Ganz wohl war mir nicht, als ich an einem sonnigen Augusttag vor dem Merkur-Markt in Krems stand und die genervten Fragen eines ORF-NÖ Reporters beantwortete. Im Hintergrund standen heulende Kinder vor einem improvisierten Altar aus Kerzen und Blumen neben dem Eingang des Supermarktes. Sehr zum Ärger vieler KundInnen, die sich durch die trauernden Kids beim Einkaufen gestört fühlten. Der Journalist begrüßte uns mit den Worten „Und ihr seit jetzt auch da, um den Polizisten vorzuverurteilen?“
Ein paar Tage zuvor wurde in dem Supermarkt ein 14jähriger Einbrecher von einem Polizisten erschossen. Obwohl sich das „Bündnis gegen Polizeigewalt“ aus strategischen Überlegungen ausschließlich mit dem 1. Mai in Linz beschäftigen sollte, machten wir in diesem Fall eine Ausnahme und fuhren nach Krems. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Öffentlichkeit nur wenig über die Vorgänge jener Nacht, weshalb unsere Statements vorsichtig und zurückhaltend waren. Dass dem Jungen in den Rücken geschossen wurde, war damals noch nicht bekannt. Wir forderten daher vor allem Verbesserungen bei der Polizeiausbildung, der psychologischen Schulung usw.
Freilich „stank“ die ganze Sache von Anfang an. Der 17jährige Komplize wurde noch im Krankenhaus (er hatte einen Durchschuss durch beide Beine) in U-Haft genommen, während die beiden PolizistInnen mehrere Tage Zeit hatten, bevor sie überhaupt das erste Mal befragt wurden. Heute wissen wir, dass die Kripo den Todesschützen ebenfalls in U-Haft stecken wollte, jedoch bei der Staatsanwaltschaft tagelang niemanden erreichen konnte. Die schauderhaften Details der Ermittlungen, Falschaussagen und Relativierungen seitens der Polizei möchte ich hier nicht weiter ausrollen, die Zeitungen der letzten Tage waren voll davon.
Eines ist mir aber wichtig festzuhalten: Hätten wir Vorurteile gehabt – sie alle hätten sich als richtig herausgestellt. Der Umgang mit der Causa „Krems“ ist ein weiterer haarsträubender Beleg für den desolaten Zustand unserer Gesellschaft, unserer demokratischen Institutionen und vor allem der Medienlandschaft. Die ÖVP – in NÖ allmächtig – inserierte bereits Solidaritätsbekundungen mit der Polizei, Krone-Ekelpaket Michael Jeannée schrieb negative Mediengeschichte, in dem er den Tod des 14jährigen mit den Worten „Wer alt genug ist zum Einbrechen ist alt genug zum Sterben“ kommentierte und sogar das polizeikritische Boulevardblatt „Österreich“ stürzte sich auf den zweiten Einbrecher und veröffentlichte sein Strafregister.
Das milde Urteil ist der krönende Abschluss der Geschichte. „Rambo“ darf weiter das Gesetz vertreten und die Sache ist damit erledigt. Fekter, Pröll, Dichand, Jeannée sind keine österreichischen Extreme, sondern repräsentieren den Normalkonsens in dieser Republik. Ein Zustand, der den Namen Demokratie nicht verdient. Die meisten BürgerInnen verwechseln Demokratie mit alle paar Jahre wählen gehen, alles was sonst noch dazugehört ist unterentwickelt und degeneriert. In Frankreich oder Griechenland werden als Reaktion Autos angezündet, in Österreich beschränkt sich der letzte Rest an „Gutmenschen“ auf Kommentare in Minderheitenzeitungen und – ja genau – fassungslosen und verzweifelten Blogeinträgen. Nichts wie weg, sag ich nur..