Ausschußware Kulturausschuß

Die FPÖ erkämpft kampflos den Vorsitz des parlamentarischen Kulturausschusses und damit nun auch repräsentativ die Position, die sie real ohnehin schon seit Jahren besetzt.

 

von Gerald Raunig

Im News-„Streitgespräch“ zwischen Neo-Kulturausschuß-Vorsitzendem Michael Krüger und dem Kabarettisten Gerhard Bronner (News 47/99) fand Bronner erstens den FP-Mandatar sympathisch, übernahm zweitens dessen Begrifflichkeit vom „Staatskünstler“ und wußte drittens nichts über die Funktion des im „Streitgespräch“ thematisierten Gremiums. Bronner, eingeladen als „einer der schärfsten Haider-Gegner“, als Proponent des „Künstleraufstands“ gegen die Übernahme des Kulturausschusses durch die FPÖ, vermittelte so z.B. den Eindruck, als könnte der Kulturausschuß über die Unterstützung von EinzelkünstlerInnen entscheiden. Derartige Aussagen weisen nicht nur hin auf das allgemeine Unwissen über die realen Möglichkeiten des Kulturausschusses, sondern auch auf den Fortschritt der FP in Sachen kulturelle Hegemonie. Der Nonsens vom „Staatskünstler“ z.B. und seine Übernahme durch hochrangige KulturpolitikerInnen nicht nur der FPÖ (Wittmann, Morak) wie durch breite Bevölkerungsschichten und deren Sprachrohr (dessen Rohr fast direkt vom Mund zum Ohr führt), die Kronenzeitung, geht zwar nicht auf die FPÖ zurück. Aber er hat die perfekten Ingredienzien eines Schmiermittels für die freiheitliche Strategie des politischen Raumgewinns durch Brachialdenunziation. Erstens schwingt in ihm nicht nur der Ton des „höfischen Künstlers“ mit, dessen Feudalherr gleichzeitig als Brotgeber und als autoritärer Vertreter des Staates fungiert, sondern vor allem das Schreckensbild des „Staatskünstlers als Propangadist“ in den kommunistischen Staaten des früheren „Ostblocks“. Und zweitens denunziert er – wie der ebenso künstlich konstruierte Begriff des „Ausländers“ – eine Minderheit als das Andere, das „den Österreicher“ und „seine Kultur, Identität, Heimat“ bedroht. Idealerweise wurde der Begriff in Österreich gewissermaßen geadelt, weil ein toter Künstler ihn massiv eingeführt hat, und ein „widerständiger“ ihn aufgenommen hat. Der tote Künstler, den die FPÖ übrigens zu Lebzeiten massiv angegriffen hat, ist Thomas Bernhard. Bernhard hat in Holzfällen die „abstoßende Staatskünstlerin“ in den Charakteren der „Jeannie Billroth“ und der „Anna Schreker“ illustriert, wo das Staatskünstlertum also quasi als typisches Problem der „österreichischen Seele“ auf den Punkt gebracht wird. Genau darauf will offenbar auch Robert Menasse hinaus, wenn er das Bernhardsche Material 1994 in einem Presse-Essay recycelt und in einer platt-allgemeinen Künstlerbeschimpfung gipfelt: „Österreichische Künstler sind fast nur noch als Personalunion von Staatsfeind und Staatskünstler zu haben.“ In Bernhards Alten Meistern dagegen wird das Staatskünstlertum historisch und kulturell erweitert auf eine Palette von Rembrandt bis Dürer, und auf die „geistfeindliche habsburgisch-katholische Staatskunst“. Gerade diese Erweiterung der Beschimpfung von den österreichischen Staatskünstlerinnen in Holzfällen auf die Alten Meister wirft ein interessantes, differentes Licht auf das Phänomen „Staatskünstler“: Die allgemeine Staatsbeschimpfung, die in den Alten Meistern weit über die Kunst hinaus reicht, ist Hintergrund für die Entzauberung des autonomen Subjekts, von den Staatskindern, dem Staatsbauch, aus dem diese Kinder kommen bis hin zu den Staatstoten: „Die sogenannten Alten Meister haben immer nur dem Staate gedient oder der Kirche gedient […] So wie der sogenannte freie Mann eine Utopie ist, ist der sogenannte freie Künstler immer eine Utopie gewesen, ein Wahnsinn.“ Die Mär vom „Staatskünstler“ entpuppt sich also als komplementäres Muster zum „autonomen Elfenbeinturm-Künstler“. Beide sind unmöglich, und damit auch wie geschaffen als plakative Bestandteile für Kampagnen zur Abschaffung der Kunst.

