convention revisited

Was ist im aktuellen EU-Verfassungsentwurf für das kulturelle Feld drin?

 

von Therese Kaufmann

Der europäische Konvent befindet sich in seiner Endphase, hektisch wird an einem finalen Kompromiss zu einem EU-Verfassungsentwurf gefeilt. Bis zum 18. Juli 2003 soll der Prozess endgültig abgeschlossen sein. Über ein Jahr lang wurde in dem Gremium aus VertreterInnen nationaler Regierungen und Parlamente, des Europäischen Parlaments, der Kommission und der Ausschüsse über die Zukunft Europas, die im Zuge der Osterweiterung mehr denn je notwendig gewordene Reform der Institutionen und eine Neudefinition der Aufgabenprofile und Handlungsmöglichkeiten der EU diskutiert. Das Ziel ist, ein in sich geschlossenes Dokument anstelle der bisherigen EU-Verträge vorzulegen, das dann in einer Regierungskonferenz 2004 beschlossen werden soll.

Der letzte Entwurf für die Verfassung liegt nun vor. Der Weg dahin war steinig und mühsam, oft geprägt von Frustration und Desillusionierung, und zwar auf der Seite der Delegierten ebenso wie auf jener der verschiedenen Interessengruppen, die sich in die Debatte einklinken wollten. Das hatte schon mit der Nominierung Giscard d’Estaings als Vorsitzender des Konventspräsidiums begonnen, der die Funktion dann auch von einem konservativen Geist geprägt und teilweise autoritär und selbstherrlich erfüllte. Vor allem im ersten Drittel bewegte sich die Debatte eher schleppend voran, behindert von Unklarheiten bezüglich der Strukturen und Arbeitsmethoden. Manche Regierungen schienen ausschließlich ihre Einzelinteressen zu verfolgen, währen einzelne Gruppierungen innerhalb des Konvents eine radikalere und progressive Europapolitik machen wollten.

„Hot issues“ wurden auf die lange Bank geschoben, und Fragen wie jene, ob die Zielsetzung des Konvents in der Erarbeitung einer Verfassung oder nur eines „Verfassungsvertrages“ läge, kosteten Wochen und Monate. Die „Öffentlichkeit“ wurde mit einem Online-Forum abgespeist, während der „Dialog mit der Zivilgesellschaft“ im Rahmen politisch zahnloser und eine fast unbewältigbare Bandbreite von Anliegen und Themen abdeckender Kontaktgruppen stattfand, die in zeitlich extrem knapp bemessenen einmaligen Hearings in der Plenarsitzung vorsprechen durften. Dies stellte auch eine der wenigen Möglichkeiten für das kulturelle Feld dar, sich am Prozess zu beteiligen, unterstützt von Lobbyingaktionen und Meetings, wie sie zum Beispiel von EFAH oder der Europäischen Kulturstiftung ECF organisiert wurden. Vorrang hatte eine pragmatische Haltung, denn es ging hauptsächlich darum, nicht die einzige rechtliche Grundlage für kulturelle Aktion, den „Kulturartikel“, im Zuge der Neuverhandlungen der Kompetenzen zwischen EU und Mitgliedstaaten zu verlieren. Für ein Weiterdenken in Richtung der Funktionen, die dem kulturellen Feld in Europa – vor allem auch in seiner demokratiepolitischen Relevanz – zukommen könnten, war da kaum Platz. Stattdessen driftete die Diskussion nur allzu oft ab in Gemeinplätze von der „Kultur“ als „Quintessenz eines gemeinsamen europäischen Identitätsbewusstseins“. Dementsprechend problematisch war auch der Ansatz, eine Verankerung von „Kultur“ in der Präambel der Verfassung anzustreben – vor allem angesichts der Tatsache, dass sich hier wohl sowieso die wahre „Kulturdiskussion“ des Konvents abspielte: in der unsäglichen Diskussion über den Bezug auf Gott und die „christlichen Wurzeln“ Europas in der Präambel.

Wie wird nun im Entwurf konkret auf das kulturelle Feld Bezug genommen? Viel Neues gibt es nicht. Im ersten Teil, der die Ziele und Zuständigkeiten der Union festlegt, wird die Wahrung des Reichtums der kulturellen und sprachlichen Vielfalt der Union sowie der Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes bestimmt (Artikel I-3, 3). Teil zwei besteht aus der Grundrechtecharta und der neue „Kulturartikel“ (Art. III-176) im dritten Teil stellt im Grunde eine geringfügige Modifizierung des bisherigen Artikels (Art. 151) dar. Im Wesentlichen also wird am Hauptziel der kulturellen Kooperation festgehalten, und zwar nach wie vor mit der Beschränkung auf unterstützende und ergänzende Maßnahmen, falls erforderlich. Dies birgt weiterhin die Problematik einer relativ schwachen rechtlichen Grundlage für entsprechende finanzielle Förderung und für konkrete Aktivitäten im kulturellen Feld in sich. Hinzu kommt, dass die Bestimmungen über die „Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“ in ein eigenes Protokoll ausgelagert wurden, was es der Regierungskonferenz 2004 theoretisch ermöglicht, weitere Bestimmungen und Relativierungen als Protokolle anzuhängen und so erneut ein undurchschaubares Dickicht an Vertragsbestimmungen zu schaffen. Wie zu erwarten war, gibt es keine Weiterentwicklung des Artikels im Sinne europäischer Kulturpolitiken. Es ist gut, dass Paragraph 4 des Artikels, der das Zusammenhängen des kulturellen Felds mit anderen Policy-Bereichen nicht nur anerkennt, sondern auch die Berücksichtigung der Auswirkungen von Gesetzen und Entscheidungen in diesen auf das kulturelle Feld verlangt, weiterhin besteht. Das Hauptproblem wird hier die Umsetzung im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips bleiben. Da diese eher lasch war, ist nicht anzunehmen, dass sich viel ändern wird. Die Erfordernis der Einstimmigkeit wurde hingegen aufgehoben und durch eine qualifizierte Mehrheit ersetzt, was Hoffnung auf eine gewisse Dynamisierung von Entscheidungsprozessen keimen lässt. Kulturpolitik soll aber auf der nationalen Ebene verbleiben. Und in Österreich wird die kulturpolitische Diskussion derzeit im Kontext der laufenden, von der europäischen Kommission geführten, Verhandlungen zum GATS (General Agreement in Trade and Services) anscheinend von Positionen wie den kulturpessimistisch-protektionistischen Beschwörungen vom Untergang Österreichs „als führende Kulturnation Europas“ (Ioan Holender in profil 24, 6.6.2003) bestimmt. Die Grünen haben das in einer Aussendung auch noch verbreitet. Und wir wissen jetzt, wo das Problem liegt. Es lebe die Subsidiarität!

Therese Kaufmann

Verfassungsentwurf: http://european-convention. eu.int/bienvenue.asp?lang=DE Kulturartikel (Art. 176) in Teil III: http://european-convention.eu.int/docs/Treaty/cv00725.de03.pdf Online-Forum (Beiträge und Zusammenfassungen): http://europa.eu.int/futurum/forum_convention/ doc_de.htm

Neue Buchveröffentlichung des eipcp: eipcp (Hg.): Anticipating European Cultural Policies / Europäische Kulturpolitiken vorausdenken; Therese Kaufmann und Gerald Raunig, Wien 2003 zweisprachig englisch / deutsch 96 Seiten; ISBN 3-9501762-0-9; 10,- EUR Info und Bestellung: contact@eipcp.net, http://www.eipcp.net

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