(W)Endebilanz

Das Kulturprogramm

 

Seit Beginn des Jahres 2001 ist es still geworden um das Kulturprogramm der Bundesregierung. Tatsächlich wurde ja auch nichts mehr erledigt, die Verschlechterung der Rahmenbedingungen für künstlerische Arbeit war schon davor erfolgt.

Förderungen. Zweimal wurden die Bundes-Kunstförderungsmittel gekürzt, und zwar von 2000 bis 2002 um insgesamt rund 15 Prozent, einige Bereiche waren mit weit höheren Kürzungen konfrontiert. Einen Kürzungsrekord verzeichnet das Österreichische Filminstitut mit minus 38 Prozent. Die zur Sanierung des Bundeshaushaltes mit herangezogenen Bundesländer sind mit ähnlich hohen Landeskulturbudgetkürzungen dem Beispiel des Bundes gefolgt. Ebenso die Landeshauptstädte. Die steirische Landeshauptstadt Graz, die sich 2003 als europäische Kulturhauptstadt präsentieren möchte, hat für 2002 eine 15-prozentige Subventionssperre verfügt. Je nach Gutdünken werden Bundeszuständigkeiten für Kofinanzierungen mit den Ländern und Städten fortgesetzt oder aufgelöst (siehe Künstlerhaus). Das Budgetkapitel Kunst für 2003 wurde von Franz Morak nicht zeitgerecht abgeschlossen, was nun allerdings keine Rolle mehr spielt.

Auslandskultur, Ausgliederungen. Die österreichischen Auslandskulturinstitute (jetzt: Kulturforen) und andere kulturelle Einrichtungen im öffentlichen Eigentum, wie noch immer aktuell, der Österreichische Bundesverlag, wurden oder werden abverkauft. Die Erlöse aus diesen Verkäufen werden zur Finanzierung des „Nulldefizits“ oder zur Bildung von Reserven für Wahlkampfgeschenke verwendet. Die operativen Mittel für die österreichische Auslandskulturpräsentation sind auf ihrem historischen Tiefststand angelangt und entsprechen für ganze Staaten dem, was lokale österreichische KulturveranstalterInnen für ein Jahresprogramm budgetieren. Öffentliche Einrichtungen wie die Artothek werden nicht aus-, sondern endgelagert. Niemand weiß nach der Auslagerung der Artothek, wo ihre Bestände zu finden sind und was mit ihnen passiert.

Soziale Absicherung der KünstlerInnen. Aus der angepeilten KünstlerInnensozialversicherung ist nichts weiter als die Einbindung der KünstlerInnen in die Neue Selbstständigenversicherung geworden und aus dem ersatzweise geschaffenen KünstlerInnen-Pensionsversicherungszuschussfonds lediglich ein Instrument, das zahlreichen künstlerisch Tätigen, die von ihrem Einkommen her dafür in Frage kommen, die KünstlerInneneigenschaft aberkennt sowie ökonomisch erfolglosere und ökonomisch erfolgreichere KünstlerInnen und künstlerische Tätigkeiten überhaupt ausschließt. Die Kriterien des Fonds für die Anerkennung der KünstlerInneneigenschaft gehen vom göttlichen Funken der Inspiration aus – sie stammen offenbar aus dem 19. Jahrhundert und haben mit dem aktuellen Berufsbild von KünstlerInnen so gut wie nichts zu tun. Künstlerinnen, die in der Übergangszeit von Karenzgeld zum Kinderbetreuungsgeld ein Kind zur Welt gebracht haben, sind gegenüber anderen Frauen schwer benachteiligt.

Presse- und Publizistikförderungen. Aus qualitätssichernden und die Medienvielfalt garantieren sollenden medienpolitischen Maßnahmen (Presseförderung, Publizistikförderung, Zeitungsversandtarife) sind Verfahren zur Belohnung und Benachteiligung von Medien geworden.

