Mit der Fackel in der Hand durch den Wald!

Klaus Wallinger, ehemaliger Vorsitzender der KUPF und langjähriger Kulturaktivist im Salzkammergut, hält eine Brandrede gegen himmelschreiende Ungerechtigkeiten in der oberösterreichischen Förderpraxis. Seine Empfehlung für eine zeitkulturell inspirierte Regionalentwicklung: Leuchten, nicht Löschen!

Und wie da hineingerufen wird, kommt es bekanntermaßen retour. Was ist los im Wald der Kultur? Bei den Kulturinitiativen und -arbeiterinnen? Bei den Aktivistinnen, den losen Sympathisantinnen, dem Publikum mit Teilhaberecht an selbst- und fremdgemachter Kunst, bei der Kulturvermittlung? Herr Kulturreferent? Der Mischwald ist bedroht, die Mono-Hochwachs-Kulturen werden mit Fördermitteln nur so überschüttet.
Da zerbiegen sich die Budgetaufstellerinnen landesweit zwecks Einsparungsmaßnahmen, aber heraus kommt so ziemlich gar nichts. Und wenn doch – zu wessen Lasten? Wir dürfen uns mit Galanterien wie Landesgartenschauen, Operetten- und sonstigen Festwochen vergnügen. Da wird fest hineingebuttert. Kohle, bis zum Abwinken. Zum Beispiel Kaiserlinden für Bad Ischl aus Norddeutschland um  läppische 150.000 Euro für die Gartenkrempenschau. Da frisst einen nämlich nicht der Neid – es sei meinen mir sympathischen Kaiser-Freundinnen durchaus vergönnt – sondern da zerreißt es einem die Membran. Als einsam suchender Landesbürger – in meinem Fall aus dem Salzkammergut – kann nur mehr verwundert konzediert werden: Das Geld ist da – aber schon wieder weg! Wohin?

Die Prioritätenliste der kulturfördernden Budgetmacher ist offenbar die Perfektionierung der Unschärferelation samt Schrödingers Katze in einer einzigen Formel:

 

Kulturland OÖ = Kulturhauptstadt Linz + [a bisserl unsere Viertel mit Landesmusikschulen flächendeckend  bedienen]

= kulturelle Vielfalt : EU der Regionen x Sparzwang

 

Ein Wunderbau für Linz, ein Museumsquartier für Linz, eine Landesausstellung für Linz, eine Landesgartenschau für Linz, eine Museumsmeile für Linz, und der Hammer: Das Landesmusikschulwerk – sind wir am Hauptstadtfuttertrog endlich angekommen und blasen in zig Kapellen unserem Land den Marsch? Die Brösel sind  jedenfalls für die Peripherie.

Weil jetzt kommt’s:
Kärnten sind wir – noch – nicht, wer sollte das auch schon wollen, das Fördersystem ist eh so la la. Aber wer denkt wirklich an uns? Wir haben die regionaltypischen Barrieren durchbrechen müssen, vom Mühl- übers Hausruck-, Inn- und Traunviertel, uns die Köpfe  blutig geschlagen, um das vorherrschende konservativ-klerikale Establishment zu unterminieren und uns den Mund fusselig geredet. Wir bringen Kunst und Kultur zu den Menschen, bieten Künstlerinnen im Rahmen unserer möglichen Ressourcen ihre Bühnen, Ausstellungshäuser, ihre  temporären Zonen, den Leuten Schnittstellen zum Einklinken in Kulturarbeit und detto Arbeitsplätze. In mittlerweile 125 KUPF-Initiativen, ARGEs und Kulturvereinen. Vernetzt haben sich die Initiativen detto, haben sich die KUPF als Interessensvertretung gebaut, um politisch und gesellschaftlich nicht mehr zwangsweise marginalisiert zu werden.
Trotz sämtlicher Ressourcenbündelungen, Selbstausbeutungsstrategien und prekärster Anstellungsverhältnisse ist es bis dato nicht möglich, regional vernetzte, spartenspezifische und/oder -übergreifende Kulturvermittlungsquartiere zu etablieren. Das sind für uns noch immer Engelsmusiken, Luftschlösser, unrealisierbare Idealvorstellungen, verkehrt-reziproke Situationismen, welche dem Turbomotor der Hochkultur wenigstens den Wankelmotor als Gegenmodell vor die hochsubventionierten Elitärgaragen stellen wollen. Auch wenn manche wieder verschwinden, verschluckt werden vermittels ökonomischer, sozialer, privater Zwänge: Irgendwo tauchen wir dann doch wieder auf und sind nicht aufzuhalten.

