KULTURARBEIT IST ARBEIT UND ARBEIT IST …WAS WERT?

Elisabeth Mayerhofer
und
Monika Mokre
untersuchen die Geschichte und Inhalte von freier Kulturarbeit –schließlich sollen alle wissen, wovon die KUPF da eigentlich spricht.

ANFÄNGE UND ANSPRÜCHE

Am Anfang stand der Wunsch nach einer Neupositionierung von Kultur als politischer Praxis,jenseits eines elitären Kunstsystems,in dem das Genie herrscht.Der Begriff Kulturarbeit tauchte in den 1970er Jahren auf und richtete sich gegen den Mythos der autonomen Kunst und zugleich auch gegen die Einschränkung des Arbeitsbegriffs auf (fordistische)Lohnarbeit.Kulturarbeit stand für partizipative,politisch engagierte Arbeit im kulturellen Feld und/oder mit kulturellen bis künstlerischen Mitteln,wobei die Akzeptanz durch den Kunstbetrieb zweitrangig war. Der Ansatz der klassischen Avantgarde,die Trennung zwischen „Kunst und Leben “aufzuheben,sollte in konkreten lokalen Kontexten wieder belebt werden.Im Gegensatz zum Kunstbetrieb ging es nicht in erster Linie um die Schaffung neuer Werke,sondern auch darum,kulturelle Produktionen etc. zu ermöglichen und durchzuführen,zu veranstalten. Letzteres trägt bis heute zu dem Missverständnis bei,Kulturarbeit sei weniger „produktiv “als die Kunst-Kunst. Bei beidem handelt es sich letztlich um das Auslösen und Weiterführen von kommunikativen Prozessen,unterschiedliche Arbeits-und Produktionsformen ergeben sich aus der jeweiligen Beziehung zum Kunstbetrieb,zu politischem Aktivismus,zu Kunstvermittlung etc. Der Begriff „KulturarbeiterIn “ist hier in vielerlei Hinsicht programmatisch:Kulturelle Arbeit wird nicht mehr als Schöpfungsakt eines Individuums aus dessen Inneren verstanden,sondern als kollektiver Prozess,an dem auch Nicht-ExpertInnen teilnehmen können bzw.dessen Ergebnisse breiter zugänglich sein sollen. Der Geniekunst,die den vergeistigten Gegenpol zur kapitalistischen Logik darstellen soll,wird ein demystifiziertes Modell kultureller Arbeit an und mit den Verhältnissen gegenübergestellt.
In den 1980ern setzte eine Phase der Institutionalisierung ein – Vereine wurden gegründet,Infrastrukturen errichtet,in den meisten Fällen ehrenamtlich und selbstbeauftragt und oft abseits der Zentren, mit dem Ziel einen anderen Kulturbegriff neben Hochkultur und volkstümelnder Kultur zu etablieren –die Soziokultur. Dieser Institutionalisierung wurde in den 1990ern von der Kulturpolitik insofern Rechnung getragen,als eine eigene administrative Einheit mit eigenem Budget eingerichtet wurde.

