Ihr werdet von wir hören!

Die erste Linzer Kulturfabrik für subkulturelle Agitation hat Andi Liebl besucht.

 

Dreieinhalb Tage lang sorgte die erste Linzer Kulturfabrik für subkulturelle Agitation am Hauptplatz der oberösterreichischen Landeshauptstadt. Die lustvolle Arbeitsweise der gut 30-köpfigen Belegschaft sorgte für einen sehr beherzten Austausch radikaler Meinungen im öffentlichen Raum.

Auch wenn es vielleicht weh tat (was es auch muss, sang Bernadette la Hengst am ersten Konzertabend), dass allen Mühen zum Trotz der Konkurs am Ende nicht mehr abzuwenden war, wurde dieses Ende gebührend zelebriert. Die Ottensheimer Blasmusik sorgte für den Kehraus der Subkultur vom Linzer Hauptplatz, für ein skurriles Abschiednehmen von der 72-stündigen Geschichte der Kulturfabrik. Eingebettet in ein Rahmenprogramm bestehend aus den Formaten Symposion, Lesung und Konzert bot die WIR AG (Aktionsgemeinschaft) mit ihren Produktionshallen einen Blick hinter die Kulissen der Kunst- und Kulturproduktion der freien Szene und sorgte durch die Wahl ihres Betriebsgelände für ein Aufbrechen des herkömmlichen Umfeldes. Das war mitunter auch einer der spannenden Momente der Inszenierung WIR AG, der nicht nur bei der Totalirritation des Auftritts der Gruppe “***** Head”, sondern besonders deutlich in der Abhaltung öffentlicher Symposien hervortrat. Fragestellungen zu Themen wie Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Sexismus, Randgruppen im öffentlichen Raum, Mainstream vs. Underground, Individualisierung,… führten unter gegebenen Umständen zur wohl einzigartigen Sichtbarmachung von “Konfrontationslinien unterschiedlicher Lebenskonzepte”. Für einen von Spektakel und Eventkultur geprägten Raum wie den Linzer Hauptplatz eine sehr wohltuende Abwechslung die von vielen Seiten auch dankend angenommen wurde.

legal – illegal Abseits der Aktivitäten in der Werkshalle D (Bühne) und der in Halle B (Mediencontainer), übte sich die Belegschaft in spontanen Aktionen zur Rettung der AG. Vorerst noch auf amtlichen Wege durch eine Lohnrunde mit dem Boss der AG (dem Kulturreferenten der Stadt), weiters in Kooperationsversuchen mit der lokalen Wirtschaft. Die gescheiterten Bemühungen ließen dann zu Ende jedoch keine Wahl dem Kriminal zu entkommen und so wurde kurzerhand der Bummelzug überfallen und versucht eine Kulturmaut einzuheben. Doch auch in diesem Fall musste die Belegschaft eine Niederlage einstecken. All diesen Aktionen gemein war, dass hinter deren vordergründigem Spass eine konkrete Verknüpfung mit Alltagserfahrungen aus teils ehrenamtlicher freier Kulturarbeit zu erkennen ist. Die Lohnrunde steht für die durchwegs prekären, sozial schlecht abgesicherten Beschäftigungsverhältnisse, die Sponsoringversuch beim Reisebüro für die Selbstausbeutung der eigenen Zeitressourcen, die misslungene Kontoeröffnung mit ordentlichem Kreditrahmen für die Zinsbelastung die Kultureinrichtungen oft aufgrund verzögerter Auszahlung öffentlicher Mittel in Kauf nehmen müssen.

sichtbar – unsichtbar Mit der Auswahl ihrer Produkte setzte die WIR AG nicht auf lokal beschränkte Themen sondern präsentierte eine für die freie Szene allgemein gültige Palette an Kristallisationspunkten. Einer davon kann als Frage zur Sichtbarkeit genannt werden. Während auf der einen Seite bei der Programmierung der Halle D auf eine gleichberechtigte Präsenz von Frauen und Männern geachtet wurde, rezipierten andererseits die fabrikseigenen Medien den Verlauf der WIR AG eher männerzentriert. Die Frauen hinter den Kameras und an den Produktionsmaschinen der Schnittcomputer blieben unsichtbar. Dabei sorgten gerade diese für Sichtbarkeit. Sei es das Layout der Werkszeitung oder der alternative Stadtplan von Linz, der auf einem Blick die Einrichtungen der freien Szene den interessierten LeserInnen vermittelt. Stichwort Stadtplan: Auch damit ist die freie Szene in Linz nicht anders dran als in anderen Städten, wo diese Einrichtungen in den seltensten Fällen in den offiziellen Publikationen angeführt sind.

Liebl Andi

Im Rahmen der Recherchen zu diesem Artikel ist auch folgendes Interview entstanden.

WIR AG, ein Projekt des KV KAPU, http://wirag.kapu.or.at/

Idee, Konzept, Mitarbeit: Anatol Bogendorfer, Katharina Loidl, Tanja Lattner, Flip Kroll, Joe Laimer, Klemens Pilsl, Betty Wimmer, Ewald Elmecker, Klaus Schmid, Philip Huemer, Huckey Renner, Stefan Blumenschein, Rainer Kohlberger, Klaus Laimer, Nicole Bogendorfer, Christian Eder, Martin Music, Andreas Heißl, Teh Sidney, Peter Wagenhuber, u.vm.

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