macht:demokratie: Nach der Jury

Ein Interview mit der Innovationstopf-Jury 2008 führte Birgit Pichler.

Oft schon war in den letzten Ausgaben der KUPF-Zeitung über den Themenkomplex »Macht/Demokratie« zu lesen. Nicht nur die eben von der KUPF gestartete Kampagne »Kulturarbeit ist Arbeit«, beschäftigt sich mit politischer Kulturarbeit, kultureller Partizipation, Machtdekonstruktion und Demokratisierung – auch das Thema des 13. KUPF-Innovationstopfes »macht:demokratie« sollte zu einer Auseinandersetzung anregen.

Nach der Ausschreibung im Oktober 2007, ging der KUPF-Innovationstopf 2008 am 24. und 25. April 08 in die letzte Phase. Eine fünfköpfige Jury diskutierte die 40 eingereichten Projekte öffentlich im KunstRaum Goethestraße, Linz. Knapp zehn Stunden Diskussion und Auseinandersetzung brachten schließlich 10 jurierte, vom Land OÖ finanzierte Projekte hervor.

Nach der Jurysitzung führte Birgit Pichler ein Interview mit den Mitgliedern der Jury – über Themenwahl, eingereichte Projekte, Atmosphäre, Kriterien und sonstige Modalitäten.

Ist die Themenwahl »macht: demokratie« für euch geglückt?

Harald Freudenthaler: Ich habe die Themenwahl als geglückt empfunden – das wurde auch bei den Einreichungen deutlich. Es sind nur ganz wenige Einreichungen gewesen, wo wir sagen mussten, das geht beim Thema vorbei. Grundsätzlich haben alle gute Interpretationen der Themen gemacht.

Eva Kreisky: Also geglückt ist vielleicht nicht das richtige Wort. Glück hat etwas mit Zufall zu tun. Für mich ist die Frage eher, ob es ein ansprechendes und spannendes Thema ist? Ich glaube es ist ein gut gewähltes Thema, weil wir im Moment im Neoliberalen-Glück-Existieren nicht mehr über Demokratie reden und von daher finde ich das wichtig, vor allem weil wir jetzt einer Welle von Demokratieentleerung ausgesetzt sind. Das gewissermaßen dieses Von-Unten-Aufrollen der Demokratiefrage also höchste Aktualität hat und insofern durchaus sinnvoll ist.

Uli Böker: Aus der Sicht einer in so einer ‘Machtposition’ stehenden Bürgermeisterin sehe auch ich die Defizite ganz stark, dass die Beteiligung an Politik, an Macht, an Demokratie nicht mehr so stark gegeben ist. Es ist ganz schwierig, Menschen zu finden, die sich damit auseinandersetzen. Darum habe ich es sehr, sehr gut gefunden, dass die KUPF sich dieses Themas annimmt.

Thomas Philipp: Ich habe es als sehr geglückt empfunden, dass der Begriff ‘Macht’ in der Ausschreibung eine zentrale Rolle gespielt hat, was sich auch in den Projekteinreichungen zu einem schönen Teil widergespiegelt hat. Also diese Thematisierung von Machtverhältnissen. Wie wird Macht festgeschrieben? Wie wird Macht produziert und reproduziert? Wo schreibt sie sich dann ein? Und das hat sich auch in einigen theoretischen Zugängen der Projekte sehr schön wiedergegeben, aber auch in der Umsetzung von vielen Projekten.

War die Ausschreibung für das gewählte Thema zu eng gefasst oder zu weit gefasst?

U.B. : Ich persönliche finde einen etwas weiter gefassten Begriff immer sehr gut. Ich kenne auch andere Ausschreibungen, wo das Thema sehr auf einen Punkt fokussiert ist und insofern lässt dieses Thema einen großen Spielraum zu. Das hat sich auch in den Projekten widergespiegelt. Also ich glaube, dass das sehr gut gefasst war.

E.K.: Es war beides. Einerseits ist ein großer Spielraum für die AntragstellerInnen möglich gewesen, gleichzeitig ist es sozusagen als Thema nicht so weit gefasst, dass es nur diffus wird. Hilfreich ist auch, dass ganz konkrete Kriterien festmachbar sind.

Rubia Salgado: Das hat jetzt nicht direkt mit Birgits Frage zu tun, aber ich wollte euch etwas fragen: Warum glaubt ihr, dass kein Projekt eingereicht worden ist, das sich mit dem Phänomen der Nichtbeteiligung, mit dem Phänomen der Entpolitisierung beschäftigt hat? Ob das mit der Ausschreibung zu tun hat?

E.K.: Ich glaube nicht.

