Der Stachel im Fleisch

Wenige Monate vor den Landtagswahlen hat die KUPF OÖ. im KAPU-Beisl „Zapata“einen Round-Table zu aktuellen Themen der Kulturpolitik arrangiert. Mit Martin Wassermair und Martin Lengauer diskutierten LH Josef Pühringer (ÖVP), Karl Frais (SPÖ), Gunther Trübswasser (Die Grünen) und Wolfgang Denkmair (Liberales Forum).

 

von Martin Lengauer Martin Wassermair

KUPF:Gerhard Marschall hat zu Beginn des Jahres in den OÖN geschrieben: „Es knistert nicht in diesem Lande.“Wir ersuchen nun die Runde, ein persönliches Stimmungsbild zu zeichnen, eine demokratiepolitische Bilanz für OÖ. am Ende des 20. Jahrhunderts.

Pühringer:Mit dieser Aussage stimme ich in keiner Weise überein. Wir leben in einem Land mit einer sehr weiten geistigen Freiheit und offenen Atmosphäre. Ich glaube, daß der Aufbruch ins nächste Jahrtausend in kaum einem Bundesland so spürbar ist wie in OÖ. Dabei spielen die KUPF und die Zeitkulturszene eine maßgebliche Rolle. Demgemäß haben wir in der Kultur wie im Sozialen die größten Steigerungsraten.

Frais: Ich glaube auch, daß sich die Kulturentwicklung in OÖ. sehr gut gemacht hat. Was ich aber vermeiden möchte, ist ein Zurücklehnen in Zufriedenheit. Wir sind an der Jahrtausendwende und haben einen großen Schnitt vor uns. Gemeint ist der Wandel vom Industriezeitalter zum Technologie- und Medienzeitalter. Unter diesem Aspekt wird auch die Kultur neu zu definieren sein. Deshalb haben wir in 12 Punkten sozialdemokratische Denkansätze der Öffentlichkeit vorgestellt. Trübswasser: Was in den letzten 10 Jahren in OÖ. geschaffen wurde, ist zweifellos eine Pioniertat. Was mir aber auffällt, ist die Dominanz der traditionellen Kulturbereiche. Der Förderungsbericht macht es deutlich sichtbar. Die Errungenschaften, die Emanzipation und Teilnahme am Kulturgeschehen entscheiden sich aber daran, wie demokratisch sich die Zugangsmöglichkeiten für die Menschen gestalten.

Denkmair: Es hat sicher Fortschritte gegeben. Bei der Vielfalt in der Kulturpolitik ist jedoch noch einiges zu tun. Bedenklich ist auch, daß Kulturschaffen in OÖ. ohne öffentliche Zuwendungen kaum möglich ist. Es müssen neue Wege gefunden werden, denn Vielfalt mißt sich nicht zuletzt an der Verschiedenheit der Finanzierungsformen.

KUPF:Man hat oft den Eindruck, kulturpolitische Verantwortungsträger schwanken bei ihrer „Verwaltung des Mangels an Geldes“zwischen Bekenntnis, Duldung und Disziplinierung. Wo, Herr Landeshauptmann, ordnen Sie sich ein?

Pühringer: Ich kann mich nicht erinnern, daß ich jemals diszipliniert habe. Im Gegenteil: Das Bekenntnis kommt dann zum Ausdruck, wenn wir die Budgetverhandlungen führen. Ich glaube, da braucht sich OÖ. nicht zu schämen, da haben wir bewiesen, daß wir nicht Mangel verwalten in der Kulturpolitik. Im August wird die ÖVP ein Kulturprogramm präsentieren, mit vielen neuen Ideen. Eines muß jedoch allen bewußt sein: Wenn man Einrichtungen hat wie die KUPF, die einiges weiterbringen, wird der Spielraum für ständig Neues auch finanziell zunehmend geringer.

KUPF: Der SP-Parteivorsitzende Fritz Hochmair hat vor zwei Jahren erklärt, er wolle nicht Schönkultur vermitteln, sondern ein aufmerksamer Beobachter und Förderer der Szene sein. Zu bemerken war von dieser Linie eher wenig.

Frais: Dazu ein paar Punkte aus unserem Konzept: Ich bin überzeugt, daß unser Kulturentwicklungsplan für OÖ. etwas Knisterndes ist. Die KUPF hat dabei bereits Heimvorteil. Die Öffnung der Kulturverwaltung für Förderungsbeiräte ist im Zuge dessen unumgänglich. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die längerfristige Absicherung der Kulturvereine, denn gerade im administrativen Bereich liegen hier die Schwierigkeiten. Wir wünschen uns deshalb auch einen Sponsorenpool, der für Kulturprojekte die „Schutzherrschaft“ übernehmen könnte. Schließlich hat OÖ. im wesentlichen zwei Vorgaben: mit eigener Identität in Europa eine Kulturregion zu sein und zugleich international durch gegenseitige Vermittlung.

