Kultur findet Stadt

Digitalisierung, Migration, Fair Pay: Kulturpolitik in der Stadt bedeutet stets auch Standort-, Integrations- und Gesellschaftspolitik. Die Kulturreferent*innen Doris Lang-Mayerhofer (Linz, ÖVP) und Johann Reindl-Schwaighofer (Wels, SPÖ) ziehen im Gespräch mit Sigrid Ecker Bilanz über die vergangenen sechs Jahre und geben einen Ausblick auf zukünftige Vorhaben.

Sigrid Ecker: Beginnen wir mit einem Blick auf Ihren politischen Alltag. Derzeit gibt es in der Linzer Stadtregierung keine Koalition. Wie nehmen Sie dieses freie Zusammenspiel der Kräfte wahr?

Doris Lang-Mayerhofer: In der Linzer Stadtregierung funktioniert das sehr gut. Wir haben auch in der schwierigen Coronazeit über Ressorts hinweg gemeinsame Pakete geschnürt, um konjunkturell Schwung in den Standort zu bringen. Der ‹Pakt für Linz› etwa enthält fünf Millionen Euro zusätzlich für die Kultur, eine Million davon für die Freie Szene. Gerade im Bereich der digitalen Infrastruktur konnte die Kultur fit für die Zukunft gemacht werden. Selbstverständlich gibt es da und dort unterschiedliche Positionen. Wichtig ist aber, dass man Gemeinsamkeiten findet und einander auch Spielräume lässt.

Sigrid Ecker: Wie gestaltet sich die Arbeit als Kulturreferent der SPÖ in Wels unter einem FPÖ-Bürgermeister und einer Koalition aus FPÖ und ÖVP?

Johann Reindl-Schwaighofer: In Wels ist die Kultur immer wieder Gegenstand ideologischer Auseinandersetzungen. Natürlich gibt es auch bei uns Zusammenarbeit. Wenn es aber darum geht, stärker gestaltend zu wirken, kommt es immer wieder zu Diskussionen. Ein Beispiel ist das Kulturleitbild. Es gab ein Bürger*innenbeteiligungsverfahren, die Ergebnisse sind in einen Entwurf geflossen. Am Schluss ist ein sklerotisches Textkonvolut übrig geblieben, in dem nichts mehr drinnen steht, weil der Bürgermeister, assistiert von der ÖVP, alles verhindert hat. Wir haben zum Beispiel in Wels viele migrantische Kulturvereine, die sehr aktiv sind. Das wird im fertigen Leitbild einfach ignoriert.

Sigrid Ecker: Wenn Sie auf die sechs Jahre der vergangenen Legislaturperiode schauen: Was waren wichtige Kulturprojekte, die Sie umsetzen konnten?

Lang-Mayerhofer: Der Fortbestand des Stadtmuseum Nordico und das Weiterbestehen des Salzamtes konnte gesichert werden. Beim Salzamt – das sind Ateliers, die wir für junge Kunst- und Kulturschaffende zur Verfügung stellen – gibt es nun eine enge Zusammenarbeit mit der Kunstuniversität, dem Ars Electronica Center und dem Land Oberösterreich. Die laufende Förderung für die Freie Szene wurde um 13 Prozent erhöht und die Sonderförderprogramme ausgebaut. Für den konjunkturellen und kulturellen Aufschwung gibt es heuer eine Investitions-Million für die Freie Szene. Und natürlich der Fokus auf UNESCO City of Media Arts: Wir sehen uns als Stadt der Medienkunst. Die Ars Electronica ist unser internationales Flaggschiff in diesem Bereich.

Reindl-Schwaighofer: Wesentlich für mich war, dass wir mehrjährige Fördervereinbarungen mit den Kulturinitiativen abschließen. Ein weiterer Punkt ist die Verfügbarmachung von Räumen: Ich bin stolz, dass wir den Alten Schlachthof, das Medien Kultur Haus und die Galerie Forum infrastrukturell absichern konnten – ohne inhaltliche Einmischung der Stadt. Eine negative Entwicklung in diesem Bereich betraf zuletzt den FreiRaum, wo der Bürgermeister die Verlängerung des Mietvertrags nicht unterschrieben hat. Wir setzen jetzt auf die Wahl, damit wir das Thema nächstes Jahr wieder aufrollen können.

