Offener Brief an Buchkirchner Bürgermeisterin: Forderung nach Gedenktafel für verfolgte und ermordete Sinti

Das OÖ. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus, die Welser Initiative gegen Faschismus und der Verein Ketani für Sinti und Roma haben sich in einem gemeinsamen Offenen Brief an die Bürgermeisterin von Buchkirchen, Regina Rieder, gewandt. Sie fordern die Bürgermeisterin darin auf, im Gemeindeamt eine würdige Gedenktafel für die verfolgten und ermordeten Sinti des Ortes anbringen zu lassen.

Buchkirchen war seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Heimatgemeinde für viele Angehörige der Sinti-Minderheit. Die Nationalsozialisten verfolgten und deportierten diese Menschen. Mehr als 20 Buchkirchner Sinti wurden ermordet. Die Überlebenden kehrten nicht in die Gemeinde zurück.

2008 führten Vertreter des Vereines Ketani und der antifaschistischen Organisationen Gespräche mit dem damaligen Bürgermeister Gerhard Rauscher: Hauptziel war eine würdige Gedenktafel für die Buchkirchner Sinti an einem geeigneten Platz im Foyer des neuen Gemeindeamtes. Bürgermeister Rauscher sagte seine Unterstützung zu.

Noch im selben Jahr wurden mit einer Schulveranstaltung und einem hervorragend besuchten öffentlichen Informationsabend wichtige Schritte zur Aufarbeitung der Geschichte der Buchkirchner Sinti gesetzt. Die Reaktionen in der Gemeindebevölkerung und in den Medien waren positiv. Als nächster Schritt sollte die Gedenktafel verwirklicht werden.

Nach der Gemeinderatswahl 2009 übernahm Regina Rieder das Bürgermeisteramt. Trotz zahlreicher Bemühungen seitens Ketani und der antifaschistischen Organisationen gibt es die Gedenktafel bis heute nicht. Ein entsprechender Gemeinderatsantrag wurde im November 2010 mehrheitlich – auch von der Bürgermeisterin – abgelehnt. Landeshauptmann Josef Pühringer und Bezirkshauptmann Josef Gruber sollen sich für eine würdige Lösung eingesetzt haben. Bisher leider ohne Ergebnis.

Nun beabsichtigt die Bürgermeisterin die Verlegung von zwei „Stolpersteinen“: Messingplatten im Gehsteig, die die Namen und Daten einzelner NS-Opfer tragen. Auf diese Weise soll an zwei Sinti-Kinder aus Buchkirchen erinnert werden.

Netzwerk-Sprecher Robert Eiter: „Selbstverständlich begrüßen wir das. Allerdings kann dadurch eine Gedenktafel im Gemeindeamt, die an alle verfolgten und ermordeten Buchkirchner Sinti erinnert, nicht ersetzt werden. Deshalb kommen die „Stolpersteine“ nur als weitere Maßnahme in Betracht.“

Diesen Standpunkt vertritt auch der Kölner Künstler Gunter Demnig, der das Konzept der „Stolpersteine“ entwickelt hat und sie europaweit verlegt.

Der Offene Brief appelliert an die Bürgermeisterin, ihren „völlig unverständlichen Widerstand gegen eine Gedenktafel“ zu beenden.

„Immerhin geht es um die Erinnerung an verfolgte und ermordete Buchkirchner Bürgerinnen und Bürger. Wir hoffen, dass Bürgermeisterin Rieder die damit verbundene historische Verantwortung jetzt wahrnimmt“, sagt Nicole Sevik, Generalsekretärin des Vereines Ketani.

Der Welser Antifa-Vorsitzende Werner Retzl nennt die Gemeinde Bachmanning, die ebenfalls im Bezirk Wels-Land liegt, als Vorbild: „Sie hat im Jahr 2011 durch eine Gedenktafel am Gemeindeamt alle ihre NS-Opfer – darunter eine Sinti-Familie – ins öffentliche Gedächtnis geholt.“

Die Verfasser des Offenen Briefes erwarten nun die Antwort der Bürgermeisterin. Zu konstruktiven Gesprächen sind sie weiterhin bereit.

 

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