Steuerfragen. Steuerliche Anreize für private Kunst-Investitionen wurden ebenso wenig geschaffen wie den berufstypischen Eigenheiten von KünstlerInnen steuerlich entsprochen worden ist. Das versprochene Investmentmodell für die Filmfinanzierung (etwa nach irischem Beispiel) wurde nicht realisiert, ebenso wenig die steuerliche Absetzbarkeit von Kunstankäufen.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Der parteipolitische Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist verstärkt worden, der Bildungs- und Kulturauftrag des ORF ist zu einem Lippenbekenntnis mit gegenteiligen Auswirkungen verkommen. Die Abschaffung der Kunststücke ist nur das augenfälligste Symptom dafür. Sowohl durch die Erwerbsbeschränkungen im neuen ORF-Gesetz als auch durch die Streichung der Rückvergütung der Gebührenbefreiungen sind dem ORF wesentliche Produktionsmittel für die Filmproduktion und andere Eigenproduktionen auf dem Sektor Kunst und Kultur entzogen worden. Die Einsparungen des ORF betreffen vor allem seine Kunst- und Kulturprogramme, Ö1 und demnächst auch das Radiosymphonieorchester.

Private kommerzielle Sender und gemeinnützige Freie Radios.

Kommerzielle und zu keinerlei Programmgestaltung im öffentlichen Interesse verpflichtbare private Fernsehprogramme sind zugelassen worden, die Förderbarkeit gemeinnütziger lokaler und regionaler Freier Sender und Programme aus kulturellen Gründen ist ausgeschlossen worden.

Netzkultur / e-Austria. Obwohl der Nutzung Neuer Medien im Kunst- und Kulturbereich Priorität eingeräumt wurde, ist keine einzige kulturelle Impulswirkung des Regierungsprogramms „e-Austria“ zu erkennen. Die Rahmenbedingungen für die bestehenden Einrichtungen einer partizipatorischen Netzkultur haben sich dramatisch verschlechtert, Netzkulturprojekte werden Schikanen ausgesetzt und finanziell ausgehungert.

Medienfreiheit. Die äußere Medienfreiheit wurde durch die Zulassung neuer Medienkonzentrationen beschränkt; die innere Medienfreiheit wird durch unbegrenzten Lausch- und Spähangriff und durch Strafandrohung bei Verwendung geschützter Dokumente ausgehöhlt.

Verfassungsgrundsätze. Der Verfassungsgerichtshof und die Gerichtsbarkeit insgesamt wurden ungeniert als Durchführungsorgane des politischen Willens der Regierung verstanden, die Grund- und Freiheitsrechte der Verfassung, wie u.a. auch das Recht auf Freiheit der Kunst und auf Freiheit der Meinung, sollen ihrem Willen unterworfen werden und nicht den Grundsätzen der Verfassung folgen. Das demonstrierten Regierungsmitglieder zuletzt, als KünstlerInnen sich anlässlich der Nestroy (!) Preisverleihung politisch äußerten.

Internationales Ansehen, internationales Auftreten. Zwei Jahre nachdem ein Großteil der österreichischen KünstlerInnen und Kulturschaffenden der ihrer Rolle auch in der Regierung treu gebliebenen FPÖ und damit der neuen österreichischen Regierung das Misstrauen ausgesprochen hat, zeigt sich, wie berechtigt dieses Misstrauen war. Österreich wird von zwei Regierungen regiert, einer, die aufwiegelt und einer, die beschwichtigt. Einer, die Österreich europaweit zu einem Gegner der europäischen Integration und der EU-Ost-Erweiterung macht und einer, die vehement dafür eintritt. Damit hat Österreich einen Großteil seiner früheren internationalen Bedeutung als Vermittler und Drehscheibe eingebüßt, wenn nicht überhaupt seine Jahrhundertchance im EU-Erweiterungsprozess und seine Rolle in einer zukünftigen Europäischen Union verspielt. Wer sich nicht auf die innerösterreichische Wahrnehmung der politischen Realität verlässt, sondern die Rezeption der politischen Verhältnisse und Entwicklungen in Österreich auf internationaler Ebene verfolgt, hat es längst bemerkt: Österreichische Politik wird entweder nicht oder negativ wahrgenommen.

Zu einem generellen Vertrauensbruch im Recht auf diplomatische Hilfestellungen für in Bedrängnis geratene österreichische StaatsbürgerInnen im Ausland ist es darüber hinaus durch das Verhalten der dafür zuständigen österreichischen Regierungsmitglieder bei der Verhaftung der Volxtheaterkarawane in Genua gekommen, welche durch die Weiterleitung beliebig zusammengewürfelter Daten geradezu zur Verhaftung empfohlen worden ist und deren Verhaftung durch die österreichische Außenministerin nahezu begrüßt wurde.