GEGENWART UND REALITÄTEN

Mit den 1990er Jahren ging jedoch auch die letzte Phase des sozialdemokratisch orientierten Wohlfahrtsstaates zu Ende und ein neues politisches Paradigma,das sich bereits in den Umwegrentabilitätsdiskussionen angekündigt hatte setzte sich fest:Die Geschichte von unmittelbar ökonomisch verwertbarer Kunst/Kultur. Die Kreativwirtschaft wurde entdeckt und an die Stelle der KulturarbeiterInnen trat der neue Leittypus der „cultural entrepreneurs “.Diese vereinigen in sich Charakteristika der Geniekünstler und der KulturarbeiterInnen. Wie der Geniekünstler schaffen sie aus sich selbst heraus,sind dabei allerdings im Unterschied zu ersterem nicht nur in ihren Produkten,sondern auch in ihren Verwertungsstrategien innovativ (und zielen auf breitere Märkte ab als die schmale Nische des Kunstmarktes).Trotzdem arbeiten sie aus intrinsischer Motivation und nicht um ein regelmäßiges Einkommen zu erzielen. Daher handelt es sich bei ihrer Arbeit – ebenso wie bei der Kulturarbeit – auch nicht um entfremdete Lohnarbeit,sondern um die Aufhebung der Trennung zwischen Beruflichem und Privatem –wenn auch in einer Form,die deutlich von den Ideen der politischen Kulturarbeit der 1970er abweicht:Individuen werden zu Ein-Personen-Unternehmen. Die außerordentlich hohe Motivation im Kunstbereich wie in der Kulturarbeit wurde auf einen primär profitorientierten Dienstleistungssektor übertragen;gemeinsam ist all diesen Sektoren die geringe Entlohnung,das kritische Potenzial jedoch wird durch reibungslose Marktgängigkeit ersetzt. Das Konzept des „cultural entrepreneur “zehrt also parasitär von älteren Konzepten und verändert sie zugleich grundlegend durch den absoluten Vorrang der Ökonomisierung vor allen anderen Ansprüchen. Die handelnden Personen sind allerdings zum Teil dieselben geblieben: Da sich Kulturinitiativen nicht im luftleeren Raum befinden,kommerzialisierten sich manche –manchmal schleichend,manchmal bewusst – und gaben ihren politischen Anspruch zugunsten der Erbringungen professioneller Dienstleistungen beispielsweise als VeranstalterInnen auf, wobei ihnen gerade ihre vormals politische Arbeit einen gewissen verruchten Schick gab,der in Nischenmärkten hervorragend kapitalisierbar ist.

DAS ENDE DER KULTURARBEIT?

