back or forward to the roots?

Ein Rückblick auf Ausschreibung und Jurysitzung des Innovationstopfes 2003 ‹maß nehmen›, sowie die Vorstellung der ausgewählten Projekte von Andrea Mayer-Edoloeyi .

Mit der achten Ausschreibung zum Innovationstopf unter dem Titel ‹maß nehmen› machte die KUPF bewusst einen Schritt zurück zu den Wurzeln des Innovationstopfes. Nach mehreren thematisch bzw. spartenorientierten Ausschreibungen stellte die KUPF die Arbeit autonomer Kulturinitiativen in den Mittelpunkt, und stellte die Frage nach den Zielen und Wirkungen der Arbeit von und in Kulturinitiativen. Die Frage nach Aufbau von und Eingriffe in Strukturen und Prozesse, nach Sichtbarmachen und nachhaltiger Wirkung von Kulturinitiativenarbeit stand im Mittelpunkt von ‹maß nehmen›.

Der KUPF-Innovationstopf sollte anregen, sich mit der Sichtbarkeit der eigenen Arbeit zu beschäftigen. Wie kann Kulturarbeit gesellschaftliche Rahmen verändern? Wo liegen die Ergebnisse aus der autonomen, regionalen Kulturarbeit? Welche Zusammenhänge werden in der Kulturinitiative, in der Gemeinde, in der Region hergestellt? Der KUPF-Innovationstopf suchte Projekte in den Grenzbereichen von kultureller, sozialer und politischer Arbeit, die diese gesellschaftlichen Fragen im regionalen Umfeld behandeln. Es ging um ein Anstoßen neuer Entwicklungen und um einen Beitrag zur Selbstbestimmung der Kulturarbeit. Projekte, die sich mit dem Verhältnis von ProduzentInnen und KonsumentInnen bzw. Öffentlichkeit auseinandersetzten und Eingriffe in örtliche Strukturen thematisieren und sichtbar machen, waren gefordert. Somit hieß „back to the roots“ auch die Thematisierung der alltäglichen Lebenswelt von initiativer Kulturarbeit in ihrer Rückwirkung auf die Gesellschaft.

Dotation, Einreichungen und Jury Zusätzlich zu den gewohnten 75.000 Euro aus Mitteln der Landeskulturförderung konnte die KUPF noch kurzfristig 15.000 Euro aus Mitteln des Sozialressorts des Landes OÖ an Projektgeldern speziell für Projekte mit integrativem Charakter lukrieren. Bei der Jurysitzung wurde jedoch die gesamte Dotation für alle Projekte gemeinsam juriert. 24 Projekte wurden zur Förderung durch den Innovationstopf eingereicht, das entspricht einem Förderbedarf von über 210.000 Euro bei einem Gesamtbudget von annähernd 550.000 Euro. Unter den EinreicherInnen fanden sich 7 Projekte mit Beteiligung von insgesamt fast 15 KUPF-Mitgliedsvereinen. Die fünfköpfige Jury tagte in einer öffentlichen Sitzung am 29.04.03 im Kunstraum Goethestraße, dabei waren Sylvia Amann (ehem. KUPF-Geschäftsführerin, Leiterin Inforelais), Jeff Bernard (Institut für sozio-semiotische Studien, Verfasser zahlreicher Studien zum Thema Freie Kulturarbeit), Erika Doucette (Kulturaktivistin und tätig bei mehreren MigrantInnen-Gruppen und Kulturprojekten), Hildegund Morgan (Leiterin der h.c. Regional Akademie Steyr-Kirchdorf) und Helene Schnitzer (Geschäftsführerin der Tiroler Kulturinitiative – Schwesternorganisation der KUPF – und Vorstandsmitglied der IG Kultur). Zu Beginn der Sitzung legten die Jurymitglieder ihre Bewertungskriterien über die Ausschreibung hinaus offen: Sichtbarmachen von Kulturarbeit, Reflexion der eigenen Arbeit(sbedingungen), Standortbestimmung, Partizipation, emanzipatorische Aspekte, Integration, Feminismus, Antirassismus, Nachhaltigkeit, Wechselwirkung, Impulse für andere Projekte, Ziel einer Entwicklung und regionale Ausgewogenheit.

Die Jurysitzung Die Jury wählte in einem langen und intensiven Diskussionsprozess 13 der 24 Projekte aus. Darunter befinden sich auch 6 der 7 eingereichten Projekte mit Beteiligung von KUPF-Mitgliedsvereinen, was durchaus als Maßstab für die Qualität der Einreichungen der Kupf-Mitgliedsvereine zu verstehen ist. Die Diskussion war an manchen Punkten durchaus sehr kontroversiell, da die Jury-Mitglieder sehr unterschiedliche Hintergründe mitbrachten. Bemerkenswert ist, dass 2003 vielen Projekten die volle Antragssumme zugesprochen wurde und somit die Realisierung der Aktivitäten ohne Probleme sicher gestellt ist. Diese Möglichkeit zur Vollfinanzierung ist ein notwendiger Luxus im Feld der Kulturarbeit, den die KUPF – mit finanzieller Unterstützung der Landeskulturdirektion und heuer auch des Sozialressorts – durch den Innovationstopf noch leisten kann und will. Diese Möglichkeit ist in Zeiten, in denen die Ökonomisierung der Kultur und der ökonomische Druck auf freie Kulturarbeit wachsen, auch als bewusstes kulturpolitisches Signal der KUPF im Bestreben um Absicherung der Arbeit der Kulturinitiativen zu verstehen. Bei Teilfinanzierungen legte die Jury auch im Sinne einer von der KUPF in den „zuMUTungen“ geforderten Transparenz der Förderentscheidung Wert auf eine Begründung bzw. definierte die geförderten Teilbereiche.