Was wir begrüßen Nur in zwei Punkten findet die Arbeit der österreichischen Bundesregierung unsere Zustimmung: in der bundesgesetzlichen Einführung des festen Ladenpreises bei Büchern, mit der sie, wie die Wahrnehmung in anderen europäischen Ländern zeigt, sogar einen europäischen Maßstab gesetzt hat. Die rückwirkende 3-jährige steuerliche Ausgleichsmöglichkeit bei stark schwankenden künstlerischen Einkommen kann von steuerlich betreuten KünstlerInnen in Anspruch genommen werden.

Forderungen Ungeachtet dieser Einschätzung fordert die Kulturpolitische Kommission, in der alle Berufs- und Interessenverbände der Kunst und Kultur in Österreich vertreten sind: + Eine KünstlerInnensozialversicherung, die diesen Namen verdient: Das beinhaltet die Abdeckung des Quasi-DienstgeberInnenbeitrags in allen Versicherungssparten bis zur Höchstbeitragsgrundlage und die Orientierung an einem zeitgemäßen Berufsbild. + Die Anpassungen der steuerlichen Regelungen an die Eigenheiten künstlerischer Berufe. Dazu gehört die Anerkennung berufstypischer Ausgaben als betrieblich bedingt und daher absetzbar. + Die Nachbesserung des österreichischen UrheberInnenrechts einschließlich der ehestmöglichen Umsetzung der EU-Richtlinie zum Folgerecht. Einrichtung einer Arbeitsgruppe mit RegierungsvertreterInnen und InteressensvertreterInnen zur gemeinsamen Entwicklung der innerstaatlichen Umsetzung in Österreich unter Einbeziehung ausländischer ExpertInnen aus Ländern, in denen es bereits langjährige Erfahrungen mit dem Folgerecht gibt. Wiedereinführung der Ausstellungsvergütung, die Abschaffung der cessio legis und die gerechte Aufteilung der Sekundärerträgnisse im Filmbereich zwischen UrheberInnen, InterpretInnen und ProduzentInnen, sowie ein Urhebervertragsrecht, das den Bedürfnissen der KünstlerInnen entspricht. + Konkrete Maßnahmen zur Stimulierung von privaten Kunst-Investitionen. + Die verpflichtende Anwendung der 1-prozentigen Kunst-am-Bau-Zweckwidmung von Bausummen öffentlicher Bauaufträge, unabhängig davon, ob diese Bauaufträge direkt oder über die Bundesimmobiliengesellschaft abgewickelt werden. Streichung des Vetorechts der zukünftigen MieterInnen und Einführung einer Pool-Lösung (nach dem niederösterreichischen Vorbild) anstatt der bestehenden objektgebundenen Verwendung der finanziellen Mittel. + Eine Neufassung der Presse- und Publizistikförderungsgesetze, in der Qualität und Medienvielfalt über die Förderungswürdigkeit bestimmen. + Die Einbeziehung Freier Radios in die Medienförderungen sowie Finanzierungseinbindungen von Freien Radios entsprechend den bestehenden europäischen Modellen. + Eine Überarbeitung des Kartellrechts zur Gewährleistung der EigentümerInnenvielfalt und freier Wettbewerbsbedingungen. + Verbesserungen bei der Wahrnehmung des Bildungs- und Kulturauftrags des ORF nach dem neuen ORF-Gesetz. + Entwicklung von generell gültigen Richtlinien und Durchführungsbestimmungen für Kofinanzierungen und bei der Einberufung und zur Tätigkeit von Beiräten anhand des von der Kulturpolitischen Kommission bereits vorgelegten Entwurfs. + Die Verpflichtung zur Kofinanzierung durch den Bund bei Projekten im Bereich Kunst und Kultur, die von der EU gefördert werden. + Eine/n AnsprechpartnerIn in der Bundesregierung, die mit umfassenden Kunst- und Kulturkompetenzen ausgestattet ist, einschließlich der Auslandskulturkompetenz. + Die Erhöhung des Budgets der Kunstsektion mindestens auf den Stand von 1999 und eine weitere positive Entwicklung wie vergleichsweise in den 90er Jahren. Budgetbindungen müssen ausgeschlossen sein.

Die Kulturpolitische Kommission ist ein Zusammenschluss österreichweiter Interessenvertretungen im Kunst- und Kulturbereich.

 

Juliane Alton Gerhard Ruiss

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