Moment bitte

Auf Opfern.

Wir lassen uns im Krankenstand Vokabeltests nach Hause bringen, korrigieren im Papamonat Schularbeiten und in der Karenz „vorwissenschaftliche Arbeiten“. Warum? Einerseits, um die Überlastung unserer Kolleg*innen vorzubeugen. Andererseits, damit Schüler*innen Feedback und Noten erhalten. Und überhaupt: Wer sollte es sonst machen? Springer*innen oder Ersatzlehrkräfte sind in der dünnen Personaldecke nicht vorgesehen. Auszeiten, Erholungsphasen und die Annahme von in Sozialversicherung und Dienstrecht geregelten Ansprüchen gehen oft zu Lasten anderer, auch wenn Ferienwochen Ausgleich schaffen.
Zum guten Ton gehört es in vielen pädagogischen Kaffeeküchen, über die Arbeitsbelastung, am Wochenende eingelegte Korrekturschichten oder nächtelange Unterrichtsplanungen und Projektvorbereitungen zu klagen – manchmal sogar angestoßen von Führungspersonen, die ihrem Team die eigene Aufopferung vorhalten und diese von ihnen auch einfordern.
Damit das Kartenhaus nicht zusammenfällt, wird in einem solchen Klima erwartet, dass man auch mit Grippe Prüfungstermine einhält. Wer nicht mitspielt, sondern klar und deutlich „Nein“ sagt, ist die Ausnahme. Wer auf die eigene Gesundheit schaut und sich deshalb abgrenzt, wird zum Stoff für den Kaffeetratsch. Hat man noch dazu einen befristeten Vertrag – was bis zu fünf Jahre lang der Fall sein kann –, steht womöglich die Zukunft am Schulstandort auf dem Spiel. Wer seine persönliche Tages- und Wochenendfreizeit für die Regeneration nutzt und in diesem Zeitraum keine E-Mails beantwortet, gilt weniger als Vor- denn als Feindbild.
Dabei bringen gerade diese Kolleg*innen zu Wochenbeginn frischen Wind in Klassen- und Lehrer*innenzimmer, denn sie wissen, dass für sich zu sorgen die Voraussetzung dafür ist, für andere Sorge zu tragen. Und aus Führungssicht wären diese Mitarbeitenden stabile Teammitglieder, weil sie kalkulierbar sind und weniger Gefahr laufen, Frust anzuhäufen oder sogar plötzlich und womöglich längerfristig wegzubrechen.
Viel zu sehr sind Bildungseinrichtungen „auf Opfern“ gebaut, die Erwartungen an pädagogische Fachkräfte überzogen. Eine gesunde Arbeitshaltung, die die Motivation am Beruf aufrechterhält, sollte uns Vorbild sein.

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