R.S.: Das ist eigentlich ein brisantes Phänomen, oder? Und damit beschäftigt sich kein einziges Projekt. Also alle Projekte gehen davon aus, dass es ein bestimmtes Potenzial von Interesse an Beteiligung gibt. Das war während unserer Diskussion auch ein paar Mal die Kritik, diese Selbstverständlichkeit, dass es eine Gruppe gibt, die sich für das Konzept interessieren wird. Und das andere ist nicht vorgekommen, das gebe ich noch zum Nachdenken – an die KUPF eigentlich.

T.P.: Ich denke mir, dass hat halt schon auch damit zu tun, dass diese Nichtposition, quasi dieses Nichträumliche in der Ausschreibung vielleicht zu wenig angesprochen wurde. Vor allem im Titel. Also wenn man den Begriff der Ohnmacht eingeführt hätte, dann wären vielleicht mehr Projekte in diese Richtung gekommen.

Da wir jetzt schon bei den eingereichten Projekten sind – könnt ihr eine allgemeine Beurteilung dazu geben?

T.P.: Ich war überrascht, dass so viele mit wirklich guter Qualität dabei waren. Ich habe eigentlich mit mehr Projekten gerechnet, wo sofort klar ist, dass die überhaupt keine Chance haben. Weil sie thematisch nicht passen oder weil sie nicht gut ausgearbeitet sind. Es hat sich gezeigt, dass da wirklich sehr viel an Bemühen da war, um dem Thema gerecht zu werden.

E.K.: Ich glaube, größtenteils haben die Projekte ein hohes konzeptuelles Niveau gehabt. Es fällt auf, dass ofensichtlich Akteure und Akteurinnen am Werk waren, die auch sehr politisiert an ihre Fragestellungen herangehen – das finde ich unheimlich positiv.

H.F.: Man hat bei den Einreichungen, glaube ich, einen guten Querschnitt gehabt. Die Leute haben sich schon sehr an die Ausschreibungskriterien gehalten. Und es waren eigentlich durchwegs in allen Feldern, die empfohlen worden sind, Projekte vertreten. (Anm. d. Red.: Die KUPF schlägt der Jury vor, auf vier Themenfelder besonderen Wert zu legen: Freie Medien, Regionale Initiativen und KUPF-Mitgliedsvereine, frauenpolitische Projekte, Projekte von MigrantInnen) Also angefangen von Projekten, die im migrantischen Bereich angesiedelt waren, Projekte, die die Gleichstellung der Frauen thematisieren, Medienprojekte und Kunstprojekte. Das spricht für die Ausschreibung.

Ihr habt also das Gefühl, dass sich der Großteil der EinreicherInnen wirklich konkret mit der Themenstellung befasst hat?

R.S.: Ja.

U.B.: Also das kann man sicherlich mit ‘Ja’ beantworten.

H.F.: Auch ich schließe mich hier an.

Und wie ist es euch mit der Atmosphäre während der Jurysitzung gegangen? Hat die Öffentlichkeit einen besonderen Einfluss?

U.B: Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass es eine öffentliche Jury gibt. Obwohl man sich als Jurorin, also ich zumindest, vielleicht davor ein bisschen gefürchtet hat. Ich war noch nie bei einer öffentlichen Jury selbst Jurorin. Diesen Modus sollte die KUPF unbedingt beibehalten. Schade war, dass nicht sehr viele BesucherInnen da waren. Wenn ich selbst eingereicht hätte, wäre ich wahrscheinlich schon gekommen – wobei es natürlich ein großer Zeitaufwand ist. Aber ich habe mich sehr wohl gefühlt.

R.S.: Ich habe mich auch wohl gefühlt. Und ich betone auch, dass ich sehr dafür bin, dass der Modus der öffentlichen Jurysitzung beibehalten wird. Die Diskussionen in der Gruppe fand ich sehr spannend. Es gab so eine konsensuelle Basis, eine Linie zwischen uns, die uns konsensuell verbunden hat. Es gab sehr spannende Momente.

E.K.: Nun, es gab Konsens bei den Beurteilungskriterien, aber unterschiedliche Zugänge. Und insofern ist es überraschend, wenn es dann doch relativ harmonisch abgeht, nicht?

U.B.: Genau das war für mich so spannend. Dass es eben diese unterschiedlichen Zugänge gegeben hat. Und für mich ist das auch eine Möglichkeit, wieder neue Blickwinkel, mehr Weitblick zu erhalten. Auch von den Projekten selbst habe ich sicherlich sehr profitiert, es hat sehr zum Nachdenken und zum Überlegen angeregt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Birgit Pichler ist Projektkoordinatorin des KUPF-Innovationstopfes und Aktivistin bei FIFTITU%.

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