Aileen Derieg macht sich Gedanken zu den 10 Empfehlungen der Linz09 GmbH für die Anliegen der Kulturin Linz und OÖ.
Bekanntlich war das Jahr 2009 Europäisches Kulturhauptstadtjahr in Linz; zum Glück haben wir aber nun das Jahr 2010. Es besteht also die berechtigte Hoffnung, dass die Frage, ob jede beliebige Kulturveranstaltung als Erfolg oder als Blamage für Linz09 zu verbuchen sei, nicht mehr als oberstes Kriterium behandelt wird. Naturgemäß zieht die Linz09 GmbH „eine durchaus positive Bilanz“: Es handelt sich dabei um einen Pressetext, etwas anderes steht üblicherweise nie in der ersten Zeile eines Pressetextes, es sei denn, es hätte irgendwelche, nicht wirklich verschweigbare Riesenskandale gegeben. Da dies in Linz nicht der Fall war, wird selbstverständlich eine durchaus positive Bilanz gezogen.
Müsste/sollte/könnte man diese positive Bilanz in Frage stellen? Auch wenn es möglich wäre, ein solches Vorhaben würde bedeuten, das »plus-minus-Erfolg oder Mißerfolg-Spielchen« noch endlos fortzusetzen. Doch dieses Spiel ist inzwischen derart langweilig geworden, dass es sicher nicht der Mühe wert ist. Eine andere Fortsetzung des Spiels könnte heißen, »Was ist vom Kulturhauptstadtjahr geblieben?«, aber dieses Spiel ist wohl auch nicht unbedingt sehr spannend. Die Linz09 GmbH hat sich aber etwas anderes einfallen lassen, nämlich einen »Ausblick«, der durchaus einige Rätsel aufgibt. Dabei »soll an dieser Stelle versucht werden, zehn Empfehlungen zu formulieren für die Situation und die Anliegen der Kultur in Linz und in Oberösterreich.« 1 Formuliert werden diese Empfehlungen also – von wem eigentlich? Von der Managementfirma Linz09 GmbH? Von irgendwelchen nicht namentlich erwähnten Personen, die es mit Linz gut meinen? Dieses Rätsel führt gleich in das nächste: An wen sind die Empfehlungen gerichtet? Der »Linzer Alltag« wird genannt, aber was der »Alltag« an sich mit Empfehlungen anfangen soll, lässt sich schwer vorstellen. Es gibt allerdings einige Anhaltspunkte, die den Verdacht nahe legen, die Empfehlungen sind in Wirklichkeit an niemandem gerichtet, weil sie als solche gar nicht ernst gemeint sind: Vielleicht ist der »Ausblick« eigentlich nicht mehr und nicht weniger als ein Werbetext, der bei künftigen Bewerbungsgesprächen zur Anwendung kommen soll, und als solcher auch den bisherigen Mitspielenden bzw. Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt wird. Es wäre immerhin eine nette Geste, also was spricht dafür? Zunächst wird umschrieben, um welches Spiel es hierbei geht, nämlich »Fuß fassen bei den prekären Beschäftigungsverhältnissen im Kulturbereich «. Jene, die im Rahmen von Linz09 tüchtig mitgespielt haben, werden mit satten Punkten (»Erfahrungen« werden sie im Spiel genannt) belohnt, die sie zum Aufsteigen in die nächste Runde berechtigen: »Diese Erfahrungen werden all die Menschen, die für die Kulturhauptstadt gearbeitet haben, weitergeben und in anderen Arbeitszusammenhängen in neue Anwendung bringen.« Solche Punkte machen sich im eigenen Lebenslauf gut, besonders wenn sie von den entsprechenden Pressetexten ein besonderes Gewicht verliehen bekommen.
Dann fällt gleich auf, dass alle zehn »Empfehlungen « mit Rufzeichen (!) versehen werden: Ein Rufzeichen signalisiert Wichtigkeit (Achtung!), Autorität (Zuhören!), energisches Auftreten (Aufmischen!), Kompetenz (Kompetenz!). Solche Eigenschaften gelten in der einschlägigen ratgebenden Literatur für Arbeitssuchende als gefragt. Kreativ sein ist auch gefragt, lässt sich aber leider nicht unbedingt mit Rufzeichen vermitteln.
Weiters würde sich der »Ausblick« hervorragend für »Buzzword Bingo« eignen. Meine persönliche Favoriten: »Wettbewerb«, »Internationalität«, »Gewinn«. Außerdem findet sich noch ein weitverbreitetes Spiel gleich mehrfach im Text, nämlich das sogenannte »Strohmann-Argument«, das sich für vorteilhafte Selbstdarstellungen gut eignet, wenn man es nicht übertreibt. Solche miteingebauten Spiele deuten ebenfalls darauf, dass es sich nicht um ernst gemeinte, an wen auch immer adressierten »Empfehlungen« geht, sondern eher um eine Art Sonderkarte, die im Spiel »Bewerbung um die besten Kulturjobs « eingesetzt werden kann und eine besonders hohe Punktezahl bringt.
Solange dieser Werbetext nicht mit Kulturpolitik verwechselt wird, bleibt nur den Menschen, die während Linz09 oft mehr als genug Arbeit hatten, nun aber keine (zumindest keine bezahlte) Arbeit mehr haben, dass er ihnen nützlich wird. Das Spiel kann ja recht brutal sein.
1 lesen Sie dazu auch die KUPFbloggeinträge von Stefan Haslinger »Replik zum Ausblick! Part I- IX!«
www.linz09.at/de/bilanz.html www.linz09.at/de/ausblick.html http://de.wikipedia.org/wiki/Buzzword_Bingo http://de.wikipedia.org/wiki/Strohmann-Argument
Aileen Derieg arbeitet als freiberufliche Übersetzerin, lebt in Linz. http://eliot.at