Die Kulturinitiativen sind in die Jahre gekommen,die Konzepte der 1970er scheinen nicht mehr adäquat,die öffentliche Hand reduziert zusätzlich die Förderungen –gibt es noch eine Chance für Kulturarbeit?Dass die Rahmenbedingungen schlecht sind,ist keine grundlegende Neuerung –auch wenn sie zunehmend noch schlechter werden. Dies betrifft nicht nur die Fördermodalitäten,durch die Projekte statt Strukturen gefördert werden,sondern auch den allgemeinen Rückbau des öffentlichen Sektors,der dazu führt,dass sich viele KulturarbeiterInnen ihr ehrenamtliches Engagement schlicht nicht mehr leisten können.Wer selbst mehrere prekäre Jobs jongliert,hat meistens wenig Zeit für unbezahlte Organisationsarbeit. Die grundlegende Problematik liegt aber anderswo: Seit längerem ist nicht klar,was Kulturarbeit ausmacht und was sie von anderen Aktivitäten im kulturellen Feld unterscheidet. Gehen wir also davon aus,dass Kulturarbeit noch immer wichtig ist,so gilt es,diesen Begriff zu überdenken,zu diskutieren oder auch um ihn zu streiten. Um diesen Streit zu fördern,hier einige Überlegungen,die keinesfalls auf allgemeine Zustimmung hoffen dürfen. Kulturarbeit definiert sich über Formen und Inhalte,doch lassen sich weder in der einen noch in der anderen Hinsicht trennscharfe Grenzen zu anderen Aktivitäten ziehen,seien sie nun kulturell oder nicht. So ist es z.B.einerseits noch keine Kommerzialisierung der Kulturarbeit,wenn diese auch Geld für die KulturarbeiterInnen abwirft. So lassen sich aber auch andererseits durchaus löbliche Inhalte,wie Antirassismus oder Geschlechtergleichstellung,in einer Form bearbeiten,die eher kommerziell und kulinarisch als politisch ist. So gibt es z.B. auch keine klare Grenze zwischen der Aufwertung einer
Region oder eines Stadtteils durch emanzipatorische Kulturarbeit und einer Tourismusförderung durch kulturelle Aktivitäten. Es geht hier also nicht um fixe Definitionen,sondern um kritische Debatten konkreter Projekte,in denen sich KulturarbeiterInnen über ihre eigenen Ziele und Beweggründe klar werden und diese auch veröffentlichen.In den 1970er Jahren war es oft der Kampf um eigene Räume,der am Beginn kultureller Arbeit stand. Das Aufsehen,das diese Kämpfe erregten,wie auch die lebhafte Nutzung der erkämpften Räume brachten dann Öffentlichkeit – nicht im Sinne eines Massenpublikums,aber in Form der Partizipation von Interessierten. Manchen der „älteren “Kulturinitiativen ist es gelungen,sich diese Räume zu erhalten,andere „jüngere “ Initiativen suchen nicht mehr nach einigermaßen stabilen Strukturen,sondern entwickeln andere,flüchtigere Organisationsformen,etwa lose Arbeitsgemeinschaften um konkrete Projekte,die sich nach Projektabschluss wieder auflösen. Nicht um eigene Räume geht es also heutzutage primär,sondern um öffentliche Räume, genauer:Um Räume,die Öffentlichkeit ermöglichen,seien es nun öffentliche Räume im wörtlichen Sinn oder Räume,die öffentlich gemacht werden. In diesen Räumen kann Kulturarbeit politisch und damit gesellschaftlich relevant werden. Wenn Formen und Inhalte von Kulturarbeit zur Debatte gestellt werden,heißt das zugleich,dass nicht automatisch bestimmte Aktivitäten anderen vorzuziehen sind. Hybride Netzwerke können in manchen Kontexten besser funktionieren als klare Strukturen –und in anderen nicht. Gemeinsam ist allen Möglichkeiten der Kulturarbeit aber,dass sie Geld brauchen und zwar einigermaßen kontinuierlich. Und auch wenn nichts dagegen spricht,dass dieses Geld teilweise von den RezipientInnen oder AnsprechpartnerInnen kommt,so steht doch nicht zu erwarten,dass sich Kulturarbeit in diesem Sinne je privat finanzieren kann. Hier ist also die öffentliche Hand gefragt,deren Förderziele jedoch den Zielsetzungen von KulturarbeiterInnen oft diametral entgegengesetzt sind. Nicht selten verstehen KulturpolitikerInnen und -beamtInnen Kunst und Kultur als unterhaltsame Standortfaktoren,mit denen schwelende gesellschaftliche Konflikte vorübergehend übertönt,d.h. in der medialen Wahrnehmung befriedet werden können. Doch soziale Ausverhandlungsprozesse laufen im Regelfall alles andere als friedlich, bunt und freundlich ab,nämlich konfliktreich und heftig. Und wenn Minderheiten,wie sie auch immer definiert sein mögen,einen derartigen Lärm schlagen,gefährdet dies das reibungslose Funktionieren hegemonialer Strukturen. Doch es ist gerade die Aufgabe von Kulturarbeit, hegemoniale Strukturen in Frage zu stellen,abweichende Meinungen und Konzepte zu Wort kommen zu lassen und somit gesellschaftliche Konflikte darzustellen oder gar zuzuspitzen.(Teil-)Lösungen sind dann von anderer
Seite her zu entwickeln,insbesondere von der Politik. Kulturarbeit ist immer Arbeit. Wenn sie öffentlich wird,sich also der Öffentlichkeit stellt und von dieser auch wahrgenommen wird,dann ist sie Arbeit an der Gesellschaft. Und die muss sich eine Gesellschaft auch etwas kosten lassen.

Monika Mokre
ist Vorsitzende der „Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien (FOKUS)“,stellvertretende Direktorin des Institut für europäische Integrationsforschung;

Elisabeth Mayerhofer
ist Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich und Mitglied der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien.

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