Einige ausgewählte Projekte Im Projekt „Mauerschau“ laden fünf Innviertler Mitgliedsvereine der KUPF (Treffpunkt Georgia, Literaturnetzwerk Innkreis, KiK Ried, Unart St. Martin, Kunst&Kultur Raab) KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen aus je zwei Beitrittsländern der EU als kulturelle BotschafterInnen ihres Heimatlandes im Spannungsfeld zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ein. In einer Veranstaltungsreihe zwischen September 2003 und April 2004 liefern die KünstlerInnen durch ihre künstlerische Arbeit einen „Botenbericht“ über gesellschaftliche und politische Verhältnisse, geben Tendenzen und Mutmaßungen wieder, die auch Prognosen über die Zukunft erlauben.

Beim von MigrantInnenverein Mesopotamya (Linz) eingereichten Projekt „Filmzeiten“ werden Filme zum Thema Migration gezeigt und anschließend mit StadtpolitikerInnen und MigrantInnenorganisationen diskutiert. Begleitet wird die Filmreihe von einer Kunstausstellung zum Thema, die von migrantischen KünstlerInnen vorbereitet wird. Andere MigrantInnenvereine und Organisationen für KünstlerInnen in Linz sollen in das Projekt involviert werden. Inhaltlicher Schwerpunkt wird „Hierbleiben – in einem anderen Land“ sein, ebenso wie Fragen der zweiten und dritten Generation von MigrantInnen.

Der KV Rossmarkt (Grieskirchen) nahm den Kampf um das eigene Gebäude zum Anlass, ein Projekt einzureichen: HausART. Das Projekt sieht vor, den Kampf um das Haus von der medialen/politischen Ebene auch auf die künstlerische zu verlagern. Das Haus wird für die Dauer von einer bis drei Wochen mit einer weißen Plane verhüllt. Diese Fläche wird als Projektionsfläche für Videos, Dias oder Animationen etc. genutzt. Die Bespielung erfolgt durch regionale KünstlerInnen oder auch durch Bilder zur Geschichte des Hauses. Auch Zukunftsvisionen sowie einfache Informationstexte können projiziert werden. Durch diese Verhüllung wird die Funktion des Hauses und der Kulturarbeit des RM1 – und anderer Kulturinitiativen im kommunalen Kontext – thematisiert: Wie verändert sich das Stadtbild ohne das Haus RM1? Welche Lücke hinterlassen die ProtagonistInnen der Kulturarbeit, wenn sie ihre Arbeit niederlegen?

Das am 24. und 25. Oktober im Kulturhaus Röd@ in Steyr stattfindende Symposium „Interkulturelle Kulturarbeit, Gendermainstreaming & antirassistische Öffentlichkeitsarbeit in Kulturinitiativen“ wird ebenfalls aus dem IT gefördert. Die Einreicherinnen Doris Wagner und Rosemarie Reitsamer wollen die bestehende Diskussion zu rassistischen und sexistischen Segregationsmechanismen und wirksamen Gegenstrategien in der Kulturarbeit vertiefen. Eine Sondernummer der feministisch-popkulturellen Zeitschrift „Female Sequences“ dient als Dokumentation und gleichzeitig als eine Art Handbuch für interessierte Kulturinitiativen.

Radioaus.Schlag“ ist eine neue, wöchentliche Sendeschiene des Freien Radio Salzkammergut (Bad Ischl) und folgt der Philosophie, der regionalen Kulturszene verantwortungsbewusst, kritisch und wachsam zu begegnen. Durch das vernetzte Agieren zwischen erfahrenen SendungsmacherInnen und neuen RedakteurInnen entstehen neue Gestaltungsformen und findet längerfristig ein Generationenwechsel bei den SendungsmacherInnen statt. Die Sendeschiene besteht aus verschiedenen Teilen, die Themenstellung basiert auf längerfristiger Planung, die aber auf Aktuelles reagiert. Die wichtigsten Sendungen sind „Der Radiator“ (ein einstündiger Rückblick auf vier Wochen politisches, gesellschaftliches und kulturelles Geschehen. Live-Mitschnitte von Vorträgen und Konzerten werden durch viele Interviews bzw. Live-Gäste ergänzt) und „Der U/mbruch (eine Literatursendung zwischen Avantgarde und bodenständigen Mundartkompositionen).

Auf die Ergebnisse dieser und der weiteren geförderten Projekte dürfen wir gespannt sein. Die KUPF wünscht den ProjektbetreiberInnen viel Erfolg bei der Umsetzung und wird in der KUPF-Zeitung, im Radio KUPF und auf der KUPF-Homepage wie gewohnt darüber berichten.

Andrea Mayer-Edoloeyi

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