und Kulturproduktion in Oberösterreich. Zum Beispiel im Musikbereich: «Wir schauen seit 2000 auf die Bühnen und Häuser in Linz und fragen danach, wie es mit Frauen* auf der Bühne aussieht, was ihre Rollen sind. Und ab dem Zeitpunkt, ab dem wir hingeschaut und das öffentlich thematisiert haben, begannen auch die Veranstalter*innen ein Augenmerk darauf zu legen. Plötzlich war es peinlich, wenn ein Festival eine schlechte Frauen*beteiligung hat», freut sich Serbest. Musik ist dabei nur ein Schwerpunkt von vielen. Die Frage nach der Sichtbarkeit und danach, wer gut bezahlte Stellen bekommt und wer nicht, ist in allen Kunst- und Kulturbereichen zentral. Und auch in den Beratungen von Kulturschaffenden spielen diese Themen eine Rolle. Wenngleich es oft um ganz pragmatische Dinge geht, wie die zweite FIFTITU%-Geschäftsführer*in Jerneja Zavec erzählt: Pensions- und Steuerrecht, Stipendien, Projektanträ- ge, Künstler*innenversicherung oder Abrechnungen bei Fördergeber*innen sind Themen, die immer wieder besprochen werden. FIFTITU% und maiz leisten also wichtige Arbeit, die von anderen Organisationen nicht in diesem Ausmaß und mit diesem gesellschaftskritischen Blick geleistet werden kann. Eine Arbeit, die nun gefährdet ist. Vor allem, aber nicht nur, durch die Streichung der Förderung des oberösterreichischen Frauenreferats. Seit Jahren sind die beiden Vereine von Kürzungen betroffen. Bei maiz zeigt sich das vor allem im Bereich «sex & work», dessen Finanzierung in den letzten Jahren von der Stadt Linz, dem Land Oberösterreich und dem Gesundheitsministerium gekürzt wurde: «Wir wurden in den letzten Jahren jedes Jahr ein wenig gekürzt. Im Bereich «sex&work» haben wir nur mehr ein Drittel von dem Budget, das uns vor zehn Jahren zur Verfügung stand. Das wurde medial nicht skandalisiert, weil es nicht so plötzlich passierte», so Caixeta. FIFTITU% wurden bereits im vergangenen Jahr Förderungen vom Kulturressort des Landes gekürzt. Die Anträge vom Bund (Kultur- und Frauenministerium) sind derzeit noch offen. Das Frauenministerium kündigte jedoch schon vor zwei Jahren an, dass sie nicht mehr mit der Förderung rechnen sollten.

Foto: maiz

 

Auswirkungen der Kürzungen

Damit wird die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs immer schwieriger. Das zeigt sich auch in der Reduzierung von Sach- und Personalkosten: Bei FIFTITU% konnten 2015 noch zwei Personen für 23 Stunden sowie eine Mitarbeiter*in auf GeringfügigkeitsBasis angestellt werden. Ab März wird nur noch eine Person für 15 Stunden angestellt sein. Caixeta von maiz geht ab März in Altersteilzeit, um Kosten zu sparen. Gleichzeitig verkauft maiz Workshops und Vorträge an die Mehrheitsgesellschaft, um das Budget zu erhöhen. Nichts ändern sollte sich bei maiz für Migrant*innen, die Unterstützung brauchen, sagt Caixeta. Denn gerade jetzt sei diese notwendig: «Schon ausgegrenzte Gruppen werden noch mehr ausgegrenzt. Das ist ein enormer Widerspruch: Die Menschen bräuchten durch diese Regierung mehr Unterstützung, bekommen aber weniger.» «Back to the roots» heißt es für FIFTITU%, sollten keine alternativen Förderquellen gefunden werden. Im schlimmsten Fall wird die Arbeit ohne Büro weitergeführt und dieses nach drei bis fünf Jahren erneut aufgebaut. Ein Ende des Vereins ist keine Alternative, denn «wir lassen nicht eine rassistische und neoliberale Politik darüber entscheiden, wie lange es uns gibt», zeigt sich Serbest weiterhin kämpferisch, «das wollen wir selbst festlegen.»

 

Kurz vor Weihnachten wurde den Vereinen maiz, FIFTITU% und Arge SIE noch vor der Einreichung eines Förderantrages mitgeteilt, dass ihnen die Förderung des oberösterreichischen Frauenreferats komplett gestrichen wird. Die Argumentation: Die Vereine würden nicht mehr ins „Kerngeschäft“ des Frauenreferats fallen, da die Zielgruppe jeweils zu spezifisch wäre. Zudem sei es eine Reaktion auf Förderungsstreichungen des Sozialressorts: Dieses hat acht anderen Frauen*beratungsstellen die Förderung gestrichen. Daher wolle das Frauenreferat den betroffenen Stellen keine weiteren Kürzungen zumuten. Doch: Durch neue Verhandlungen im Jänner konnte die 100%-Streichung des Sozialressorts in eine 10%­-Kürzung umgewandelt werden. Christina Haberlander, Landesrätin des Frauenreferats, ist trotz der geänderten Gegebenheiten nicht bereit, mit maiz, FIFTITU% oder Arge SIE nachzuverhandeln. Kurz vor Druckschluss gab das Gesundheitsressort bekannt, die Förderung von maiz ebenfalls komplett zu streichen. Übrigens: Auch nach mehreren Anfragen von Seiten der KUPFzeitung stand Frau Haberlander nicht für ein Interview zur Verfügung.

 


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