Schauen wir uns die Zustände im peripheren Raum doch einmal an: Kaum eine Tageszeitung, kein Magazin kommt in seinem Feuilleton ohne Reportagen über die Abwanderungstendenzen und den Überlebenskampf des regionalen Raums mehr aus. Ja, es fällt auf, ist nicht mehr zu ignorieren. Sieht man sich die Oberösterreichkarte der Ansiedelungs- und Abwanderungsregionen und -zonen an, muss nicht einmal mehr mit der Lupe gesucht werden. Der Speck- und Fettgürtel des Zentralraums wächst und wächst, die Randlagen, wie etwa Mühlviertel und Salzkammergut, verkümmern, verlieren an Bevölkerung; damit gleichzeitig an gut Ausgebildeten, einhergehend mit mangelnden hochqualifizierten Arbeitsplatzangeboten und somit einer schleichenden Totengräberstimmung in den betroffenen Regionen, samt Aushungerns der selbstverständlichsten Infrastrukturen. Gasthäuser als Kommunikationsorte sind nicht mehr überlebensfähig, ein Landkino nach dem anderen muss/te seine Pforten schließen, Kulturinitiativen vegetieren teilweise als temporäre Zonen im gesellschaftlichen Abseits, der Frust der Bevölkerung ist verständlich, der Biss für Neues nur Zahnersatz. Aus den betroffenen Kommunalghettos pendeln die Arbeitnehmerinnen aus. Einen Arbeitsplatz nach einer höher- oder höchstqualifizierten Ausbildung zu finden, gleicht einem surrealistischen Prozess des Scheiterns, soviel Realismus muss sein. Die Verkehrsadern verkommen aufgrund ökonomischer Zwänge des Pendlertums in den Zentralraum hinein zu verstopften Krampfadern mit sämtlichen, auch ökologischen Folgeerscheinungen.

Weiche Standortfaktoren, wie etwa funktionierendes soziales Umfeld, Bildungs- und Ausbildungschancen oder kulturelle Vielfalt mit Teilhabemöglichkeit mutieren zusehends und vielerorts zum Wunschdenken für eine intakte Lebensqualität und zur hohlen, politisch motivierten Phrasendrescherei ohne jegliche Aussicht auf Umsetzung. Und da rede ich jetzt noch nicht einmal von emanzipatorischen, geschlechtergerechten und migrationsimmanenten Phänomenen. Dabei ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Mich zumindest stimmt es nicht optimistisch, zusehen zu müssen, wie sich eine Gesellschaft fragmentiert, zerspragelt, durch den Fleischwolf einer politischen Verlotterung drehen lässt und brav kommentarlos den Dorfdeppen geben darf, verblödend im Konsumzwang, weil wenn’s der Wirtschaft gut geht, geht’s uns allen gut, gelt? Wir sind ja nicht beim Klagenfurter Fasching, oder doch?

Wenn schon der Höhenrausch in der Landeshauptstadt seine europäisch kulturhauptstädtische Nachhaltigkeit entwickelt hat, wie man uns glauben macht, dann bitte aber auch rasch und flächendeckend den kommunal/ländlichen Raum bedenken – auch wir wollen berauscht werden: Nicht fast und ausschließlich das nahezu gesamte Kulturbudget in Landeseinrichtungen und in Linz versenken: Das macht nämlich summa summarum 150,5 Millionen Euro aus (87,72% vom Gesamtkulturbudget). Da nehmen sich die ausgewiesenen 8,2 Millionen oder 4,78 für den Ansatz Freie Zeitkultur doch eher wie Haselnüsse aus. Wenn man dann in diesem Budgetansatz noch einmal splittet und die Aufwendungen für Kulturinitiativen und Kulturentwicklungsarbeit herausfiltert, will heißen, den uns betreffenden Posten betrachtet, bleiben erstaunliche 1,46%  übrig. Das kann unsereine, eine im Kulturkampf gegerbter Aktivistin, noch immer nicht wirklich akzeptieren.

Fair Pay für Kulturarbeit, für Kulturentwicklung und damit einhergehend für eine jeweils regionsspezifische, weiche Standortfaktoren bedenkende Strategie kann helfen, die Aushöhlung des peripheren Raumes abzubremsen, zu stoppen und den Umkehrschub zu befördern. Dazu braucht es politischen Bekenntnissinn und spürbare Taten (ein Budget der transparenten Fairness). Die KUPF samt Mitgliedern ist dazu mehr als bereit. „Zumutungen“ liefern wir nämlich frei Haus!

Frei nach Denis Diderot (1713 – 1784):
Ein Wanderer marschiert nächtens mit einer Fackel in der Hand durch den Wald. Ein Fremder kreuzt seinen Weg. Dessen Rat: Er solle diese doch löschen, dann werde er besser sehen. Der Fremde war Kulturpolitiker (bei Diderot war’s bekanntermaßen ein Theologe).

An meine Leute:
Zähne zusammen beißen, Messer in den Mund und ja nicht die weiße Flagge hissen: Lokalbühne, Stadtwerkstatt, KAPU, Schlachthof, Gugg, Röda und all die anderen, auch temporären Initiativen! „Don’t waste your time waiting for peanuts!“ Fertig getanzt ist erst, wenn der Boden bebohnert wird. DIY ja, aber ohne Kapitulation vor dem Kapital und dessen Krakenarmen.

 

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