Überwachen und Strafen

Stefan Haslinger stellt ein Projekt des Preisträgers k.u.u.g.e.l. vor

 

„Das Gefängnis muß ein erschöpfender Disziplinarapparat sein nach Baltard. Einmal muß es sämtliche Aspekte des Individuums erfassen: seine physische Dressur, seine Arbeitseignung, sein alltägliches Verhalten, seine moralische Einstellung, seine Anlagen.“ Das Gefängnis als Begrifflichkeit des geschlossenen Raums, kann durchaus als obsolet betrachtet werden, vor allem dann, wenn es – Foucaults‘ Gedanken verfolgend – darum geht „sämtliche Aspekte des Individuums zu erfassen“. Hier greifen seit langem schon andere Mechanismen, abseits der definierten Strafanstalten.

Diese Überlegungen waren sicherlich mit ein Ausgangspunkt für die Reihe „re:control“ des Innsbrucker K.u.u.g.e.l. – Kollektivs, und für die nun vorliegende Dokumentation bzw. den Sammelband „Bildverbot“. Es hat etwas tendenziell Paranoiaförderndes, könnte angenommen werden, immer wieder auf die allgegenwärtige, und damit potentiell Gefahr suggerierende, Überwachung aufmerksam gemacht zu werden. Denn beschützt muss werden, was in Gefahr ist. Der Ansatz des K.u.u.g.e.l – Kollektivs ist ein anderer. Vielmehr versuchen die Menschen von K.u.u.g.e.l das Thema der Überwachung aus dem Paranoia-Kontext zu reißen und es von mehrerern Seiten zu beleuchten. Zwar beginnt der Band mit einem etwas ermüdenden Text von Roland Steinacher zur historischen Entwicklung der Überwachung, was aber dem nachfolgenden Lesegenuss keinen Abbruch tut. Der Facettenreichtum, welcher den Rahmen für die Auseinandersetzung mit der Thematik bildet, reicht von der Forderung nach Privatsphäre über die Kontrolle von Bewegungen in der mobilisierten Gesellschaft bis hin zur Feminisierung und der damit verbundenen Privatisierung der Öffentlichekeit.

Doch! Bildverbot hinterlässt auch ein wenig schalen Nachgeschmack, der immer dann vorherrscht, wenn ins Bewusstsein dringt, dass einem eine überbordende Übermacht gegenübersteht. Zwischen der theoretischen Rezeption und der „Alltäglichkeit“ öffnet sich der Graben, welcher nach Überbrückungsmöglichkeiten schreit.

Mit der Frage konfrontiert, ob es das Ziel von „Bildverbot“ war den Status-Quo des gegenwärtigen „Überwachungsdiskurses“ zu dokumentieren, ohne den Blick auf etwaige Gegenstrategien zu lenken, antwortet das K.u.u.g.e.l – Kollektiv: „Der Sammelband „Bildverbot“ versteht sich nicht als Anleitung zur Widerständigkeit, sondern er versucht, die Grundlagen der Kritik am – grundsätzlich sehr unübersichtlichen und in zahllosen Gesellschaftsbereichen wirksamen – Überwachungskomplex kompakt und anschaulich darzustellen. Strategisches Operieren gegen Überwachung muss auf den jeweiligen Bereich, in dem sie stattfindet, angepasst und kann nicht in Form eines Patentrezepts zur Anwendung empfohlen werden.“

Wenn also „Bildverbot“ kein Patentrezept-Kochbuch darstellt, so ist es doch so etwas wie eine notwendige Erweiterung zum Überwachungsdiskurs, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass den „technischen“ Details erstaunlich wenig Platz eingeräumt ist, wohl auch im Wissen, dass das andernorts zuhauf geschehen ist und geschieht.

Doch wenn die Frage noch einmal erlaubt sein sollte: Wohin damit?, sei abschliessend aus dem Text von Sylvia Riedmann „Crusading for the safety of the world“ aus voliegendem Band zitiert: „Erst wenn Sicherheit nicht mehr den Ausschluss nicht norm-gerechter sozialer Gruppen in sich trägt, wenn sie nicht mehr im Kontext einer – durch den Neoliberalismus auf noch weitere soziale Bereiche vorangetriebenen – ursprünglichen Akkumulation erscheint, wenn sie nicht mehr die Untergrabung demokratischer Grundrechte bedingt, ist der Frage der Überwachung beizukommen.“

Bildverbot K.u.u.g.e.l (Hg.) Triton Verlag 180 Seiten ISBN 3-85486-183-4

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