Das Kreuz mit den Blasphemikern

Einer sagte mal, wenn den Titanics nichts Neues einfällt, dann tun sie den Hitler aufs Cover. Nachdem im Winter die deutsche, evangelische Bischöfin wegen Trunkenheit am Steuer angezeigt wurde und ihr Amt daraufhin kündigte, ahnte man schon, dass Frau Ex-Bischof Margot Kässmann die nächste zweifelhafte Ehre zuteil werden könnte. Titanic, im Bereich Rechtsstreitigkeiten durchaus erprobt, hat mit dem aktuellen Cover einen Affront angezettelt, der zwar nicht auf die Kässmann abzielt, aber auf Missbrauch durch die Kirche.

Die Crux mit dem Kreuz

Unter der Schlagzeile „Kirche heute“ druckte Titanic ein Gemälde ab, auf dem ein Kruzifix dargestellt ist; davor steht mit dem Rücken zum Betrachter ein katholischer Bischof, dessen Kopf den Bereich der Genitalien des Gekreuzigten verdeckt.
Resultat: über 120 Beschwerden beim Deutschen Presserat. Zwei Anzeigen bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft.
Um was handelt es sich bei den Vorwürfen im Kern?
Der Vorwurf lautet: Verletzung religiöser Gefühle.
Dazu kommt, dass im Journalismus die Grenze zwischen Satire und Verleumdung schmal ist. Doch kann man Realität – genauer – die mediale Vermittlung von Wirklichkeit noch mit dem Sender/Empfänger-Prinzip erklären? Oder ist der „Empfänger“ nicht viel mehr eine Black-Box, bei der man nie weiss, wie Nachrichten rezipiert werden?

Die Abenteuer im Kopf

Eine Bildanalyse tut not. Defacto könnte man sagen: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Zu sehen ist eine Person, die vor einem Kruzifix steht. Sie könnte, wie es die Tradition gebietet, davor stehen und – beten. Aber natürlich wissen wir nach der Abklärung der Aufklärung, dass alles einen Kontext hat. Und da die Kirche ihre Leichen im Keller nun offenbaren muss, ist das im Moment nun einmal einer der ersten Kontexte, die dazu im Kopf auftauchen. Dem Titanic Magazin ist das gut gelungen; es hat den Finger in die Wunde gelegt. Aber ist es ein Ursacher? Der Wegweiser zeigt an, aber er geht nicht mit.

Je genauer aber man das Bild studiert, desto deutlicher wird, das sich auf Jesus‘ Gesicht ein seeliges Lächeln spiegelt; der Bischof scheint an etwas zu hantieren? Falls man nun tatsächlich eine sexuelle Handlung ausgemacht haben will, könnte man denken: Gut, zwei homosexuelle Menschen handeln selbstbestimmt. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn einer der beiden ist angenagelt …

Warum schockiert die Öffentlichkeit so wenig, dass Religiöse in der Tat eine Folterszene anbeten?
Als sich in den 50er Jahren eine asiatische B oder C-Fussballmannschaft bei der Weltmeisterschaft qualifiziert hatte und dafür in einem Raum einer europäischen Schule untergebracht wurde, musste sie von den Organisatoren kurzerhand wieder umquartiert werden. Die Männer fürchteten sich vor dem Kruzifix und der gefolterten Person aka Jesus zu Tode.

Es scheint, als trifft hier Abgebrühtheit auf verletzte religiöse Gefühle. Und beides scheint mehr in jenen vereint, die sich gegen Satire im Bereich Kirche verwehren. Tja, Gegensätze, Ambivalenzen und Unvereinbares sollte man eben aushalten lernen. Möglichst noch in diesem Leben.

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