Rechter Humor gewinnt an Aufwind. Warum das Anlass zur Sorge geben sollte. Von Yumi Kirschbaum.
Wie viel reaktionäre Sorglosigkeit sich in Humor offenbaren kann, hat zuletzt vermutlich am eingängigsten Monika Gruber vorgeführt. Zuletzt war es die Kabarettistin aus Bayern, die mit rassistischen „Witzen“ in ihrem Buch Willkommen im falschen Film auffiel und nicht nur die wohl kalkulierten Lacher ihres Stammpublikums einsammelte, sondern auch einen Sturm harter öffentlicher Kritik auslöste. „Satire duldet weder Zensur, noch erfordert sie eine Entschuldigung“, ließ sie dann – wenig überraschend – über ihren Anwalt in sämtlichen Medien ausrichten. Ihre Satire werde bewusst missverstanden, meinte sie, Satire dürfe überspitzen, ins Lächerliche ziehen, anprangern und damit erst recht öffentlich geäußerten Positionen den Spiegel vorhalten. Wer das nicht ertrage, solle den Diskurs meiden.
So einfach ist das also
So einfach wie gewöhnlich lässt sich Entgrenzung, lässt sich Entbindung von sämtlicher Selbstreflexion, sozialen Fürsorgepflichten herbeierklären. Meiden Sie den Diskurs, wenn meine Angriffe Ihnen nicht passen, wenn Sie nicht über Ihre Verletzung lachen können – meiden Sie den Diskurs! Ein plädoyerhafter Imperativ, der wie ein perfor- mativer Widerspruch wirkt und erfolgreich davor schützt, sich gesellschaftlichen Grenzverhandlungen und Kritik stellen oder die eigene Kritikfähigkeit hinterfragen zu müssen; den beliebten zitierten Spiegel als Spiegel zu verstehen, der sich ihr auch selbst vorhält, sie sich vorhalten lassen muss.
Es ist ein durch und durch bekanntes, fast schon langweiliges reaktives Muster, das im Zuge des Satirediskurses immer wieder reflexhaft aus dem argumentativen Hut gezogen wird und einer orchestrierten Verschiebung ins Private, einer Individualisierung von Nebenwirkung und Fürsorge gleichkommt. Immer wieder und vorhersehbar von jenen, die an ihren Anfeindungen gegenüber Marginalisierten programmatisch kleben geblieben sind, die mit dem Strom der aktuellen Windrichtung nach rechts drehen. Monika Gruber reiht sich in eine sich stetig und über nationale Grenzen hinaus verlängernde Schlange von Kabarettist:innen, Satiriker:innen und Kolumnist:innen ein, deren Gemeinsamkeit es zumindest ist, die Unbeweglichkeit ihrer Witze gedankenlos zu feiern und sich so als zuverlässige Figuren ihrem Publikum anzubiedern.
Der Zweck von Satire
Die immer wieder bemühte Frage, was Satire darf, ist deshalb auch völlig deplatziert. Nicht in erster Linie, weil sie über die Jahre schlecht gealtert ist, nicht, weil sie immer (nur) dann bloß rhetorisch gestellt wird, wenn sich unangenehmer Widerstand regt, sondern zuvorderst, weil sie sich in der rundum ideologischen Ausrichtung rechter Satire bereits selbst beantwortet: Die Grenze des Dürfens beginnt klar dort, wo sich Ideologie als Humor tarnt, die sich durch das Immergleiche, durch Häufung selbst entlarvt. Durch konsequentes, vorhersehbares Treten auf systematisch, strukturell Unterdrückte – oder um es klassistisch auszudrücken: durch den Tritt nach unten. Die Humordramaturgie rechter Agitator*innen spannt sich ersichtlich über die immerselben Protagonist*innen: Migrant*innen, Geflüchtete, als Frauen gelesene oder queere Personen, und unterläuft dabei gezielt den progressiven Ursprungszweck von Satire, das konsequente Nach-oben-Zeigen, Lachen, das Kritisieren und Bespiegeln Mächtiger – und allem Zeitlichen. Man könnte vielleicht sogar sagen, ihre ureigentliche Wokeness, die nichts anderes ist, als Veränderung mitzudenken.
Bizarrerweise verkaufen sich Humorideolog*innen dabei nicht selten selbst als Unterdrückte, die „nichts mehr sagen dürfen“, während die Realität ihrer medialen Reichweite ihnen – fast satirisch komisch – widerspricht.
Wie sorglos rechter Humor ist
Dass rechter Humor so gar nichts Defensives, Harmloses ist, dass er Strategie hat, lässt sich auch daran erkennen, dass man den einen oder anderen der Satiriker*innen auch auf Demos gegen „Wokeness“ findet, in von Rechts besetzten Bierzelten oder auf Kanälen, die gezielt Fake News verbreiten, mit dem Ziel der Aufhussung zu Häme und Hass und der Einschleusung rechter Deutungshoheiten in den politmedialen Mainstream. Die kalkulierte Anstiftung zur Sorglosigkeit mag dabei als Nebengeräusch erscheinen, übersetzt sich aber umso lauter als Entwertung jener, die real weit mehr Sorgen haben und meist gleichzeitig jene sind, die die meiste Sorgearbeit tragen müssen: Alleinerzieher*innen, Reinigungskräfte, Pädagog*innen und Menschen in der Pflege. Der rechte Witz wirkt besonders hier in seiner Kurzsichtigkeit fast stümperhaft, wie eine Einwilligung in die Ausblendung auch ihrer eigenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als gleich verwundbare, sorgebedürftige Wesen, deren Privilegien vergänglich sind wie ihre Körper.
Diese Einsicht ließe die rechte „Ideologie der Stärke“ aber genau so wenig zu wie einen gelungenen Witz. Oder waren sie jemals lustig? „Die US-Politikwissenschaftlerin Alison Dagnes hat den Mangel an konservativem Humor in den USA analysiert, und sie sagt: Um gute Witze hinzubekommen, muss man sich selbst fürs Publikum verletzbar und angreifbar machen“, schreibt Till Raether im SZ-Magazin, als er nach den Gründen der Humorlosigkeit konservativer Humorist*innen suchte.„Humor funktioniert am besten, wenn er aus einer Position der Schwäche kommt, wenn der Witz gemacht wird, um sich gegen einen Stärkeren zu wehren. Nicht, um sich über einen Schwächeren lustig zu machen.“
Nachdenken heißt Sorge tragen
Humor, der lachen lässt, kommt somit nicht umhin, Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu bemerken. Nachzudenken, immer wieder zu reflektieren, heißt Sorge zu tragen. Eine Art von Sorge, die bereit ist, sich Ungewissheiten, kritischen Fragen auszusetzen, die Zeitliches mitdenken. Die auch im Verstand erreicht, anspitzt und dafür sorgt, dass wir Grenzen so überschreiten, dass wir zivilisatorisch nicht stagnieren oder regressieren, unsere Wahrnehmungen anreichern, vor allem mit Perspektiven Marginalisierter, die uns erspart geblieben sind. Uns weiterbewegend als Menschen, als Gesellschaft hin zu einer Gewissheit des Miteinanderverbundenseins und -bleibens.