KUPF: Warum ist es so schwer, eine liberale Haltung der Kulturpolitik durchzusetzen?

Pühringer: Es bedarf ständig des Stachels im Fleisch des Politikers. Diese Funktion haben die Kulturinitiativen wahrgenommen. Es bedarf aber auch der mutigen Durchsetzungskraft des Politikers. Das Land OÖ. ist heute ein Zeichen dafür, daß beide ganz gut funktionieren.

Trübswasser: Ich halte Kulturarbeit für ein ganz wesentliches Thema und glaube, wenn wir auf der Suche nach neuen Arbeitsverhältnissen sind, dann bietet sie sich an. Man muß darüber reden, wie man Kulturarbeit definiert. Ich verstehe sie im Sinne eines Entwicklungsdienstes an der Gemeinde. Kulturarbeit muß immer „work in progress“sein. Als letztes: Wir haben in OÖ. 16 Prozent der Menschen, die hier leben und einen Beitrag zu unserer Kultur leisten. Sie sind nicht in OÖ. geboren und scheinen auch nicht in den Förderungen auf. Ich denke, da geht es um die Motivation, um die Eröffnung von Möglichkeiten.

Denkmair: Ich kann dem Argument nicht zustimmen, das Bekenntnis zu Kulturinitiativen beschränke sich einmal im Jahr auf das Budget. Es muß darüber nachgedacht werden, nicht immer nur Gelder zur Verfügung zu stellen. Dazu gibt es von uns die Idee der dualen Förderung, wo ich einerseits die etablierten Institutionen in der öffentlichen Hand belasse, den weiten Bereich der Kulturinitiativen aber durch eine Stiftung fördere. Diese soll von Fachleuten besetzt werden, die das Geld weitergeben. Ich halte nichts davon, daß Kulturbeamte entscheiden, wer Geld bekommt und wer nicht. Der zweite wichtige Punkt ist jener der längerfristigen Planung. Die Infrastrukturen der KI’s sind nun einmal längerfristig ausgerichtet. Nun zu den Neuen Medien: Es mag sein, daß Sie hier etwas bewegen wollen. Aber Österreich ist mit seiner Medienlandschaft noch nicht so weit. Ich halte es für einen Wahnsinn, daß noch immer der ORF diese allein beherrscht. Das geht hinunter bis zu den Zeitungen, denn auch dort fehlt die Vielfalt. Somit ist ein Kulturschaffen erschwert. Was darüber hinaus fehlt, ist das Verständnis von Kultur als mögliche Variante der Integration ausländischer Mitbürger.

KUPF: Noch einmal zum Thema Förderpolitik. Die KUPF empfindet es eigentlich als obrigkeitsstaatlichen Anachronismus, Kulturverwaltung und Fördervergabe in der Hand einer Stelle zu sehen. Wir würden uns bindende Entscheidungen von Kulturbeiräten wünschen, die durch ihre Transparenz nachvollziehbar sind.

Pühringer: Derzeit haben wir die Ministerverantwortlichkeit. Man kann überlegen, ob das zeitgemäß ist. Aber es ist nicht lustig, wenn mich der Kontrollausschuß oder die FPÖ herhaut, wenn mich sogar die Verwaltung schimpft, daß ich dem „KANAL“noch immer Geld geben will, wenn der nicht ordnungsgemäß abgerechnet hat. Es sind ja Steuergelder und einer muß die Letztverantwortung tragen. Ich glaube, daß wir mit den Fördergesprächen einen ganz guten Mittelweg zwischen der Kulturverwaltung und den Betroffenen gefunden haben und hier im Lande keine Geheimniskrämerei betreiben. In der Frage der Planung gehe ich jetzt einmal soweit: längerfristige Sicherheit besteht darin, daß in einem Abstand von drei Jahren nicht gekürzt wird. Ob es dann für Erhöhungen noch Budgetmöglichkeiten gibt, muß ich abwarten, weil ich die Konjunktur in drei Jahren nicht kenne.

Frais: Ich glaube, daß ein begründeter Förderungsvorschlag doch etwas anderes ist, als in einer Abteilung zu sagen: ich hätte etwas, und dann muß man darauf warten, ob da irgend etwas rauskommt. Mir geht es darum, daß diese Transparenzreform möglich sein sollte, was durch Förderungsbeiräte wirklich verstärkt werden kann. Bei einer mehrjährigen Bindung ist die Kameralistik insoferne als Problem zu umgehen, würden wir einen entsprechenden Beschluß im Landtag fällen. Das ist technisch kein Problem. Ebenso gibt es in Oberösterreich viele Baulichkeiten, die in der Vielfalt wenig genützt werden. Wenn ich an unsere Gemeinden denke, ist die kulturelle Nutzung noch viel zu gering. Hier ist zu überlegen, wie man etwa Gemeindehäuser stärker öffnen könnte. Dafür sind Voraussetzungen zu schaffen, und das wäre wiederum eine indirekte Förderung des Landes.

