Charles Dickens hat in einem Roman die Bürokratie, die Herrschaft der Verwaltung, als „Amt für Umschweife“ persifliert. Er kritisierte damit die Gewohnheit, sich mit allem zu beschäftigten und viele Formulare auszufüllen, aber vor lauter Umständen nichts zu schaffen und dabei jeden Fortschritt zu hemmen.
„(…) aber gerade Bürokratie ist bekanntlich ein System mit sehr geringer Störempfindlichkeit.“ Niklas Luhmann, Soziale Systeme
Bürokratie funktioniert. Sie gleicht einem hermetischen System, das alles registriert, bezeichnet, verwaltet und festlegt. Es ist ein System von Gesetzen, Vorschriften, Verordnungen und Anweisungen. Auch die EU ist ein bürokratischer Apparat. Und die EU hat beispielsweise entschieden, dass alle Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen registriert werden müssen, damit die Herkunft und Identität der Tiere bestimmt werden können.
Yellow Tag
Früher waren Tiere unmittelbarer Bestandteil unserer Lebensumgebung. Kühe und Schafe hatten ihren Stellenwert in der Kunst, besonders in der Symbolwelt der religiösen Kunst. Heute werden Tiere oft über weite Strecken transportiert. Und die gelben Marken an Tieren sind uns längst zur Gewohnheit geworden. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Im bürokratischen System scheint es jedenfalls seit wenigen Jahren wichtig zu sein, dass alle Tiere einer Produktionsstätte an das Zentralregister gemeldet werden. Lämmer sollten gleich nach der Geburt markiert werden. Eine Marke in jedem Ohr garantiert lebenslange Identität. Und – die Nichteinhaltung bestehender Vorschriften ist eine Gefahr und muss zum Wohl aller geahndet werden!
Was in einem bürokratischen System alles passieren kann, um dem Gesetz zu entsprechen, hat der schwedische Filmemacher Jan Troell mit feiner Ironie aufgezeigt. Am 7. 10. 1999 wurden sechs gesunde Kühe erschossen, als sie auf einer Wiese bei Ljungskile weideten. Der Tatbestand: die Kühe hatten keine EU-Marken. Tiere ohne gelbe Marke oder anderen Nachweis werden beschlagnahmt und eventuell getötet.
Registrierung Jetzt!
Die Notwendigkeit der Erfassung, Registrierung und Identifizierung hat jetzt auch unsere Haustiere ereilt. Hunde müssen mit einem RFID Chip (Radio Frequency Identification) gekennzeichnet werden. Mit drakonischen Geldbußen will Gesundheitsminister Stöger nachlässige Hundebesitzer disziplinieren. Am 31. Dezember endet dann die Übergangsfrist für die verpflichtende Kennzeichnung von Hunden.
Wie bei der Telekommunikationsortung steht auch hier das „gute“ Argument parat. Hilfeleistung im Notfall hier, entlaufene Hunde dort. Was als Option begann, endete mit der Pflicht. Aktuell legt das Tierschutzgesetz für den Fall des Zuwiderhandelns klare Sanktionen fest: „Die Strafe beträgt bis zu 3750 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 7500 Euro“, erläutert eine Beamtin von der Veterinärverwaltung des Bundesministeriums für Gesundheit.
Lang war er jedenfalls nicht, der Weg von der Yellow Tag zum RFID Chip. Aber von letzterem wird man ja in Zukunft auch noch mehr hören …