Vom Unbehagen in der Witzkultur

Humor ist nicht gleich Witz. Komödien, die von Humor getragen werden, sind wunderbar. Wir lächeln und lachen, damit wir nicht weinen. „Im Humor ist das Traurige aufgehoben, ohne zu triefen”, sagt George Tabori, für mich der Großmeister des Humors. In Taboris Farce „Mein Kampf“ kümmert sich der Jude Schlomo Herzl um den mittellosen Maler Hitler. Wir wissen, wie die Geschichte ausgehen wird. Uns ist bekannt, dass sich Schlomos Schützling nicht dankbar zeigen wird, wir wissen, dass Hitler, zusammen mit vielen anderen, Millionen Jüd*innen ermorden wird. Und wir lachen bitterlich über Schlomos Bemühen, ihn auf einen guten Weg zu bringen, auch über den Kampf des kleinen Mannes aus Braunau mit sich selbst. In beiden erkennen wir uns.

Im Gegensatz zum Humor gehört der Witz zu den wichtigsten Zutaten jener Stücke, die mich verlässlich verstimmen. Ich nenne sie hier der Einfachheit halber die „kalten Komödien”. Sie sind auf dem dramaturgischen Reißbrett entworfen, sorgen kunstlos für Gelächter und werden mit den immergleichen Begriffen beworben: „Fulminante Verwechslungskomödie”, „Angriff auf die Lachmuskulatur”, „zwerchfellerschütternd”. Der Witz operiert in den „kalten Komödien” auf seinem Weg zur Pointe immer gleich. Bewaffnet mit den Werkzeugen Doppelsinn und Andeutung, Lapsus und Missverständnis, legt er peinliche Wahrheiten frei, die dann jäh ans Licht der Welt krachen. Gelacht wird, weil die Komödienfigur überführt wird: die Rechtschaffene der Lüge, die Pazifist*in der Wut, die Spießer*in der Lüsternheit. Und weil die Figuren in der „kalten Komödie” von Beginn an bis zur Unmenschlichkeit überzeichnet sind, bleibt unser Lachen mitleidlos. In den lüsternen, lügenden Figuren, die sich treppauf-treppab zu Deppen machen, erkennen wir nicht mehr uns selbst. Die lachen wir nur aus. Das Zwerchfell wird erschüttert, das Gemüt nicht bewegt.


Unter Verwendung von:  

Axel Schmitt: Scherz und Schmerz. George Taboris „Mein Kampf“ als Hörspiel, Online auf literaturkritik.de/id/5825

Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, Fischer Taschenbuchverlag, 2009

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