Ulrich Fuchs war stellvertretender Intendant der Europäischen Kulturhauptstadt Linz09. Seit 2014 ist Mitglied der Jury der Europäischen Kommission zur Auswahl, Begleitung und Evaluierung aktueller und künftiger europäischer Kulturhauptstädte. Wir haben ihn kurz zum aktuellen Stand der Bewerbungen für die kommende Kulturhauptstadt 2024 in Österreich befragt.
Klemens Pilsl: 2024 wird es wieder eine Europäische Kulturhauptstadt in Österreich geben. Welche Städte rittern um diesen Titel?
Ulrich Fuchs: Die niederösterreichische Landeshauptstadt St. Pölten, Bad Ischl mit Partnern im Salzkammergut, Dornbirn mit Partnern in Vorarlberg und neuerdings höre ich Klagenfurt aus Kärnten. Das sind die Kandidaten.
Pilsl: Diese Städte und Regionen haben 2018 Zeit, eine Bewerbung zu entwickeln. Nach welchen Kriterien wird die EU-Jury diese Einreichungen beurteilen?
Ulrich Fuchs: Es gibt festgelegte Kriterien, die für alle Länder der EU gelten, damit auch für alle Städte. Diese Kriterien gehen kurz gesagt danach, wie europäisch das Programm entworfen wird einer Kulturhauptstadt aus Österreich, wie sehr die Stadt in der Lage ist, so ein Projekt auch technisch, touristisch und von den KulturpartnerInnen her zu realisieren, wie sie es finanzieren will und wie sie es einbettet in eine langfristige Kulturstrategie, die über 2024 hinausgeht und damit Aspekte der Nachhaltigkeit sichert.
Pilsl: Du kennst ja auch die politischen Gegebenheiten speziell in Oberösterreich. Ist eine Kulturhauptstadt Bad Ischl denkbar, wenn die OÖ Landesregierung weiterhin sagt, sie möchte nicht mitzahlen?
Ulrich Fuchs: Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Das wäre ein Unikum in der Geschichte der europäischen Kulturhauptstädte. Wenn sich eine Stadt entschließt zu kandidieren, dann tun die verantwortlichen Regierungen eigentlich alles darum, um diese Weiterentwicklung der Städte zu fördern, auch finanziell zu fördern. Die Höhe dieser Förderung kann natürlich unterschiedlich sein in den europäischen Ländern, aber dass eine Landesregierung einer Stadt es versagt, sie in der Bewerbung zu einem Projekt zu unterstützen, kann ich mir selbst in Österreich nicht vorstellen.
Pilsl: Die Briten verlassen die EU, die Ungarn zumindest den europäischen Wertekonsens. Ist es überhaupt politisch vorstellbar, dass es in Ungarn im Jahre 2023 eine europäische Kulturhauptstadt geben kann? Wird es noch eine britische Kulturhauptstadt geben?
Ulrich Fuchs: Naja, was die britische Kulturhauptstadt anbetrifft, ist das ein besonders schmerzhafter Prozess: Die Städte, die sich vorbereitet haben für das Jahr 2023, sind auch alle Städte, die gegen die BREXIT gestimmt haben. Die sind per se eigentlich sehr europaorientiert sind und wollten auch die Europäische Union nicht verlassen. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass Großbritannien und die Brüsseler Kommission noch zu einem Kompromiss kommen, der beinhalten würde, dass Großbritannien in den Kulturprojekten der EU weiterhin Partner ist, so wie das bei Norwegen, in der Schweiz ja auch der Fall ist. Wenn dieser Kompromiss kommt, dann kommt er aber sicher zu spät für die geplante britische Kulturhauptstadt 2023.
Dramatisch ist in der Tat der Verfall der ungarischen Demokratie, der sich leider auch in den Bewerbungen der ungarischen Städte niedergeschlagen hat. Da war viel kritische Haltung von Seiten des EU-Panels notwendig, um zu verstehen, was an diesen Bewerbungen eigentlich einer europäischen Dimension entspricht. Allerdings muss man da auch etwas Spreu vom Weizen trennen: Wir haben drei Städte von den sieben auf die sogenannte Shortliste gesetzt, die doch gute Ansätze hatten, um in den nächsten acht Monaten ihre Bewerbung über der nationalen Nabelschau hinaus auch auf Europa auszurichten. Im Dezember 2018 werden wir mehr wissen, ob und welche Stadt aus eine europäische Kulturhauptstadt 2023 sein kann.
Das Interview fand am 26.Mai 2018 im Alten Rathaus Linz statt. Anlass war ein zweitägiger Workshop der KUPF zum Thema Kultur & Standort. (C) Foto Ulrich Fuchs: Linz09