Von der prekären Kultur zur Gestaltungskultur

Standortpolitische Überlegungen zur initiativen Kulturarbeit

Die Zukunftsakademie ist eine Einrichtung der oö Landesverwaltung, die sich als Think-Tank und Impulsgeber des Landes Oö versteht. Anlässlich des zunehmenden Brain Drains — jedes Jahr verlassen 2000 junge Menschen Oberösterreich Richtung Wien — hat die Zukunfts akademie eine Studie zu dieser Abwanderung beim sozialwissenschaftlichen Institut LiquA in Auftrag gegeben. Diese wurde im Oktober 2013 von LH Pühringer präsentiert. Aufgrund der kulturpolitischen Implikationen hat die KUPFzeitung den jungen Sozialwissenschafter Alexander Staufer, Mitautor der Studie, um seine Interpretation der für den Kulturbetrieb r elevanten Studienergebnisse gebeten.

 

Blitzlicht aus der Studie:

Gründer Translation Wien ist mit 70.000 Oberösterreichern die «zweitgrößte Vor-Stadt» von Oberösterreich. Die Gründe warum viele junge OberösterreicherInnen zwischen 18 und 25 Jahren nach Wien gehen, sind vielfältig, jedoch ist der Studienbeginn der Hauptfaktor für den Ortswechsel. 68 % der Befragten gaben dies an. Danach kommen die Perspektiven für Beruf und Einkommen und bereits an dritter Stelle das kulturelle Angebot.

64 % der Befragten gaben an, dass sie auch dauerhaft in Wien bleiben wollen. Gründe für den Verbleib sind vor allem die bessere Berufssituation bzw. Berufsperspektiven und das soziale Umfeld. Von den 17 % der StudienteilnehmerInnen, welche nach Oö zurück kommen wollen, geben 39 % als Grund die Verbundenheit mit der Region an, 30 % die Familiengründung, 19 % den Hausbau oder Wohnungskauf: «Dahoam is dahoam».

 

Was lässt sich für den Kulturbereich ableiten?

Perspektiven für Ausbildung und Beruf sind entscheidend, ob man in einer Region verbleibt oder wieder zurückkommt. Wenn dies nicht der Fall ist, dann hilft auch das kulturelle Angebot wenig. Kulturelles Angebot im klassischen Sinne der Unterhaltung ist erst wichtig, wenn man beruflich und privat etabliert ist. Immer wichtiger werden jedoch kulturelle Entfaltungs- und Entwicklungsräume, und gerade im ländlichen Raum ermöglichen diese zunehmend frische Impulse (Stichwort: Enabling Culture). Deshalb ist es für die Altersgruppe der 16 – 25 Jährigen notwendig, genau diese Angebote und Räume der kulturellen Betätigung, um Perspektiven vor Ort zu entwickeln.

 

Einzementierte kulturstrukturelle Maßnahmen helfen hier wenig …

Das neue Musiktheater erreicht Jugendliche und junge Erwachsene etwa in Vöcklabruck nicht. Hier können Kulturinitiativen und eine lebendige Jugendkultur viel dazu beitragen, dass sich junge Menschen mit neuen Lebensmodellen entfalten können und sich einen Lebensmittelpunkt vor Ort sehen und schaffen.

Gerade auch im Kulturbereich haben sich an der Schnittstelle von Kunst, Entfaltung, Experiment, Technik und Arbeit neue Modelle entwickelt. Als Best Practice kann man hier die Otelos nennen, welche diese neuen Lebensentwürfe schon zum Arbeitsprogramm gemacht haben. Neue Tätigkeiten und Entrepreneurships ermöglichen es, einer Region neues Flair und Selbstverständnis zu geben. Diese entstehenden und entstandenen lebendigen Gruppen machen das regelmäßige Zurückkehren auch von in Wien lebenden Freundeskreisen wieder interessanter. Sie stärken die Bindungen und führen so auch wieder zum dauerhaften Niederlassen in der Region, also zu einem Brain Gain. Kultur ist demnach nicht nur ein weicher Standortfaktor, sondern eine harte Standortentwicklerin.

 

Kultur als Wertschöpfungsfaktor

Was heute unter Creative Communities läuft, findet sich meist sehr nahe am Kunst- und Kulturbereich und einem neuen kreativen, sozialen oder nachhaltigen Entrepreneurship. Was Otelo und andere Kulturinitiativen im ländlichen Bereich praktizieren, kann die Tabakfabrik in Linz für den urbanen Raum werden. Es sind Räume, wo Neues probiert, experimentiert und gelebt werden kann; wo eine gesunde Vielfalt an Zukunftsentwürfen erprobt und in Wert gesetzt wird. Junger Lebensstil trifft Freizeit, Kultur, Technologie und Arbeit. Genau diese neuen Bilder vom guten, schönen Leben in Oberösterreich sind gefragt und damit Orte, an denen das spürbar ist. Genau hier spielen die zahlreichen Kulturinitiativen in Oö eine tragende Rolle, dazu benötigt es aber ein neues Selbstverständnis: weg von der präkeren Kultur zur Gestaltungskultur.

Wollen Kultuarbeiterinnen die Gesellschaft nachhaltig mitgestalten oder verbleiben sie in einer vertrauten Jammerhaltung ?

Wirtschaft und Politik sind auf der Suche nach Kulturarbeiterinnen, die fähig sind, Neues hervorzubringen oder Bestehendes neu zu interpretieren. Die gegenwärtige Wirtschaft hat sich in einen Export- und Optimierungswahn verlaufen. Genau hier sind Personen gefragt, neue tragfähige Lösungen mit zu entwickeln. Die Nachfrage nach Erneuerungsprozessen, Kreativität und Innovation, wie sie in Kunst und Kultur täglich gelebt werden, nimmt exponential zu. Da können andere Akteurinnen viel lernen und dazu muss sich Kulturarbeit als Wertschöpfungsfaktor begreifen. Dies zwingt dazu, neues Denken abseits ausgetretener Pfade zu kultiviert und die Grenzen in diesem Spiel auszuloten. Diskurse wie «Enabling City» und «Disrupting Business», die gerade im Gange sind, können dabei helfen. Kulturarbeiterinnen sind in diesem Sinne StandortentwicklerInnen.

 

 

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