Schubladenwände einreißen!

Die KUPF ist am Aushecken eines interkulturellen Themenschwerpunkts. Nicole Honeck und Richard Schachinger geben einenkleinen Vorabbericht.

Nachdem Andi Wahl in der Kleingartensiedlung mit „jungen, klugen und gebildeten Menschen“ über Fremdenhass und Rassismus geplaudert hatte, war er nach eigenen Angaben ein bisschen enttäuscht. Nicht nur wegen deren fehlenden Tiefgang, sondern weil sie „ihre ganze Kraft und Leidenschaft in Begriffsdefinitionen und Auf-der-Höhe-des-Diskurses-Sein investieren. Als ob es um akademische Probleme ohne reale Relevanz ginge“. Dieser kurze Schwenk aus den „Kulturrissen (2011/2)“ soll einleitend auch als Erinnerung für die KUPF dienen, die gerade am Aushecken eines interkulturellen Themenschwerpunkts für die nächsten Monate ist.

Engagement gegen Diskriminierungen begleitet die KUPF bekanntlich seit ihrem Bestehen. Eine diesbezügliche und aus heutiger Sicht etwas verstaubt wirkende Grundsatzpositionierung hat die KUPF beispielsweise im Jahr 1994 mit der „Guttenbrunnererklärung“ publiziert, in der sie auf die „kulturfeindlichen Tendenzen“ der FPÖ reagierte und unter anderem „Freiheit und Toleranz“ einforderte. Wenige Jahre später erfolgte eine Ausweitung kulturpolitischer Kampffelder und im Zuge dessen trat „MAIZ“ als erster Migrantinnen-Verein der KUPF bei. Diese neuen Allianzen brachten auch neue Herausforderung für die KUPF, die damit als erster kulturpolitischer Dachverband „explizit antirassistisch“ (Rubia Salgado, 2006: Möglichkeit der Allianzen?) wurde. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf das Positionspapier „No Pasaran!“ (kupf.at/ node/2716) aus dem Jahr 2009 verwiesen, in dem im Gegensatz zu moralischen oder karitativen Ansätzen politische Antworten auf den strukturellen Rassismus reklamiert werden. Hier setzt Mark Terkessides mit seinem Buch „Interkultur“ an. Es sei an der Zeit sich zu verabschieden von Begriffen wie Integration und Multikulturalismus, beides Begriffe, die eine Einreihung in eine vermeintlich unveränderbar bestehende Ordnung fordern und zugeschriebene Unterschiede als gegebene akzeptieren. Normen, die nur in der Abgrenzung zum „Fremden“ wirklich funktionieren. Wie die emanzipierte Frau in der westlichen Welt, deren Emanzipation „nur“ durch muslimisch denkende Religiösitäten gestört wird. Einkommensschere, häusliche Gewalt und Sexismus fallen da kurzzeitig aus dem Gedächtnis. Ebenso wie Rassismen, die nur im Focus des Extremismus als „Ausreißer“ des einzelnen Spinners (mit blauen Augen) gesehen werden. Eine Argumentation, die jede der Verantwortung enthebt, ein akademisches Problem ohne reale Relevanz? Nein, Mark Terkessides erweitert den Begriff der Barrierefreiheit auf alle strukturell benachteiligten Bevölkerungsgruppen und bietet Lösungsansätze, um bestehende diskriminierende Machtmechanismen zu enthebeln. Dabei werden Diskriminierungserlebnisse und „unterdrückte Wissensarten“ als Ausganspunkt zur Veränderung gemacht. Hier kommt auch jene erfahrene Betroffenheit ins Spiel, die Armin Kremser in seiner Rezension (kupf.at/node/4670) für die KUPF Zeitung beschreibt: Die Leserin des Buches Interkultur macht sich genau der angeprangerten Umstände verdächtig. Schubladen sind beengend und leider allzu oft Realität in der „Polis“, nicht aber in der „Parapolis“ (Mark Terkessides, 2010: Interkultur). Die Parapolis enthebt „die“ Gesellschaft als homogene sich immer einig seiende Gruppe vollkommen ihres Begriffes und der geschichtlichen Verankerung. Sie beschreibt eine Gemeinschaft, die sich aus der Vielfalt der tatsächlich vor Ort befindlichen Personen zusammensetzt – mit Blick in die Zukunft. Erstarrte Bewegungen, die sich tektonisch in Flüchtlings- und Migrantinnenunterkünften widerspiegel (oftmals sind es ehemalige Unterkünfte einstiger Touristinnen) werden torpediert, Schubladenwände eingerissen. Die flachen Seitenteile laden zu Beteiligung und Partizipation – barrierefrei!

Hierbei setzt Mark Terkessidis insbesondere bei Institutionen an, die in Richtung Barrierefreiheit abgeklopft und umgebaut werden sollen. Ein Ball – auch in Richtung Kulturvereine – den wir als KUPF nun aktiv annehmen wollen. Warum? Weil sich die Gesellschaft verändert, Diversität ein Faktum ist und historische Sichtweisen „der“ Gesellschaft nicht mehr stimmig sind. Hierarchien, Politik und Staat verlieren an Einfluss. Es gilt jetzt zu handeln, Veranwortung zu übernehmen und zumindest in Teilbereichen einen Prozess der gleichberechtigten Teilhabe zu starten.

 

 

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