Und damit sind wir wieder bei der FPÖ: Die hat sich in Sachen Kultur als durchaus lernfähig erwiesen: Auf die Bedeutung des parlamentarischen Kulturausschusses trotz dessen geringen realpolitischen Einflusses läßt sich eine Lehre anwenden, die die FPÖ in Oberösterreich um die Mitte der 90er mit medialen Niederlagen und verlorenen Prozessen lernen mußte. Während die Wiener Partei mit symbolischer Politik großen Aufruhr, aber auch großen Zuspruch für ihr hetzerisches Anti-Scholten-, Anti-Jelinek- etc. -Plakat („Freiheit der Kunst statt sozialistischer Staatskünstler“) erntete, erfuhren die oberösterreichischen Freiheitlichen, daß eine ähnliche Vorgangsweise ohne den Symbolcharakter von großen Namen als Feindbildern nicht funktioniert. Die KUPF und ihre Kulturinitiativen als „linkes Netzwerk“ zu bewerben, erwies sich als Desaster für die FPÖ. Seitdem gibt es auch kaum direkte Angriffe mehr auf die eigentlichen politischen Opponenten der FPÖ im Kulturbereich, die Szene der autonomen Kulturarbeit. Denn Kulturpolitik heißt für die FPÖ nicht mehr Kulturpolitik im engeren Sinn, sondern immer stärker die – viel breiter formulierte – Politik der Erlangung der kulturellen Hegemonie. Diese Politik geht weit über das kulturelle Feld hinaus, versucht über das Kulturelle in allen Feldern die politische Macht zu gewinnen; KünstlerInnen werden dabei genauso wie kulturpolitische Positionen zu Vehikeln für mehrheitsfähige Themen in beliebigen Zusammenhängen. Daher ist es für die FPÖ auch völlig einerlei, daß der – eben kampflos erkämpfte – parlamentarische Kulturausschuß lediglich symbolische Bedeutung hat. Es geht um die sukzessive Füllung der Leerstellen, die die FPÖ und ihre Positionen auch über die Rolle des rabaukenhaften Querulanten hinaus salonfähig machen sollen. So ist es etwa in Kärnten gelungen, parallel zum permanenten grausigen Kulturkampf-Stakkato gegen Cornelius Kolig gleichzeitig staatstragende Rollen zu übernehmen, nach dem Klagenfurter Kulturreferat (FP-Kulturstadtrat Gassner) auch das Landeskulturreferat (FP-Landeskulturreferent Haider) zu besetzen. Sollte nun noch nicht klargeworden sein, daß nach Stadt und Land die nächste Ebene der kulturpolitischen Landnahme ansteht, hilft vielleicht die Preisfrage, wer sich auf EU-Ebene als einziger österreichischer Kulturpolitiker medial hervorgetan hat… Das konnte natürlich erst dadurch passieren, daß sich im Laufe der 90er ein ungeheures doppeltes Vakuum der Kulturpolitik bei den anderen Parteien ergab. Die maßgebliche Rolle der Kultur in der konservativen Politik der 50er und 60er Jahre, die ebenso maßgebliche Rolle der Kultur in der sozialistischen Politik der 70er und 80er Jahre und das diesbezügliche Vakuum der 90er Jahre geht einher mit einer parallelen Entwicklung von Interesse bzw. Desinteresse konservativer und sozialistisch/sozialdemokratischer PolitikerInnen an Kulturpolitik. Wenn heute die Bundeskulturpolitik ein Tummelplatz von Berufszynikern geworden ist, ist das Ausdruck davon, daß komplementär zur Besetzung des Kulturthemas durch die Freiheitlichen das Desinteresse der anderen Parteien gestiegen ist. Mit der einen Ausnahme, daß auf Initiative des Liberalen Forums der parlamentarische Kulturausschuß gegründet wurde, dessen erste Vorsitzende Heide Schmidt sich redlich um die Umkehrung des oben beschriebenen Trends bemühte. Und um dessen Vorsitz sich nun, nach Ausscheiden der Liberalen aus dem Nationalrat, offenbar ausschließlich die Freiheitlichen bemühten.

Wie die Geschichte weitergeht, ist aus der Geschichte zu lernen. Solang die personellen und strukturellen Vakua in der österreichischen Kulturpolitik weiterbestehen, wird die FPÖ weiterhin auf beiden Ebenen ungebremst und ohne maßgeblichen Widerstand vorstossen: auf der Ebene des Verschiebens der kulturellen Mainstreams, die eben dann immer reaktionärere und rassistischere Inhalte befördern werden. Und – und das wäre aus Sicht der FPÖ fast als nebenher verdientes Kleingeld zu verstehen – auf der Ebene der Bestimmung von realer Politik im kulturellen Feld, also z.B. – wie sich die stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses, die FP-Abgeordnete Povysil, das vorstellt – in der Halbierung der Kulturbudgets mit dem Ideal der Auflösung derselben.

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