Existenzsichernde Arbeit und Grundsicherung für alle

Mögliche Konzepte einer Grundsicherung stellt Karin Antlanger vor.

 

Zum neoliberalen Umbau des Kapitalismus gehört die Durchsetzung eines asozialen Leitbildes der „Tüchtigen und Anständigen“, mit dem soziale Ausgrenzung begründet wird. „Eigenverantwortung“ oder „private Vorsorge“ verschleiern den Abbau des Sozialstaates. Grundlegende Menschenrechte auf existenzsichernde Erwerbsarbeit, angemessenen Wohnraum oder das durch Beitragsleistungen erworbene Recht auf Gesundheits- und Sozialleistungen werden ausgehöhlt. EmpfängerInnen von Sozialleistungen werden als SozialschmarotzerInnen denunziert. Armut wird zum individuellen Schicksal abgestempelt.

Soziale Sicherheit ist bereits unter der rotschwarzen Regierung zum Unwort verkommen. Die schwarzblaue Regierung hat die Gangart verschärft. Unter dem Schlagwort „soziale Treffsicherheit“ bekommen Arbeitslose weniger und zahlen Kranke mehr. ArbeitnehmerInnen zahlen mehr Steuern und bekommen weniger aus den von ihnen finanzierten Sozialtöpfen heraus. Die Lebensarbeitszeit wurde verlängert, Neupensionen gekürzt. Von den Studierenden werden Studiengebühren eingehoben. Sozialversicherungen oder das Arbeitsmarktservice wurden dem Einfluss der Gewerkschaften entzogen, um sie schließlich privatisieren zu können. Die Prekarisierung erfasst Beschäftigte und Arbeitslose, „neue Selbstständige“, die sich nur durch Selbstausbeutung über Wasser halten können, allein erziehende Frauen und MigrantInnen. Insgesamt sind pro Jahr etwa 700.000 Menschen zeitweise oder ständig arbeitslos – ein Viertel aller Lohnabhängigen. Laut AMS-Prognosen wird im Jänner 2003 mit 320.000 Arbeitslosen der höchste Wert seit 1945 erreicht.

Die Ursachen für Arbeitslosigkeit und wachsende soziale Unsicherheit liegen im System der „freien Marktwirtschaft“. Seit dem Beitritt zur EU und den massiven Privatisierungen der letzten Jahre hat sich die Politik dem Machtanspruch des Kapitals mehr denn je untergeordnet. Unter den Schlagworten „Globalisierung“ und „Deregulierung“ wird sozialen Regelungen trotz oder gerade wegen des wachsenden Reichtums einiger weniger durch die offizielle Politik immer geringerer Raum eingeräumt. SPÖ-PolitikerInnen, die jetzt Krokodilstränen über den „Turbokapitalismus“ vergießen, haben vor 2000 diese Politik eingeleitet. Auch die Grünen setzen voll auf Privatisierung und Budgetsanierung. Abgesehen von Studien- und Ambulanzgebühren und Unfallrentenbesteuerung sollen bei einem Regierungswechsel keine Verschlechterungen zurückgenommen werden.

Notwendig ist daher eine grundlegend andere Wirtschafts-, Budget- und Steuerpolitik, insbesondere eine Abkehr von den neoliberalen Dogmen. Dazu zählt das Dogma vom „Nulldefizit“, mit dem die öffentlichen Haushalte, soweit sie soziale Verpflichtungen absichern, ausgehöhlt werden. Das öffentliche Bildungssystem wird durch einen Bildungsmarkt, das öffentliche Gesundheitssystem durch einen Gesundheitsmarkt, das öffentliche Pensionssystem durch einen „Vorsorge“-Markt ersetzt. Notwendig sind Konzepte, die echte Vollbeschäftigung und soziale Mindestsicherung für alle gewährleisten. Sie könnten uns US-amerikanische Zustände ersparen, wo Dutzende Millionen Menschen zwar einen oder mehrere „Jobs“ haben, von denen sie aber nicht leben, geschweige denn sich gegen soziale Risken versichern können.

Eine existenzsichernde Arbeit ist möglich durch allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, Beschäftigungsprogramme der öffentlichen Hand, Privatisierungsstopp und Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors, Stärkung der Kaufkraft durch Lohn- und Pensionserhöhungen mit Abdeckung von Inflation und Produktivitätssteigerung und andere Maßnahmen. Für alle, die nicht in den Arbeitsprozess integriert bzw. aus diesem herausgefallen sind, sind Maßnahmen im Sinne einer Grundsicherung unabhängig vom Erwerbsprozess notwendig. Dazu gehören die Definition von sozialen Mindeststandards für die Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität, Karenz und Alter, weiters die Erhöhung der Familieneinkommen, die Ersetzung der derzeitigen Sozialhilfe durch eine bedarfsorientierte Mindestsicherung und gleiche Rechte für alle in Österreich lebenden AusländerInnen. Solche Konzepte sind durchsetzbar, wenn die Privilegien der Reichen und Vermögenden sowie der Konzerne eingeschränkt werden. Sie bedeuten eine Umverteilung vom Kapital zur Arbeit, tragen bei, soziale Sicherheit auszuweiten, und bringen für erwerbsarbeitende Menschen weniger Druck und mehr Mußezeit. Sie sind im Rahmen des kapitalistischen Systems verwirklichbar, setzen aber entscheidende Veränderungen im politischen Kräfteverhältnis voraus. Dem globalisierten Sozialabbau muss durch internationale Zusammenarbeit der Gewerkschaften, der neuen sozialen Netzwerke und der Frauenbewegungen entgegen gewirkt werden, wie das in der Bewegung gegen die neoliberale kapitalistische Globalisierung bereits der Fall ist.

Karin Antlanger

Weiterführende Informationen: http://www.grundeinkommen.at

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