Die Veranstaltung „Fokus Publikum“, am 27.11.23 im Linzer Landhaus, fand im Rahmen der Kunst- und Kulturstrategie des Bundes in Absprache mit dem Land Oberösterreich statt. Der Auftakt dieser „Forum Kultur“-Strategie sorgte bereits nach dem ersten Termin im Februar in Wien für Ärgernis in der Szene, da diesen Formaten eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den genannten Themen sowie eine konkrete Strategie fehlen. Nichtsdestotrotz sind öffentliche Veranstaltungen für einen kulturpolitischen Austausch zwischen Kulturtätigen und Politiker*innen sinnvoll und unabdingbar.
Auch die KUPF OÖ war am 27.11.213 mit Verena Humer und Klemens Pilsl am Podium vertreten. Die KUPF OÖ wollte diese Chance nutzen, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Freie Szene in OÖ zwar hochqualitative, wichtige Kulturarbeit in den Regionen leistet, aber vom Bund zu wenig Geld an unser Bundesland fließt:
Ohne den Einmaleffekt der Kulturhauptstadt hätte Oberösterreich mit 4,44 EUR die niedrigste Förderquote pro Kopf aller Bundesländer, was im Kontrast zu der großen Kunst- und Kulturszene des Landes steht. Inklusive der Bundesförderung für die Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024 rangiert Oberösterreich ex aequo mit Kärnten an vorletzter Stelle (vgl. Grafik “Bundesförderungen pro Kopf pro Jahr”). In der nächsten Ausgabe der KUPFzeitung veröffentlichen wir dazu eine ausführliche Analyse der Fördermittelverteilung des Bundes!
Eine Woche nach der Veranstaltung „Fokus Publikum“ bleibt für uns aber immer noch ein Unwohlsein zurück und der Eindruck, dass an diesem Tag nicht „mit dem Publikum und für das Publikum“ gesprochen wurde.
Als zusätzlichen Rückblick haben wir uns daher dazu entschlossen, einen Gastkommentar von Michael Wimmer (educult) zu veröffentlichen.
Fokus Publikum – Ein Ärgernis
Gastkommentar von Michael Wimmer
Man könnte meinen, wenn sich mehrere hundert Menschen aus dem Kulturbereich in diesen Tagen versammeln, dann würde sich der Steinsaal des oö. Landhauses – ungeachtet der vorgegebenen Themenstellung – rasch in einen Ort der aufgeregt-lebendigen, vielfältigen ja auch kontroversen Diskussion über das, was uns alle in diesen Tagen ganz intensiv beschäftigt verwandeln: Krieg am Rand Europas, Diversität und demographischer Wandel, soziale Ungleichheit, weltweiter Aufstieg der autoritären Rechten samt erwartbarer Regierungsbeteiligung der Rechtsradikalen in Österreich, AI und Digitalisierung der Gesellschaft, Inflation, Wirtschafts- und Klimakrise und vieles mehr, was die „Menschen draußen“ ganz existentiell umtreibt. Und das gravierende Auswirkungen auch auf den Kulturbetrieb (samt dramatischer Veränderungen des Publikumsverhaltens) haben wird bzw. längst hat.
Fehlanzeige. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass der staatlich alimentierte Kulturbetrieb zur Zeit nichts zu den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu sagen hat, dann war die Veranstaltung „Fokus Publikum“ ein beeindruckender Beleg dafür, die vom Land Oberösterreich und dem Kunststaatssekretariat ausgerichtet worden war.
In einem völlig überkommenen frontalen Setting, das engagierte junge Menschen per se ausschließt wurde das „Publikum“ über Stunden bis zur Erschöpfung zugedröhnt von der Präsentation einzelner Initiativen, den Erfolgsgeschichten des OÖ Kulturreferenten Thomas Stelzer und der Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (die in ihrer Selbstbestätigungsrhetorik beide kaum etwas zu neuen und konkreten Publikumsstrategien zu sagen hatten) sowie der Präsentation der beiden Großereignisse 2024 in Oberösterreich: dem Bruckner-Jahr und der Kulturhauptstadt Bad Ischl/Salzkammergut durch Norbert Trawöger und Elisabeth Schweeger (die als einzige wenigstens in Ansätzen hör- und anschaulich machen konnten, dass sich über „Kultur“ auch ganz anders reden ließe).
Ja, und dann, ganz am Ende durften die verbliebenen Anwesenden noch ihr Leid klagen bzw. noch ein paar Alibifragen stellen. Als Staffage für die eigentliche Absicht der Veranstalter, den Sektor ruhig zu stellen. Weil sie an ihm als gesellschaftspolitische Triebkraft überhaupt kein Interesse haben und sich statt dessen auf Selbstinszenierung ihrer selbst und derer, die sich dankbar präsentieren dürfen beschränken.
Für mich erzählt es vor allem vom Ende eines kulturpolitischen Anspruchs der Szene, die sich mit der Refeudalisierung der Verhältnisse weitgehend abgefunden hat und sich darauf beschränkt, ihre eigenen Produktionsinteressen zu wahren. Einen darüber hinausgehenden gesellschaftspolitischen Anspruch kann ich nicht mehr erkennen, wohl auch deshalb nicht, weil es kein politisches Projekt mit überzeugendem Gestaltungswillen gibt (auch nicht bei den Oppositionsparteien), das eine tragfähige Basis für gesellschaftliches Engagement bilden könnte. „Kultur“ im politikfreien Raum also, die es herumreißt am alles dominierenden Markt der Verwertungs-Erwartungen.
Kein Wunder, dass angesichts dieser Form der Selbstaufgabe des Kulturbetriebs die Freiheitlichen längst die kulturpolitische Agenda übernommen haben. Sie wissen immerhin, wie es geht, das „Publikum“ zu animieren und auf ihre Seite zuziehen.