Sigrid Ecker: Schauen wir in die Gegenwart. Ein Grundproblem der Freien Szene ist die chronische Unterfinanzierung. Besonders auf die Frage der Bezahlung von Kulturarbeit würde ich gerne zu sprechen kommen. Wie stehen Sie zu Fair Pay?

Lang-Mayerhofer: Das ist bei uns Teil des Kulturentwicklungsplanes und wir setzen uns regelmäßig damit auseinander. Die Diskussion ist auch in Abstimmung mit allen Ebenen zu führen, dem Land, dem Bund. Wir hatten dazu auch schon Diskussionen mit Staatssekretärin Mayer. Die angesprochene Million für die Freie Szene betrifft auch das Personal. Ich stehe voll und ganz hinter diesem Thema.

Reindl-Schwaighofer: Das ist z. B. ein Punkt, der im Welser Kulturentwicklungsplan nicht verankert ist. Für mich muss die Wahl im September ein Wendepunkt sein. Wenn die Wahl so ausgeht, dass das möglich ist, werden wir den Kulturentwicklungsplan wieder aufknüpfen, inhaltlich nachschärfen, aber auch Notwendigkeiten wie Fair Pay dort unterbringen.

Sigrid Ecker: Gehen wir weg vom Geld. Jenseits von der Finanzierung, wie kann Kunst- und Kulturpolitik die Kulturtätigen sonst noch unterstützen? Welche Rolle spielen etwa Räume?

Lang-Mayerhofer: Es braucht Raum für Kunst – ob im Bereich der Musik mit Proberäumen, der bildenden Kunst oder auch der Medienkunst. Einerseits geht es um den Raum, den man natürlich braucht, um sich selbst zu verwirklichen, aber auch um den öffentlichen Raum, damit Kunst und Kultur auch für die breite Bevölkerung sichtbar werden.

Reindl-Schwaighofer: Wir haben das zuvor im Privatbesitz befindliche Stadttheater gekauft und renoviert. Das ist in diesen Zeiten nicht selbstverständlich, aber für mich war klar, wir müssen Räume schaffen, die man Kulturinitiativen, Theatergruppen anbieten kann. Nachdem alle Kultureinrichtungen im Zentrum der Stadt stehen, brauchen wir außerdem einen stärkeren Fokus auf die Stadtteile. Das heißt, wir müssen Kultur in den Lebensraum der Menschen bringen.

Sigrid Ecker: Abschließend noch zur Zukunft: Was sind Ihre Vorhaben für die neue Legislaturperiode?

Reindl-Schwaighofer: Wir sind beide in Städten aktiv, die einen großen Bevölkerungsanteil von Menschen haben, die nicht hier geboren sind. Der Kulturbetrieb ist aber oft frei von Migrant*innen. Wir müssen Möglichkeitsräume schaffen, nicht nur die mitgebrachte Kultur umzusetzen, sondern auch, um andocken zu können. Dabei geht es um die Frage des Zugangs zum Kulturbetrieb, um Anknüpfungspunkte für migrantisches Publikum bei Veranstaltungen. Entweder machen wir Kultur für die gesamte Bevölkerung oder es wird immer nur ein Stückwerk sein. Es braucht auch Rahmenbedingungen, um die historische Substanz der Stadt zu sichern und unser Burgmuseum sollte inhaltlich und museumspädagogisch erneuert werden. Zur Zeit bereiten wir die 800-Jahr-Feiern der Stadt Wels für 2022 vor.

Lang-Mayerhofer: Also wir sind da in Linz sehr gut aufgestellt. Die Kultur verbindet uns doch alle. Sie ist eine Sprache, die jede*r versteht. Aber Integration ist natürlich auch ein großes Thema in unserer Stadt und da kann die Kultur sehr viel dazu beitragen. Ich freue mich außerdem auf das große Jubiläumsjahr 2024 zu 200 Jahren Anton Bruckner. Das ist sicherlich auch etwas, das von der Kultur ausgehend unseren Standort beflügeln wird. Ich bin überzeugt, dass wir auch für die Zukunft gut aufgestellt sind.

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