Algen — Grüne Kunst

Wenn von der Klimakrise die Rede ist, kommt häufig auch die Farbe Grün vor. Egal ob grüne Energie, grüne Partei oder grüner Lifestyle. Auch viele Künstler*innen beschäftigen sich mit „grünen“ Materialien. Lena Vogl berichtet über einen besonders jungen Zweig: die Arbeit mit Algen in der Kunst und als klimafreundliche Nahrungsmittelalternative.

Mittlerweile in weiten Teilen der Welt bekannt, ist die Nori-Alge, die bei Sushi und Maki außen um den Inhalt gewickelt wird. Vegetarier*innen oder Veganer*innen kennen vielleicht Eisen- und Vitamin-B12-haltige Algenpräparate. Doch Algen haben weitaus mehr zu bieten. Suppe, Tee oder Wein können aus ihnen hergestellt werden. Und auch in der Kunst sind Algen zu finden. Unterschieden wird zwischen Makro- und Mikroalgen. Erstere haben die Gestalt von Pflanzen, während letztere mit freiem Auge nur an der grünlichen Färbung des Wassers zu erkennen sind.

Skulpturen und Historisches
Julia Lohmann, Professorin für zeitgenössische Kunst an der Universität Aalto in Finnland, integriert Makroalgen in ihre Arbeit. Eigens dafür rief sie 2013 das Department of Seaweed ins Leben. In Lohmanns bekanntestem Werk Oki Naganode wurden kleine Holz- und Aluminiumteile über die Blätter der japanischen Alge Naga gestreckt. Das grüne, röhrenartige Gebilde befindet sich seit 2013 im Victoria and Albert Museum in London. Auch historisch gesehen tauchen Algen in Verbindung mit Kunst auf. Der Dichter Bashō verfasste im 17. Jahrhundert Haikus, die sich um Algensammler*innen sowie die Weiterverarbeitung von Meeresalgen in Japan drehen. Oder Anna Atkins, die sich im 19. Jahrhundert mit der Fotografie von Algen beschäftigte und deren schwebenden Charakter auf Papier einfing. Mit ihren Zyanotypien (Blaudrucken) entwickelte Atkins das erste Fotobuch der Welt.

Textile Kunst
Das Stricken mit Wolle aus Algen könnte in Kunst und Alltag möglicherweise bald verbreitet sein. Bereits einige Hersteller*innen bieten ein Garn aus SeaCell-Fasern an, einer Mischung aus Zellulose und getrocknetem Seetang. Während dabei noch eine industrielle Verarbeitung der Wolle notwendig ist, können beim Filzen auch Algen aus dem eigenen Gartenteich verarbeitet werden. Dabei werden die Algenfasern ähnlich wie bei der Papierherstellung durch einen Holzrahmen abgeschöpft und anschließend getrocknet. Alternativ können die Algen auch auf den Rahmen aufgelegt werden. Wichtig ist, dass die unterschiedlichen Ebenen der Fasern ineinander übergehen. Das entstandene Material kann in unterschiedlichen Stärken angefertigt werden und fühlt sich tatsächlich filzähnlich an. Die Textur ist vergleichbar mit der eines Taschentuchs und verhält sich überraschend stabil. Einzig der Geruch des Materials könnte so manche Algenschöpfer*innen abschrecken.

Algen als klimafreundliche Nahrungsmittelalternative
Mittlerweile sind einige Mikroalgen, die als Nahrungsergänzungsmittel dienen, weltweit erhältlich. Besonders die Arten Spirulina und Chlorella stehen aufgrund ihres Eisen- und Vitamin-B-12-Gehalts hoch im Kurs. Meist werden sie als Pulver oder Tabletten verkauft. Wenn man dazu bereit ist, etwas mehr Aufwand hineinzustecken, kann man eine Spirulina- oder Chlorellakultur selbst auf der Fensterbank züchten. Benötigt werden dazu ein Glasbehälter, eine Lebendkultur, Nährstoffmischungen, Filterpapier und eventuell eine Aquarium-Luftpumpe. Besonders am Anfang bean- sprucht die Kultur sehr viel Aufmerksamkeit. Parameter wie Lichteinstrahlung, Temperatur, Konzentration und pH-Wert müssen täglich überprüft und abgestimmt werden. Das Wachstum passt sich den Umständen entsprechend an. Bei optimalen Verhältnissen kann bei einer 7-Liter-Kultur ca. alle zwei Monate ungefähr ein Drittel der Algen geerntet werden. Frisch zubereitet ist übrigens der in verarbeiteten Produkten häufig intensive Eigengeschmack deutlich milder.

Algen haben eine ähnliche Nährstoffzusammensetzung wie Fleisch, schneiden aber in industrieller Produktion sowohl in Bezug auf Nachhaltigkeit als auch auf Inhaltsstoffe besser ab. Der Energieertrag fällt höher und der Wasserverbrauch geringer aus. Auch der Gehalt von Vitaminen, Mineral- und Nährstoffen liegt bei Algen deutlich höher. Theoretisch könnten durch Algen 167-mal mehr Menschen ernährt werden als durch Fleisch. Die Fleischindustrie hat das Problem, dass für die Produktion tonnenweise sogenannte primäre Nahrungsmittel notwendig sind, um die Tiere zu ihrem Schlachtgewicht hochzufüttern. Weil primäre Nahrungsmittel wie Getreide oder Kartoffeln auch so verzehrt werden können, schneidet Fleisch in Nachhaltigkeitsvergleichen schlechter als Pflanzen ab.

Abbildung: Die Mikroalgen Spirulina und Chlorella unter dem Mikroskop. Foto: Lena Vogl

Buchtipp: Überblick über den kulturellen Einfluss von Algen in verschiedensten Teilen der Welt
Miek Zwamborn, Algen. Ein Portrait, mit Illustrationen von Falk Nordmann, übersetzt von Bettina Bach, Matthes & Seitz 2019, 168 Seiten.

Open Source-Projekt mit Anleitungen zur eigenen Algenzucht:
→ spirulinasociety.org

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