Franz Schuh sagt, er findet das Wort Kulturphilosophie ziemlich blöd.
Vielleicht weil mit „Kultur“ nur weitläufige und Nichts-mehr-als-Kultur-sagende Inseln bemüht werden. Die Allgemeinplätze im Heute. Um die sogenannten Kulturtechniken ist es nicht besser bestellt. Alles kann eine Kulturtechnik sein. Wir haben eben sehr viel Kultur vorzuweisen. Es gibt jetzt Depression Cooking. Kochen in der Krise, um einen Evolutionsvorteil durch den Verzicht zu kultivieren. Da ist stets etwas, auf das man sich einstellen muss; das kultiviert gehört. Es werden Innovationen und Innovatiönchen in Gang gesetzt, trotzdem niemand weiß, wohin die Reise geht. Wir stehen irgendwo zwischen Chaplins „Modern Times“ und Steve Jobs schwarzem Rollkragenpullover. Der Mensch probiert alles aus und macht alles mit. Er tut etwas. Erlernt Kulturtechniken. Verlernt. Man muss mittlerweile schon konventionell geartet sein, um nicht den Überblick zu verlieren. Gebt uns eine Tastatur und wir vergessen den retro Schriftstyle! Während ich das Wort „Tastatur“ mit Kugelschreiber auf Papier kritzle, kann ich es nur schwer von „Tortur“ unterscheiden. Die Schrift ist über weite Strecken kaum zu entziffern. Unzählige Stunden in der Volksschule mit Schönschreibübungen mit Zierleiste vergeudet. Für meine verliebten Postkarten aus Venedig mit unleserlicher Schrift schäme ich mich. Auch ein romantisches sms ist eine vertrackte Angelegenheit. Ild . Das ist fast pervers, aber eben nur fast. Drei Buchstaben in den Editor tippen, Nummer eingeben und auf send klicken ist praktischer als eine Briefmarke besorgen. Unsere intimsten Handlungen sind von ökonomischen Überlegungen geprägt. Telefone sind konzipiert, dass ein getipptes Smiley automatisch durch ein Sonnen-Ikon ersetzt wird. Das meinten Sie doch, will das Telefon sagen. Nein. Schreiben, meine ich. Wenn selbst das Tippen konterkariert wird, ist es Zeit wieder schreiben zu lernen: Subjekt. Prädikat. Objekt. Ein ganzer Satz. Der schwarze Rollkragenpullover hat versprochen: We bring you the „i“. Aber was tun wir nun damit? Die kultigen i-Objekte lernen sich angeblich intuitiv. Wer Kinder beobachtet, kann sehen, wie gut sie mit diesen Teilen zurecht kommen. Sie sprechen noch nicht, aber klicken sich munter durch Mutters Telefonmenü. Digital Natives prophezeit uns der Medienmarkt. In Österreich empfiehlt ARGE Daten das Bildungsvolksbegehren, damit Schulkinder Kompetenzen für das Internet lernen. Alt+Ctrl statt Tinte. Warum wieder schreiben lernen? Den inneren Homunculus kümmert’s nicht. Sein Daumen war immer überproportional. Die großen Erzählungen sind vorbei, doch mit einem einzigen Satz fängt etwas Neues an. Es ist wie mit dem Leere-Leinwand-Syndrom, dem man sich stellen will. Was wohl nichts anderes bedeutet: Es muss weiter gehen, immer weiter gehen. Und manchmal zurück. Bloß weg von den Telefon-Sonnen.
Yolanda Daum, 1977 geboren, ist keine Digital Native. Sie hat ihre Internetsucht mittlerweile überwunden und lernt Kalligraphie. Nur so.