Nach dem Höhepunkt

Der Kulturentwicklungsplan neu ist veröffentlicht worden. Ohne große Visionen, aber mit vielen konkreten Vorschlägen.

KritikerInnen des KEP neu stehen auf dünnem Eis. Denn alle waren im letzten Jahr eingeladen, mitzudiskutieren und sich als Co-AutorIn einzubringen. Rund 650 Personen nahmen diese Chance wahr und besuchten die sieben «Visions- und Zielfindungsworkshops », den abschließenden Maßnahmenworkshop oder beteiligten sich online am partizipativen Entstehungsprozess des Kulturentwicklungsplan neu der Stadt Linz. Für Kritik – zur Ergänzung der Themen und Maßnahmen, Einbringung alternativer Vorschläge und Anmerkungen zu den Formulierungen – war über ein Jahr Zeit. Bis der KEP neu jetzt, Anfang Februar, präsentiert wurde.

 

Andererseits hat sich der Prozess selbst in den KEP neu eingeschrieben. Das Werk sei manchmal klüger als sein Autor, heißt es. Und in diesem Fall bedeutet klüger wahrscheinlich: diplomatischer. Bei der Lektüre des KEP neu, der nun als Katalog erschienen ist, fallen zwei Charakteristika besonders auf: Erstens, der wohltemperierte Bereich, in dem sich das Spektrum der Ideen für die kulturelle Zukunft der Stadt aufspannt.

 

Zweitens, die Vielzahl konkreter Ideen für kleinere und mittelgroße Handlungsschritte. Also keine großen Visionen, aber viele praktische, direkt umsetzbare Vorschläge. Ein Ergebnis, das man wahrscheinlich direkt auf den partizipativen und katalytischen Prozess, an dem sich vorwiegend PraktikerInnen und Profis beteiligt haben, zurückführen kann. Vielleicht lässt sich diese unaufgeregte Pragmatik auch aus der historischen Perspektive der jüngsten Vergangenheit interpretieren. Wie im einleitenden Kapitel des KEP neu sehr übersichtlich ausgeführt ist, schaut Linz auf eine jahrzehntelange Periode des kulturellen Wachstums zurück, die mit den 70ern begann und mit dem Kulturhauptstadtjahr ihren, wie im KEP neu oft erwähnt wird, «Höhepunkt» fand. Mit der Eröffnung des Musiktheaters und mit Neubau der Anton Bruckner Privatuniversität, «jeweils getragen vom Land Oberösterreich, kommt das infrastrukturelle Ausbauprogramm zu einem vorläufigen Abschluss.» Die Tabakfabrik wird im Text noch als große Chance ins Spiel gebracht, aber im Übrigen scheint, gemäß dieser Einleitung, jetzt eine Zeit erreicht, in der keine großen neuen Investitionen getätigt, sondern die bestehenden Institutionen noch besser genutzt und präsentiert werden sollen.

 

Die Themen und konkreten Maßnahmen, nach denen die Bespielung und Vermittlung ausgerichtet oder verbessert werden sollen, sind in vier Kapitel untergliedert: Chancengleichheit erhöhen, Potenziale fördern, Zugänge schaffen und Stadt öffnen. Jedes Kapitel teilt sich in drei Unterthemen, die sich selbstredend in vielen Bereichen überschneiden. Zentrale Schwerpunktthemen bzw. Leitbilder sind Interkulturalität, Barrierefreiheit, Reflexion des geschichtlichen Erbes der Stadt. Nach jedem Unterkapitel folgt eine Liste mit konkreten Maßnahmen, die sowohl größere Aufgabenstellungen als auch jene Details, in denen manchmal der Teufel steckt, beinhalten. Beispiele für die freie Szene: «Die Stadt Linz installiert ein Fördermodell für noch nicht etablierte Kunst- und Kulturschaffende mit Linz-Bezug und verfolgt den Ausbaus der Förderschiene von Arbeitsstipendien für EinzelkünstlerInnen. » Und ebenso: «Linz Kultur verpflichtet sich zur Bearbeitung von Förderansuchen … innerhalb einer Frist von 3 Monaten.»

 

Im Sinne der besseren Nutzung und Präsentation beziehen sich viele Maßnahmen direkt auf die KonsumentenInnen. Niederschwelligkeit wird großgeschrieben. Kunst- und Kulturvermittlung soll in vielen Bereichen noch stärker und für diverses Zielpublikum angeboten werden. Über manche Strecken liest sich der KEP neu deshalb ein bisschen pädagogisch im Sinne einer Schiller-mäßigen Erziehung des Menschen zur Schönheit. Und bei: «Die städtischen Kultureinrichtungen und Linz Kultur verpflichten sich zum Einsatz einer leicht verständlichen Sprache, insbesondere in der Öffentlichkeits-, Vermittlungs- und Marketingarbeit» entsteht die Frage, wo die kulturelle Demokratisierung die Grenzen einer kulturellen Nivellierung erreichen. Die freie Szene ist mit einem eigenen Unterkapitel bedacht und wird vom KEP neu selbst als Schwerpunkt definiert. Der Maßnahmenkatalog beginnt vielversprechend: «Die Stadt Linz erhöht schrittweise das Budget von Linz Kultur zur Förderung der freien Kunst- und Kulturszene gemäß den im Kulturentwicklungsplan genannten Schwerpunkten. » Aber was das in Zahlen ausgedrückt bedeutet, wird man sehen. Ob endlich mehr Geld da ist, auch für Projekte die nicht spektakelhaft, breitenwirksam oder tourismusrelevant sind und bestimmt keine Niederschwelligkeit garantieren. Ob der KEP diese Widersprüche zulässt. Wir wollen es hoffen. Ein echter Wermutstropfen des KEP neu ist allerdings die Behandlung – oder Nicht-Behandlung – von spotsZ. In mehreren Workshops wurden die Defizite der oberösterreichischen Medienlandschaft thematisiert und im KEP neu werden die «öffentlichrechtlichen und kommerziellen Medien Oberösterreichs » zu einer Sensibilisierung in Richtung (freier) Kunst und Kultur aufgefordert. In unterschiedlichen Workshops wurde von vielen TeilnehmerInnen spotsZ immer wieder als Beispiel dafür genannt, wie eine kritische, bereichernde Kulturzeitung funktionieren kann. Die Absichtserklärung: «Die Stadt Linz unterstützt den Prozess zur Etablierung eines monatlich erscheinenden unabhängigen Linzer Printmediums, das redaktionell in der freien Kunst- und Kulturszene verankert ist» klingt angesichts der Tatsache, dass man vor zwei Jahren zugesehen hat, wie ein anerkanntes Magazin den Bach runtergeht, und man dieses nun trotz Reklamationen mehrerer TeilnehmerInnen nicht als Beispiel nennt (ja, nicht mal als Kulturverein im Glossar erwähnt), ziemlich fadenscheinig.

 

(Anm. der Redaktion: spotsZ war ein Kunst- und Kulturmagazin, das mit dem Fokus zeitgenössische Kunstund Kultur fünf Jahre lang monatlich erschienen ist. Die Redaktion, die in der freien Kunst- und Kulturszene verankert war, musste das Projekt mit Dezember 2010 schließen.)

 

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