Trübswasser: Ich glaube, der Handlungsspielraum der Fördervergabe ist relativ gering und durch die Politik stark eingeschränkt. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, daß auf Gemeindeebene das Projekt „Dorfentwicklung“um jene erweitert wird, die sich der örtlichen Kulturarbeit widmen. Es bedarf auch hier der Interessensvertreter, einer Lobby vor Ort. Überhaupt muß man sich neue Formen der Evaluierung vorstellen, und ich sehe da einen Auftrag an die freie Szene, sich noch viel intensiver über Veranstaltungen hinaus mit Regionalentwicklung zu befassen. Ich würde das als wesentlichen Beitrag für ein Knistern in diesem Land sehen.

Denkmair: Nach unserer Idee könnte eine Kulturstiftung per Landtagsbeschluß eine Subvention bekommen. Dennoch wäre es ein wesentlicher Teil der Finanzierung, diese Stiftung neben Subventionen auch mit privaten Mitteln zu finanzieren, aber auch durch steuerliche Rahmenbedingungen die Privaten zu motivieren, in Kulturschaffen zu investieren.

KUPF: Wir möchten noch zwei Problemfelder der Kulturarbeit ansprechen: Die Lustbarkeitsabgabe sowie Abgaben, die gemeinnützige Vereine für Sicherheitsorgane zu leisten haben. Was gedenken Sie gegen diesen Unfug zu unternehmen?

Pühringer: Wir haben eine Empfehlung gegeben, daß bei Kultur- und Bildungsveranstaltungen die Gemeinden auf die Abgaben verzichten sollen. Ein Großteil tut das bereits. Bei den Sicherheitsorganen ist es eine reine Bundesvorschrift. Ich habe mich wiederholt an den Innenminister gewandt, daß man hier toleranter vorgeht. Der sagt dazu aber nein.

KUPF: In der Schlußrunde ersuchen wir um eine kulturpolitische Vision. Wie soll es in Zukunft aussehen?

Pühringer: Das allerwichtigste ist die Erhaltung. Eine Kulturpolitik, mit der wir das offene und liberale Klima, die kulturelle Vielfalt erhalten und weiter ausbauen. Wir haben dafür zu sorgen, daß die Talente, die Kreativität, die in der Jugend stecken, gerade in einer Zeit, die das Ökonomische so sehr betont, gefördert werden. Im Sinne der Regionalität ist die Dorfentwicklung noch zu stärken. Die Kulturförderung steuert in Hinkunft auf eine Prioritätensetzung anstatt einer Politik der Fortschreibung zu. An der Szene der Neuen Medien wird sie aber auf keinen Fall vorbeigehen können.

Frais: Prinzipiell möchte ich mit dem beginnen, daß es keine Zensur geben soll. Das setzt gerade mit der FPÖ eine bewußte Auseinandersetzung voraus. Der Umstieg in das Zeitalter der modernen Kommunikation konfrontiert uns mit völlig neuen Herausforderungen. Ich sehe in diesem neuen Kulturvermittlungsbereich sehr viel an Entwicklungsbedarf von seiten des Landes. Vor allem aber eine mehrjährige Sicherstellung. Und ebenso erscheint mir das Offensein, die Toleranz für unsere junge Demokratie notwendig, und deshalb ist Vielfalt in einem gewachsenen Europa nur zu erzielen, wenn man diese selbst zu sich hereinnimmt.

Trübswasser: Für die Integration von Ausländern würde ich mir wünschen, daß es ein Institut für kulturelle Inlandsbeziehungen gibt. Die Gemeinden fordere ich dazu auf, ihre Kulturausschüsse öffentlich abzuhalten. Das ist statutarisch überhaupt kein Problem. Bezüglich der KUPF denke ich, sie ist nicht nur für neue Ideen zuständig, sondern bereits ebenso für die kulturelle Grundversorgung in diesem Lande. Zur „Verlebendisierung“erwarte ich nicht Animositäten, sondern heftige Diskussionen, mit dem Bewußtsein, an einem vitalen Kulturerlebnis in OÖ. zu basteln.

Denkmair: Die Kulturpolitik wird über staatliche Subventionen hinausgehen müssen. Unverzichtbar erscheint mir der Rückzug von Beamten und Politik aus der direkten Verteilung, aus der Bewertung der Kultur. Ein ganz wesentlicher Punkt ist die Integration über Kulturinitiativen. Hier kann man sich mit ausländischen Mitbürgern auseinandersetzen, denn nur das Nichtkennen führt zu Ablehnung und Aggression. KUPF: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

 

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