Rosa Reitsamer war am 6. Mai im Rahmen der Reihe »Needful Things« in die KAPU eingeladen, um über Popkultur und ihre feministisch-queeren und antirassistischen Produktionen und Vernetzungen zu sprechen. Und, um sicherheitshalber mit ein paar Vorurteilen aufzuräumen.
Mädchen und junge Frauen werden im Alltagsverständnis kaum als (pop-)kulturelle Produzentinnen wahrgenommen. Sie gelten als passive Konsumentinnen, während Burschen und jungen Männern die aktive Position der Produzenten zugeschrieben wird. Junge Frauen sind aber seit der Entstehung von Popkultur in diese involviert und bringen ihre eigene »shadow cultural economy« (John Fiske) hervor. Das heißt, sie bilden sich eine Ökonomie, die sich durch die Aneignung von kommerziell produzierten Gütern und der Produktion von eigenen kulturellen Artefakten entwickelt. Ein frühes Beispiel und damit die erste Möglichkeit, eventuelle Vorurteile zu überdenken: Fantum zu Zeiten der Hollywood Filmstars. Um 1920 wurden Mädchen und junge Frauen als kulturelle Produzentinnen sichtbar, indem sie Filmclubs organisierten, Briefe an Produktionsfirmen schrieben und eigene Filmskript verfassten. Fantum war also bereits um die Jahrhundertwende eine Strategie, das Öffentliche und das Private zumindest in einer kleinen Teilöffentlichkeit zu verhandeln und die Grenzen rudimentär zu überschreiten. Diese jungen Frauen waren Vorreiterinnen für spätere Generationen, die für ihre kulturelle Produktion verstärkt die neuen Technologien, von Kopiermaschinen für die Herstellung von Fanzines bis zum Internet, aufgriffen.
Ähnliches lässt sich über das Phänomen Bed Room Culture sagen. Im Kinderzimmer abhängen, Musik hören, Magazine lesen, Poster kleben, mit Mode oder Make-Up experimentieren usw. eröffnet einen Raum für identitäre Aushandlungsprozesse und kulturelle Aktivität. Diesem Ansatz liegt eine Konzeption von Widerständigkeit zugrunde, die durch den Konsum von kommerziellen, kulturellen Artefakten entsteht, indem ein anderer von der Kulturindustrie intendierter Subtext erarbeitet wird. – Ein »widerständiges Lesen«, das eigene Bedeutungen und Strategien entwirft, traditionelle Geschlechterrollen unterläuft und selbstermächtigend wirkt. Formen von widerständigem Handeln entwickelten auch Punk- und Hip Hop Frauen in den 1970er und 1980er Jahren, indem sie als Sängerinnen, Instrumentalistinnen, DJs, Rapperinnen, aber auch Modedesignerinnen, Betreiberinnen von Plattenlabels oder Herausgeberinnen von Fanzines aktiv wurden. Allerdings war das Verhältnis von Punk- und Hip Hop Akteurinnen zur Frauenbewegung ein durchaus gespaltenes. Viele Hip Hop Frauen lehnten es ab, sich als Feministinnen zu bezeichnen, weil sie Feminismus mit einer sozialen Bewegung von weißen Mittelschichtfrauen assoziierten. Künstlerinnen wie Roxanne Shanté, Lisa Lee, The Mercedes Ladys und andere entwickelten einen eigenen Diskurs über Selbstermächtigung und Emanzipation, schufen ein generationsübergreifendes Netzwerk und wurden durch ihre öffentliche Präsenz zu einflussreichen Role Models. Sie eigneten sich von jungen Männern dominierte jugendkulturelle Räume an, forcierten Diskussionen um männliche Dominanz und weibliche Unterordnung und etablierten eine eigene Kultur für schwarze Weiblichkeit abseits rassistischer und sexistischer Stereotype. Die Inszenierungsfreiheit von Frauen im Hip Hop erfuhr in den 1990er Jahren aber auch zunehmend Einschränkungen. Whiteness oder Weiß sein bedeutete, und bedeutet immer noch, eine privilegierte Position, ein Mehr an Freiräumen für die Entwicklung von Praxen, im Gegensatz zu Diskriminierungen aufgrund von Ethnizität.
Daran haben leider auch Riot Grrrl, Dyke Punk und Queercore noch nicht viel geändert. – Obwohl seit den 1980er Jahren Diskussionen über Ethnizität und Race in der Frauenbewegung existieren und Women of Color immer wieder den Rassismus und die Color Blindness innerhalb der Frauenbewegung kritisiert haben. Vor diesem historischen und theoretischen Hintergrund ist es irritierend, wenn sich Lady Feste als queer feministische Räume ausschließlich auf Punk Rock und Riot Grrrl beziehen und beispielsweise Hip Hop oder auch der Begriff Hip Hop Feminismus gänzlich außen vor bleiben. Und es ist zudem irritierend, dass im Zusammenhang mit Popfeminismus kaum die Rede von Klasse und Ethnizität ist, obwohl die Einflüsse afroamerikanischer Popularkultur und schwarzer Musikerinnen, Performerinnen und Künstlerinnen aus dem Popfeminismus nicht wegzudenken sind. Gute Gründe, um die Diskussion über das Fortschreiben von White Women Hood mit all seinen Negationen und Differenzen zwischen Frauen, Lesben und Queers, und vielleicht auch die Vortragsreihe, fortzusetzen.
*Rosa Reitsamer ist Soziologin und lebt in Wien. Ihre Interessensschwerpunkte sind Repräsentation von Frauen in den visuellen Künsten und der Popularkultur. (Link: Dig Me Out – http://tid.nextroom.at/dig_me_out/de_neu/by_name.htm)
Gerlinde Schmierer studiert Medienkultur- und Kunsttheorien in Linz und ist im Vorstand von FIFTITU%.