Der 17. Dezember wurde ursprünglich als Gedenktag für die Opfer des „Green River“-Mörders begangen, der in den 1980er und 1990er Jahren in den USA über 90 Frauen ermordete. Die meisten der Opfer waren Sexarbeiterinnen und es dauerte 20 Jahre, bis der Mörder verurteilt wurde. Seit 2003 wird der 17. Dezember mit Demonstrationen, Gedenkveranstaltungen und Mahnwachen weltweit als Aktionstag begangen, um auf die Gewaltverbrechen aufmerksam zu machen, die gegenüber SexarbeiterInnen begangen werden und durch die Stigmatisierung und Kriminalisierung von SexarbeiterInnen verstärkt werden.In OÖ macht sich vor allem die KUPF-Mitgliedsinitiative maiz stark für die Rechte von Sexarbeiter_innen.
Aus der aktuellen Stellungnahme von maiz (17.12.15):
Gewalt gegen Sexarbeiter_innen manifestiert sich in unterschiedlichsten Formen. In medialen und öffentlichen Debatten stehen meist physische und psychische Gewalterfahrungen, die Sexarbeiter_innen erleben, im Vordergrund. Kaum thematisiert wird hingegen die strukturelle Gewalt, die andere Formen von Gewalt oftmals erst ermöglicht:
*Wie sieht die Realität für jene Frauen* aus, die eigenverantwortlich diese Tätigkeit ausüben wollen? Von welchen Formen der Gewalt sind sie betroffen?*
Doppelmoral: Aktuelle Ereignisse wie der Erlass des Finanzministeriums zur Besteuerung von Sexdienstleistungen sowie immer wiederkehrende, stark moralisch und emotional geführte Debatten zu einem etwaigen Sex-Kauf-Verbot zeigen, dass es nicht primär um den Schutz und die Selbstbestimmung der betroffenen Personen geht.
*Strukturelle Gewalt*: Arbeitsrechtlich gesehen ist die Erbringung von Sexdienstleistungen kein Beruf. Sexarbeiter_innen sind aber verpflichtet Lohnsteuer aus der Sexdienstleistung zu zahlen. War bei der Einführung der neuen steuerlichen Bemessung von Sexarbeit (Frühjahr 2014) geplant, Sexarbeiter_innen zu befragen, so ist dies nie geschehen. Durch eine Bordellüberprüfung, die von der Finanzpolizei durchgeführt wird, soll festgelegt werden, ob die dort beschäftigten Sexarbeiter_innen auf selbständiger oder unselbständiger Basis arbeiten. Durch diese Nicht-Involvierung von Sexarbeiter_innen wird Transparenz und Einsicht in sie betreffende Entscheidungen verhindert.
*Diskriminierung*: Alle Menschen haben das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl und auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen. Sexarbeiter_innen werden oft durch z. B. übermäßig hohe Mietpreise ausgebeutet und diskriminiert, nur weil es sich dabei um Arbeitsorte handelt, an denen Sexdienstleistungen angeboten werden.
*Stigmatisierung*: Österreich ist neben Griechenland das einzige Land in Europa in dem es noch verpflichtende Kontrolluntersuchungen gibt. Diese, seit 1945 gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen, dienen vorgeblich der Prävention und Erhaltung der öffentlichen Gesundheit. Sie werden nicht mit dem Ziel durchgeführt, die Gesundheit der Sexarbeiter_innen zu erhalten und ihre Rechte zu schützen. Wir sehen diese als eine Form der Diskriminierung und Stigmatisierung und somit Teil der strukturellen Gewalt.
Wir verurteilen jede Form von Gewalt gegen Sexarbeiter_innen und fordern mehr Rechte. Angemessene und sichere Rahmenbedingungen zur Ausübung von Sexarbeit, die zum Schutz der Sexarbeiter_innen dienen, müssen im Fokus von Veränderungen sein.
Anstatt über Sexarbeit zu diskutieren, müssen Sexarbeiter_innen als Expert_innen wahrgenommen und als solche in Entscheidungen miteinbezogen werden. Sonst sind alle Versuche politische Regelungen zu treffen diskriminierend und stigmatisierend. Lösungen, die angeblich zur Verbesserung der Situation von Sexarbeiter_innen angestrebt werden und die Sexarbeiter_innen gleichzeitig entmündigen, sind keine guten Lösungen für Sexarbeiter_innen und führen zur Verschlechterung ihrer sozialen und gesellschaftlichen Situation.
*Diese Pressemitteilung wird getragen von*:
Sexworker.at / Selbstorganisation von SexarbeiterInnen, maiz – Autonomes Zentrum von und für Migrantinnen (Linz), LEFÖ – Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen (Wien), PiA / Projekt für Sexarbeiterinnen (Salzburg), SXA-Info (Graz), iBUS – Innsbrucker Beratung und Unterstützung für Sexarbeiterinnen