Kulturpolitik: Ein Kurswechsel verlangt mutige Eingriffe!

Martin Wassermair über den Kunstbericht für das Förderjahr 2006.

 

Vorweg die gute Nachricht: Franz Morak singt nicht mehr, tritt bisweilen auf keine Theaterbühne und ist auch in der Rolle des Staatssekretärs für Kunst und Medien nicht auf der Regierungsbank zu sehen. Die schlechte Nachricht: Nach dem Ende der ÖVP Verantwortung für die Bundeskulturpolitik tritt deren Hinterlassenschaft immer noch zu Tage. Ende Juli wurde der Kunstbericht für das Förderjahr 2006 der Öffentlichkeit vorgestellt.

Wer sich in die Bleiwüste des Zahlenmaterials vertieft, kann sich davon überzeugen, dass sich der rechtskonservative Strukturwandel nachhaltig eingeschrieben hat. Freunderlwirtschaft, Klientelinteressen und Großmannsucht kennzeichnen auch das letzte Jahr der kulturpolitischen Amtsausübung am Ballhausplatz. Höhepunkt ist da sicherlich die Zuwendung von 526.800 Euro für eine von Hans Hollein in China kuratierte Architektur-Ausstellung. Da nehmen sich die 38.709 Euro fast bescheiden aus, die Franz Morak seinem Freund Peter Weibel im Jahr davor eigenmächtig für eine Medienkunst-Darbietung nach Peking mitgegeben hat.

Überhaupt darf sich der Trend zur Festivalisierung 2006 angesichts eines Budgetzuwachses von 46,3% sehr zufrieden zeigen. Dem steht eine weitere Schwächung der strukturellen Unabhängigkeit gegenüber. Im Bereich der Kulturinitiativen sind Jahresförderungen seit Jahren de facto abgeschafft. Neuerdings trifft diese Entwicklung auch die Medienkultur. Wer Finanzierung will, muss sich in das prekäre System der Projektförderung begeben. Hier ist nichts von Dauer, alles bleibt irgendwie mikroskopisches Spektakel, und die gesellschaftliche Bedeutung erzielt bestenfalls eine Langzeitwirkung von Sprühkerzen am Weihnachtsbaum. Und dennoch: Der Kunstbericht dokumentiert für die Medienkunst eine Jahresförderung für das Linzer Ars Electronica Center in der Höhe von 130.000 Euro (übrigens der einzige Nachweis einer Basisfinanzierung unter diesem Kapitel), während etwa die bislang dürftig dotierten Netzknoten aus Linz, Salzburg und Graz nicht mehr unter diesem Titel anzutreffen sind. Detail am Rande: Seit seiner Berufung durch Franz Morak im Jahr 2005 sitzt AEC-Leiter Gerfried Stocker in dem dafür zuständigen Fachbeirat, der bis Ende 2006 gerade mal 3 Mitglieder (!) umfasste. Vor diesem Hintergrund muss es schon fast als eine saubere Vorgangsweise betrachtet werden, dass ein Reisekostenzuschuss für Stocker in der Höhe von 1.106,44 Euro von der Abteilung für kulturelle Auslandsangelegenheiten getragen wurde.

Das bisherige System der Intransparenz und Unvereinbarkeiten lässt sich mit dem Kunstbericht 2006 umfangreich veranschaulichen. Umso mehr gilt die gespannte Aufmerksamkeit der sozialdemokratischen Erbin dieser Hinterlassenschaft. Ministerin Claudia Schmied ist jedenfalls gut beraten, vom kulturpolitischen Kurs der schwarzblauen Episode abzukehren und einen Weg zu beschreiten, der den Kunst- und Kulturschaffenden Wertschätzung entgegen bringt.

Nicht Prestige- und Großprojekte sind Zukunftsmodelle für den politischen Wandel, sondern Maßnahmen zur strukturellen und sozialen Absicherung im Bereich von Kunst, Kultur und Medien. Mutige Eingriffe in die personellen Verflechtungen der Morak-Gehrer-Schüssel-Jahre sind dafür unumgänglich.

Martin Wassermair ist Historiker, Kultur- und Medienaktivist sowie Vorstandsmitglied des Kulturrat Österreich.

http://www.wassermair.net

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