Der feministische Generationenkonflikt ist eine Lüge

In frauenpolitischen Debatten wird nur zu gerne versucht, verschiedene Generationen von Feminist*innen gegeneinander auszuspielen. Meist von Außenstehenden. Dabei liegt der Konflikt ganz woanders. Eine Analyse mithilfe des Frauenvolksbegehrens.

Das Frauenvolksbegehren 2.0 hat nach Ende der Eintragungswoche Anfang Oktober knapp eine halbe Million Unterstützer*innen mobilisiert. Es war ein langer Kampf. Es gab jede Menge Kritik. Rechten und Liberalen war der Forderungskatalog selbstverständlich zu links, Linken war er noch lange nicht links genug. Argumentiert wurde von Mitte bis Rechts etwa, dass die vorherige Generation von Feminist*innen noch für wahre frauenpolitische Anliegen gekämpft hätte und Frauen heute ohnehin alle Rechte hätten, die sie haben könnten. Alles weitere wären Privilegien. Diese zu fordern schade nur dem großen feministischen Anliegen, welches – geht es nach deren Logik – von nicht-feministischen Kräften festgesetzt wird.

Ein politischer Konflikt wie jeder andere

Behauptungen wie diese sollen feministische Gruppen nicht nur spalten und schwächen, sie sind Teil einer ganz bewusst eingesetzten Derailing-Strategie, mit der versucht wird, von eigentlichen Themen abzulenken und den Fokus der Diskussionen in eine inhaltlich völlig unerhebliche Richtung zu drängen. Oft nur, um dann stolz verkünden zu können, dass sich der moderne Feminismus selbst zerfleischen würde. Das hören dezidiert antifeministische Kreise besonders gern, aber auch sogenannte liberale Feminist*innen sehen darin ihre Chance, sich als die wahren Verfechter*innen des Kampfes um Gleichstellung zu inszenieren, der für sie innerhalb patriarchaler und kapitalistischer Gesellschaftsstrukturen seinen Platz hat. Feminismus müsse nämlich nicht links sein. Und genau hier liegt der oben angesprochene Konflikt. In der politischen Überzeugung, in der Weltanschauung. Wenn Feminist*innen oder zumindest jene, die sich selbst als solche begreifen, streiten, tun sie das, weil sie aus unterschiedlichen politischen Lagern kommen und nicht, weil sie aus unterschiedlichen Generationen kommen. Es ist ein politischer Konflikt wie jeder andere.

Da es dabei aber um Frauenpolitik geht, greifen lange überholte Geschlechterstereotypen wie etwa jene der “Stutenbissigkeit” und des spezifisch weiblichen Konkurrenzdenkens. Diese sind leider nicht grundsätzlich falsch, schließlich werden Frauen in einer Gesellschaft sozialisiert, in der sie andere Frauen als Konkurrent*innen und nicht als Mitstreiter*innen betrachten müssen, um (nicht nur) wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Das sind jedoch keine naturgegebenen Eigenschaften, sondern angelernte Ideen und Konzepte, die den Kapitalismus am Laufen erhalten sollen. Ein wesentlicher Teil davon ist eben die Erzählung, dass verschiedene Generationen von Frauen miteinander im Clinch stehen, da sie zum Beispiel um die romantische Ressource Mann – diese Erzählungen sind selbstverständlich hochgradig heteronormativ – wetteifern. So wie um Jobs, um Anerkennung und schließlich um die feministische Deutungshoheit.

Feminismus im Kapitalismus?

Es geht in Wahrheit um nichts Geringeres als die Befürwortung oder die Ablehnung des kapitalistischen Systems. Liberaler Feminismus integriert seine feministischen Anliegen in dieses System. Er ordnet sie ihm sogar unter. Intersektionaler Feminismus, der Kategorien wie Klasse, Ethnizität, sexuelle Orientierung und Identität mitdenkt und verschränkt, tut das nicht. Im Gegenteil, er bekämpft das System im besten Fall, da es ein für die große Mehrheit ausschließendes und unterdrückendes ist. Er will das gute Leben für alle, während liberaler Feminismus das gute Leben für ausschließlich jene will, die Leistung bringen (können). Er individualisiert somit strukturelle Probleme und Barrieren.

Wenig überraschend haben sich Rechte, Konservative und Liberale also damit geschmückt, das Frauenvolksbegehren nicht zu unterstützen. Warum? Weil eine der grundlegenden Forderungen die Einführung der 30-Stunden-Woche ist. Utopisch? Natürlich. Vor allem in Anbetracht der aktuellen politischen Situation und der kürzlich beschlossenen 60-Stunden-Woche. Ein feministisches Anliegen? Absolut. Schließlich sind es nach wie vor Frauen, die den Großteil der unbezahlten Sorge- und Hausarbeit stemmen und deshalb in nicht existenzsichernden Teilzeitjobs arbeiten und so einfacher und häufiger in Abhängigkeitsverhältnisse schlittern. Für jene, die sich dem Leistungsgedanken verpflichtet haben, ein unverzeihlicher Affront. Dass Frauen ökonomisch grundsätzlich schlechter dastehen, ist zwar auch ihnen nicht unbekannt, entsprechende Lösungen für das Problem kommen von ihrer Seite allerdings nicht. Wobei der Ausbau der Kinderbetreuung durchaus immer wieder Thema ist, schließlich können dann alle noch mehr arbeiten und noch mehr Leistung bringen, wenn die Kinder nicht zuhause sind.

Vielleicht ist es das Internet

Die Aktivist*innen des Frauenvolksbegehrens haben stets versucht, ihre Anliegen möglichst intersektional aufzubereiten und trotzdem noch Unterstützer*innen aus der Mitte abzuholen, denn ohne sie hätten sie wohl nicht genug Unterschriften sammeln können. Den Konflikt mit den liberalen Feminist*innen, die sogar offen gegen das Frauenvolksbegehren mobilisiert haben, haben sie klarerweise mitbekommen, einen, der sich als Generationenkonflikt zusammenfassen ließe, jedoch nicht. Im Gegenteil. Frauen, die sich schon vor 20 oder 50 Jahren inbrünstig für Geschlechtergerechtigkeit eingesetzt hatten, taten es auch dieses Mal. Und werden es auch das nächste Mal wieder tun. Intersektionaler Feminismus denkt schließlich auch die Kategorie Alter mit. Auch und gerade ältere Feminist*innen wissen, dass es trotz der theoretisch festgelegten Gleichberechtigung in der alltäglichen Praxis und in der gesellschaftlichen Kultur noch jede Menge Ungerechtigkeit zu bekämpfen gibt.

Es gibt also keinen feministischen Generationenkonflikt. Wer einen solchen herbei fantasiert, hat entweder keine Ahnung oder will ganz bewusst Unruhe stiften. Die einzig vorstellbare Skepsis in Bezug auf feministischen Aktivismus wäre vielleicht jene gegenüber dem Netzfeminismus. Aber das hat mit Internet und Social Media und nicht mit Feminismus zu tun. Hätten wir das also auch geklärt.

Schön wäre es.

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